Zur Notwendigkeit Verfasster Studierendenschaften

Die Verfasste Studierendenschaft stellt zum jetzigen Zeitpunkt noch immer die einzig existierende Institution dar, die es den Studierenden ermöglicht, sich nachdrücklich an den Auseinandersetzungen über Hochschule, Wissenschaft und deren gesellschaftlichen Grundlagen zu beteiligen. Nicht zuletzt die negativen Erfahrungen der Studierenden in Bayern und Baden-Württenberg nach Abschaffung der dortigen Verfassten Studierendenschaften haben gezeigt, wie wichtig selbstverwaltete Studierendenschaften mit umfassender Finanzautonomie für eine wirkungsvolle Interessenvertretung sind.

Die Gründe für die gesetzliche Verankerung der Verfassten Studierendenschaft im Hochschulrahmengesetz sind in der Tat gewichtig. In der heute nach dem Modell der professorendominierten Gruppenuniversität organisierten Hochschule bilden die Studenten zahlenmäßig zwar die weitaus stärkste Gruppe, dennoch haben sie in den universitären Gremien nur eine einflusslose Minderheitenposition. Sie brauchen daher eine Institution wie die Verfasste Studierendenschaft, in der sich ein studentischer Meinungs- und Willensbildungsprozeß organisieren kann. Unter den Bedingungen der bestehenden Gruppenuniversität bedürfen eigentlich alle beteiligten Gruppen – Hochschullehrer, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten und nichtwissenschaftliche Mitarbeiter – ausreichender Möglichkeiten der internen Diskussion relevanter Fragen „sowie der gruppenmäßigen Repräsentation nach innen und nach ‚außen‘, d.h. innerhalb der Hochschule wie auch gegenüber dem Staat und gegenüber anderen am Politikprozeß teilnehmenden gesellschaftlichen Kräften.“

Zwar findet an der Hochschule eine Repräsentation von Gruppeninteressen auch in den zentralen Organen der Hochschule statt. Hierbei ist aber das Ergebnis der Willensbildung dieser Gremien in keinem Falle eine repräsentative Meinungsäußerung „der Studenten“ einer Universität, sondern immer nur eine solche des jeweiligen Universitätsorgans. Dies wird noch verstärkt durch die Tatsache, dass in der Regel die absolute ProfessorInnenmehrheit in den universitären Gremien hinter den Entscheidungen der Gremien steht. Die Stimme „der Studenten“ kann auf diese Weise in der (hochschul)politischen Öffentlichkeit nicht vernommen werden, nicht einmal zu Themen wie Studienzeitverkürzung, studienbegleitende Leistungskontrollen, Unterrichts- und Prüfungsreform, Wohnungslage, europa- und weltweiter Studentenaustausch, BAfög-Reform, Forschungs- und Lehrinhalte um nur einige unstrittig „studienrelevante“ Probleme anzusprechen. Diese sich hieraus ergebende Rechtfertigung für eine studentische Gesamtrepräsentation kann auch nicht mit dem Einwand begegnet werden, eine Repräsentation „der Studenten“ könne ohnehin nicht hervorgebracht werden, allenfalls die Verlautbarung einer Mehrheitsauffassung. Das Problem liegt hier allerdings nicht anders, als in anderen Fällen demokratischer Repräsentation auch.

Um die Legitimation der Studierendenvertretungen zu erhöhen ist allerdings zweifelsohne erforderlich, der um sich greifenden hochschulpolitischen Apathie der studentischen Wählerschaft entgegen zu wirken. Dies wiederum erscheint nur dann möglich, wenn das Aktionsfeld der Studierendenschaft und ihrer Vertretungsorgane von Gesetzes wegen so bemessen wird, dass es für kritische und engagierte Studenten attraktiv erscheint, in der Selbstverwaltung aktiv zu werden. Denn ähnlich wie in anderen Bereichen des politischen Systems der BRD gilt auch für die Studierendenschaft, dass mit einer Beschränkung des Handlungsspielraums der gewählten VertreterInnen – sei es durch ökonomische Sachzwänge oder durch verwaltungsgerichtliche Zensur – das allgemeine Interesse an diesen Institutionen verloren geht und sich Politikverdrossenheit breit macht.

Quelle: Bündnis für Politik und Meinungsfreiheit