Soziale Auswirkungen von konkreten Studiengebührenmodellen

Somit sind sozialverträgliche Studiengebühren ein Widerspruch in sich. Neben der bisherigen allgemeinen Kritik sollen in diesem Analysepapier systematische Fehler in den verschiedenen Modellen dargestellt werden: Sowohl in den bereits eingeführten, die schon seit mehreren Jahren effektiv nach sozialen Aspekten selektieren; als auch in geplanten Modellen, die in jüngster Zeit verstärkt von PolitikerInnen, WirtschaftslobbyistInnen und MedienvertreterInnen präsentiert werden. Der Fokus der Argumentation liegt auf der individuellen finanziellen Situation von StudentInnen und Studieninteressierten.

allgemeine Studiengebühren

Grundsätzliches
Alle Studiengebührenvarianten koppeln die Bildungsbeteiligung an die sogenannte Primärverteilung des Sozialproduktes. Diese Primärverteilung ergibt sich aus der jeweiligen Stellung der einzelnen Menschen im System der gesellschaftlichen Produktion und setzt sich im Wesentlichen aus dem Arbeitseinkommen sowie aus den Einkommen aus Kapital und Vermögen zusammen. Sie lässt sich damit nicht allein so beschreiben, dass Menschen unterschiedlich viel Geld verdienen, sondern sie ist auch ein Ausdruck von Machtbeziehungen und strukturell unaufhebbaren Ungleichheitsverhältnissen.

Durch Marktbeziehungen wird die Ungleichheit der sozialen Grundverhältnisse weiter gestärkt. Nach den Erfahrungen aller kapitalistischen Industriegesellschaften lässt sich den Ungleichheitsverhältnissen und bildungsdiskriminerenden Effekten der sozialökonomischen Kernstrukturen nur durch die Sekundärverteilung des Sozialproduktes über Steuern und Abgaben bis zu einem gewissen Grade entgegenwirken. Dies wird beispielsweise dadurch möglich, dass das System Zugang zu Bildung bietet (z.B. durch ein gebührenfreies Hochschulstudium) oder Bildungsbeteiligung fördert (z.B. durch eine Art sozialer Grundsicherung). Studiegebühren wirken durch die Kopplung an die Primärverteilung anstelle des Ausgleichs über die Sekundärverteilung in die entgegengesetzte Richtung. Deswegen kann es per definitionem keine sozialverträglichen Studiengebühren geben.

konstruierter Konkurrenzkampf
Allen Studiengebührenmodellen ist gemeinsam, dass durch sie versucht wird, im Bildungsbereich künstlich marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen. Damit sind Studiengebühren nicht nur in ihren Auswirkungen sozial selektiv, sondern bereits per definitionem. Ursprünglich ist Bildung dadurch charakterisiert, dass sie ein öffentliches Gut, d.h. zum einen frei zugänglich – beispielsweise nicht an bestimmte Orte gebunden – und zum anderen nicht konkurrierend ist.

Diese Grundkonzeption hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Numerus-Clausus-Urteil 1972 nochmal gestärkt. Die Beschränkung des Hochschulzugangs darf demnach nur bei mangelnden Kapazitäten stattfinden. Jedoch wird gerade durch die Steuerung der Kapizitäten versucht, den im Widerspruch zu den kapitalistischen Leitmotiven stehenden freien Zugang zu bekämpfen. Denn ein Grundbedarf an Bildung besteht immer und erst durch künstliche Verknappung (von notwendiger Infrastruktur) kann diesem Gut sein öffentlicher Charakter teilweise entzogen und damit ein Preis für Bildung geschaffen werden.

Bildung wird von wenigen „Kaufkraftstarken“ konsumiert und wird zum privaten Gut. Hat sich erst ein Preis etabliert, soll über ihn die Nachfrage gesteuert werden. Das hat wiederum zur Folge, dass jede Entscheidung über eine Studienaufnahme im Kosten-Nutzen-Kalkül auf ihre finanzielle Bedeutung und damit eine potentielle Rendite reduziert wird. Nur noch für die wenigen Begüterten bleibt diese Frage im Hintergrund, für alle anderen ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit die finanziell weitaus lohnerende Alternative zum Studium, da die Studiengebühren zu den ohnehin schon hohen Opportunitätskosten zur Finanzierung des Lebensunterhalts hinzu kämen.

Auf einer zweiten Ebene ist – betrachtet man nun konkret die Bundesrepublik – ein Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Bundesländern zu erwarten. Ländern, die alle erdenklichen Gebühren einführen wollen, stehen Länder vollkommen ohne Gebühren gegenüber. Folglich wird es zu einer verstärkten Migrationsbewegung kommen: Wer nicht die finanziellen Möglichkeiten hat, im Bundesland des aktuellen Wohnortes zu studieren, wird gezwungen, ein Bundesland suchen, das diesen Möglichkeiten entspricht. Wer dagegen genug Geld hat, wird mit der freien Wahl des Studienortes belohnt. Natürlich wird dies auch die freie Wahl des Studienganges einschränkt. In Bremerhafen Brauereiwesen zu studieren ist genauso unmöglich wie umgekehrt in Weihenstephan Schiffbau.

Oftmals wird versucht, von der selektiven Wirkung von Studiengebühren abzulenken, indem darauf verwiesen wird, dass das Geld den Hochschulen zugute kommen soll. Doch auch gerade darin verstecken sich wiederum Selektionsmechanismen. Beispielsweise wandern im australischen Modell HECS die Gebühren direkt an die Hochschulen. Nach Einführung der Gebühren wurden die staatlichen Bildungsausgaben immer weiter – bis auf ein Minimum – reduziert. Daraus resultiert die Abhängigkeit der Hochschulen von Studiengebühren und wiederum StudentInnen. So haben die australischen Hochschulen immer mehr den Charakter von Dienstleisterinnen gewonnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Modellen müssen StudentInnen hier keine allgemeinen, nicht-zweckgebundenen Abgaben entrichten, sondern sie sind zu zahlenden „KundInnen“ geworden, die die Ware „Bildung“ einkaufen können.

Das oben angesprochene Prinzip des künstlichen Marktes wird hier noch weiterentwickelt, da nun auf der dritten Ebene auch Hochschulen untereinander konkurrieren. Den (potenziellen) StudentInnen bietet sich dadurch die Wahl zwischen billiger oder qualitativ hochwertiger Bildung. Damit ist jegliche marktförmige Ausgestaltung des Bildungsbereiches abzulehnen. Gerade mit einem Absinken der Staatsquote durch eine stärkere finanzielle Autonomie der Hochschulen werden die systemimmanenten Probleme des Kapitalismus auf ursprünglich öffentliche Bereiche übertragen. weitere Effekte Bekanntlich existieren mehrere Schwellen in der individuellen Bildungslaufbahn, an denen eine Selektion stattfindet.

Studiengebühren betreffen dabei die vierte (Aufnahme eines Studiums) und die fünfte Schwelle (Hochschulabschluss). Dabei muss vor allem beachtet werden, dass die Menschen, die duch die ersten vier Stufen noch nicht aussortiert wurden, natürlich hohe finanzielle Anstrengungen zur Überwindung dieser Schwellen mitbringen mussten. So werden auch schon vor dem Studium hohe private Beiträge zur Bildungsfinanzierung geleistet. Dies fängt mit Gebühren für Kindergartenplätze an. Auch im schulischen Bereich werden Leistungen durch die Eltern erbracht, da beispielsweise immer stärker das Prinzip der Lehrmittelfreiheit umgangen wird oder auch Leistungen wie Nachhilfe eingekauft werden müssen (das betrifft bildungsferne Schichten umso mehr). So wird vorschulische Bildung zu 21% und solche an allgemeinbildenden Schulen zu 18% von den Eltern finanziert.

Ein weiterer, effektiv arbeitender Selektionsmechanismus ist die Staffelung der Gebühren nach dem Studiengang. Dabei sollen hier zwei Modelle betrachtet werden. Das erste verfolgt das Ziel, das Fächerspektrum der Hochschulen den (momentanen) Bedürfnissen des Arbeitsmarktes anzupassen. Momentan fordert der Arbeitsmarkt mehr WirtschaftswissenschaftlerInnen, daher sollen sie möglichst wenig (oder gar keine) Gebühren zahlen, sodass mehr Menschen diese Fächer studieren. Dem gegenüber werden Geisteswissenschaften als wirtschaftlich nutzlos gewertet. Sie sollen in diesem Modell die höchsten Gebühren erhalten. Ihren persönlichen Interessen und Fähigkeiten können somit nur die Menschen nachgehen, die sich die höheren Gebühren im Wunschfach leisten können. Im zweiten Modell erfolgt die Staffelung nach dem von der herrschenden Meinung bestimmten gesellschaftlichen Ansehen des Studiengangs, und – im Denken der BefürworterInnen – damit nach dem späteren Verdienst. Das hieße also teures Jura und Medizin, billige Geisteswissenschaften.

Damit würde die soziale Schere noch weiter aufgerissen. So sind Jura und Medizin die Fächer, die am häufigsten von StudentInnen hoher sozialer Herkunft und am seltensten von denen niedriger Herkunft gewählt werden. Mit der puren Hoffnung auf ein gutes Einkommen kann sich keinE StudentIn ihr/sein Studium finanzieren. Studiengebühren sind stark mobilitätshemmend. Bestehende regionale Unterschiede in der sozialen Zusammensetzung der StudentInnen werden noch verstärkt. Konkret hat sich in Italien gezeigt, dass StudienanfängerInnen aus Kostengründen in ihrer Heimatstadt bleiben. Das lässt sich ohne weiteres auf die Bundesrepublik mit ihren ungleichen Lebensverhältnissen in Ost und West übertragen.

Ungeachtet der oben genannten Aspekte könnte man sich auf das Niveau der BefürworterInnen der Gebführen herablassen und über deren Finanzierbarkeit diskutieren. Dabei lässt sich schnell zeigen, dass Studiengebühren nach dem heutigen System der Bildungsfinanzierung selbst für idealisierte „VorzeigestudentInnen“ nicht zu finanzieren sind. Wenn wir die von Dohmen errechneten Lebenshaltungskosten von 784 EUR und hypothetische Studiengebühren i.H.v. 500 EUR pro Semester zugrunde legen, haben wir also eine monatliche Belastung von 867 EUR. Dem setzen wir den BAföG-Höchstsatz von 585 EUR entgegen. Dazu kommt ein monatliches Kindergeld von 155 bzw. 198 EUR. Es entsteht also eine Unterdeckung von 127 bzw. 84 EUR. Auch mit anderen Modellen der Studienfinanzierung kann es solches Problem im Allgemeinen nicht kompensiert werden. Zu den immer wieder von GebührenbefürworterInnen geforderten Stipendien sei auf das ebenfalls vom Ausschuss Sozialpolitik vorgelegte Papier verwiesen, in welchem die soziale Selektivität solcher Modelle thematisiert wird.

In diesem Zusammenhang kann auch das niederländische Modell betrachtet werden, bei dem zwischenzeitlich dieses Argument nicht greifen konnte. So wurden dort allgemeine Studiengebühren und eine staatliche Förderung, aus der diese und die Lebenshaltungskosten bezahlt werden konnten, eingeführt. Inzwischen hat sich allerdings auch dieses System als ein Türöffner gezeigt. Nach der Einführung wurde die Höhe der Gebühren immer weiter erhöht und die der Förderung immer weiter gesenkt. Zusätzlich wird die Förderung teilweise nur als Darlehen oder unter leistungsbezogenen Kriterien gewährt. Damit darf die individuelle Finanzierbarkeit von Studiengebühren nicht allein entscheidend zur Frage ihrer Einführung sein. Allgemeine Studiengebühren sind klar selektiv und vermutlich die abschreckenste Art der Gebühren.

Das jüngste Beispiel dazu stammt aus Österreich. Dort wurden zum WS 01/02 Gebühren von 726 EUR eingeführt. Das ist augenscheinlich wenig im Vergleich zu den angelsächsischen Systemen. Dennoch ging im darauffolgenden Sommersemester die Zahl der Neuimmatrikulationen um 16% zurück, nachdem sie drei Jahre lang um 8% gestiegen war. nachlaufende Studiengebühren In Deutschland wird der Diskriminierung von Kindern aus einkommensschwächeren Familien durch Studiengebühren nicht durch staatliche Transferleistungen entgegen gewirkt. Im Gegenteil: Da die Bildungsfinanzierung durch das BAföG zumindest teilweise auf Darlehensbasis geleistet wird, kommt es zu einer doppelten Verschuldung und damit zu einer verstärkten Diskriminierung von StudentInnen aus bildungsfernen Schichten. Die Erhebung auch nachlaufender Studiengebühren wird außerdem auch direkt eine abschreckende Wirkung auf Studierwillige mit sozial schwächerer und schwacher Herkunft haben und demnach zu weiterer sozialer Selektion führen.

Im Rahmen der 2001 durchgeführten BAföG-Novellierung wurde u.a. eine Höchstverschuldungsgrenze (10.000 Euro) eingeführt, um Verschuldungsängste zu minimieren. Die Einführung nachlaufender Studiengebühren wirkt diesem Ziel diametral entgegen: Statt den potenziellen Schuldenberg möglichst gering zu halten, führen nachlaufende Studiengebühren zu einer verstärkten Belastung finanziell benachteiligter Menschen, wie sich in Australien gezeigt hat. Jedoch soll bei allen bisher in Deutschland diskutierten Modellen die Gebührenschuld nicht wie bei HECS nur mit einem inflationsbedingten Aufschlag zurückgezahlt werden, sondern als vollverzinsliches Bankdarlehnen realisiert werden. Der Zinssatz wird sich mindestens an den Regelungen für den Bildungskredit orientieren (momentan 3,3%) oder sogar höher ausfallen (7% waren in der Diskussion). Das australische Modell ist angeblich sozialverträglich, da die Rückzahlungspflicht erst ab einem gewissen Mindesteinkommen besteht. Dieses ist jedoch so niedrig (20.000 A$ (ca. 11.700 Euro) im Jahr Brutto) angesetzt, so dass im Endeffekt alle Erwerbstätigen zahlen müssen. Aus einem solchen Mindesteinkommen ist es kaum möglich, die hohen Schulden abzubezahlen.

Nach einer (schon älteren) Modellrechnung dauert die Rückzahlung bei einer angenommenen Verschuldung von 20.000 A$ im Durchschnitt für einen Mann 17 Jahre. Dabei ist zu beachten, dass erstens zu diesem Zeitpunkt noch keine Zinsen bestanden und zweitens dieser angenommene Betrag sehr niedrig ist. Erschreckend ist hier die spezielle Diskriminierung von Frauen. Durch das deutlich niedrigere Einkommen brauchen sie 51 Jahre zur Tilgung der Schulden. In der Frage der Verschuldungsbereitschaft Studierwilliger zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den sozialen Schichten. In der Argumentation der GebührenbefürworterInnen stellen Studiengebühren eine Investition in das eigene Humankapital dar. In sozial schwächeren Schichten wird jedoch zu einem weit höheren Anteil konsumiert als investiert.

Dies führt dazu, dass diese kapitalistische Denkweise natürlich nur von denen geteilt wird, die zu Studienbeginn auch über den entsprechenden finanziellen Rückhalt verfügen. Sie haben keine hohe Verschuldung durch das Studium zu befürchten. Bei allen anderen ist die Bereitschaft, zu investieren – was in ihrem Fall heißt, Schulden aufzunehen – deutlich geringer. Damit bewirkt die Nachläufigkeit nicht, dass StudentInnen stärker motiviert werden, ein Studium aufzunehmen als in ein Modell mit Sofortzahlung. Die in den (gebührenpflichtigen) angelsächsischen Ländern deutliche höhere allgemeine Verschuldungsbereitschaft resultiert dagegen aus der Tatsache, dass dort lediglich die Hochschulen berufsqualifizierende Ausbildung liefern können, da das kontinentaleuropäische duale Ausbildungssystem nicht existiert. Darüber ist festzustellen, dass in Australien das Modell der nachlaufenden Studiengebühren nicht konsequent etabliert wurde. So steht das HECS-Programm nicht allen StudentInnen zu, viele von ihnen sind auch so gezwungen die überaus hohen Studiengebühren direkt zu zahlen.

Innerhalb von HECS selbst zeigen sich auch wieder Klassenunterschiede. Als sog. „upfront payer“ hat man die Möglichkeit durch die freiwillige Sofortzahlung der Gebühren deren Höhe um 25% zu verringern. Diejenigen, die es sich leisten können, gehen also nicht nur Verschuldung und Zinsleistungen aus dem Weg, sondern werden in diesem System dreifach bevorteilt. Es hat sich gezeigt, dass Menschen, die upfront bezahlen, bis zu 2/3 der Gebühren gegenüber allen anderen einsparen. Auch ist es in Australien möglich, die gewöhnlichen Zugangsvoraussetzungen (z.B. in Form eines NC) durch freiwillig höhere Gebühren zu unterlaufen. Rückmelde-/Verwaltungsgebühren Rückmelde- oder Verwaltungsgebühren stellen nichts anderes als allgemeine Studiengebühren dar. Sie betreffen ausnahmslos alle StudentInnen.

Im Unterschied zu fast allen bisher vorgestellten Modellen allgemeiner Studiengebühren sind hier Härtefallregelungen überhaupt nicht vorgesehen. Die Bedeutung von Rückmeldegebühren wird oft aufgrund ihrer relativ geringen Höhe (40 Euro pro Semester in Baden-Württemberg) unterschätzt, grundsätzlich funktionieren sie aber genauso wie andere Gebühren, bzw. sind gerade durch fehlende soziale Abfederung eine nichttriviale Belastung für finanziell benachteiligte StudentInnen.

Langzeitgebühren

„Klassische“ Langzeitstudiengebühren
Mit sogenannten Langzeitstudiengebühren soll die Studiendauer auf die Regelstudienzeit begrenzt werden. Dazu gibt es zum einen das „klassische Modell“, wie es Baden-Württemberg beispielsweise bereits 1997 eingeführt hat; zum anderen auch Gutscheinmodelle mit Regelabbuchung wie in NRW und Rheinland-Pfalz. Die Regelstudienzeit ist aber eigentlich kein Maß für die Studiendauer. Sie gibt lediglich den Zeitraum an, für den die “Hochschulen“ garantieren, dass in ihm ein Studium (mit nötigem Lehrangebot und Kapazitäten) möglich ist. Langzeitstudiengebühren haben für die Betroffenen verheerende Auswirkungen, aber in der herrschenden Meinung sind Studierende, die deutlich länger als die Regelstudienzeit studieren, nur eine Randgruppe von „Bummelstudenten“. Somit ist die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Gebührenmodelle oft relativ hoch. Gründe für längeres Studium In der herrschenden Logik soll trotz Langzeitgebühren ein kostenfreies Erststudium möglich sein oder gar erst möglich werden.

Grundsätzlich wird immer von idealisierten „Normstudenten“ (männlich, deutsch, ohne Kinder, gesund) ausgegangen. Wer jedoch nicht normiert ist, bleibt mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit im Sieb der Gebühren hängen. Die Festsetzung eines Zeitraumes für ein gebührenfreies Studium hat sich bisher in keinem Bundesland, dass Langzeitgebühren eingeführt hat, selbst unter Idealbedingungen, als realistisch erwiesen. Bereits die durchschnittlichen Studienzeiten liegen schon weit jenseits der Regelstudienzeit (bspw. Informatik (Diplom) an der Uni Frankfurt/Main: 16,1 Semester). Darüber hinaus ist weiterhin das Ideal kurzer Studienzeiten generell in Frage zu stellen.

LangzeitstudentIn wird mensch nicht erst in erhöhtem Semester, sondern die Tendenz, dass ein Studium länger dauern wird, steht schon zu Beginn des Studiums mehr oder minder durch die soziale Herkunft fest. Die Sozialerhebung zeigt, dass bei UniversitätsstudentInnen im 13. oder höheren Semester die Herkunftsgruppe „hoch“ im Vergleich zur Verteilung unter allen StudentInnen 15% unterrepräsentiert ist, die Gruppen „mittel“ und „niedrig“ jedoch 15% bzw. 25% überrepräsentiert. Angehörige der Gruppe „niedrig“ bestreiten 32% ihres Einkommens aus eigener Erwerbstätigkeit. Der durchschnittliche Aufwand für Erwerbstätigkeit liegt bei 7,4 Stunden pro Woche. So allein hat das noch keine große Aussage. Diese Werte sind Mittelwerte über alle StudentInnen, also auch solche, die gar nicht erwerbstätig sind. Daher ist zu erwarten, dass die Arbeitszeit Einiger weitaus höher ausfällt.

Dabei zu beachten ist auch, dass diese Rechnung sich nur auf die tatsächliche Arbeitszeit und nicht auf den Zeitaufwand für Fahrt zur und von der Arbeit als auch für die Erhohlung von der Erwerbstätigkeit bezieht. Auch gilt, dass die Erwerbstätigkeitsquote während der Vorlesungszeit und der vorlesungsfreien Zeit in etwa gleich sind und damit Erwerbstätigkeit fast immer zum Nachteil der für das Studium zur Verfügung stehenden Zeit ausfällt. Hinzu kommen unzählige andere Faktoren, welche zu Verzögerungen im Studium führen. Dazu gehört auch ein Wechsel des Studienortes oder -ganges. Hier kann es vorkommen, dass einige Studienleistungen nicht oder nur teilweise anerkannt werden. Aber auch mit der vollständigen Anerkennung führen die veränderten Rahmenbedingungen zu Anlaufschwierigkeiten. Nicht zuletzt auch Zeit benötigt, eine Wohnung zu suchen u.Ä. – dadurch können mehere Monate Studium und damit ein ganzes Semester ausfallen. Ähnlich verhält es sich bei StudentInnen, die zwischenzeitlich im Ausland waren. 30% der LangzeitstudentInnen haben einen studienbedingten Auslandsaufenthalt hinter sich.

Offensichtlich ist die Verzögerung des Studiums durch Kinder. Schon während der Schwangerschaft ist ein Studium nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt möglich. Auch danach besteht ein beträchtlicher Geld- und Zeitaufwand für beide Elternteile. Sowohl Betreuung des Kindes als auch der zusätzliche Finanzbedarf müssen sicher gestellt werden und damit wieder mehr Zeit in die Erwerbstätigkeit investiert werden. Gerade fehlende Betreuungsangebote und die Kostenpflichtigkeit selbiger verstärken diese Probleme weiter. Es ist auch zu beobachten, dass selbst heute noch die Hauptlast der Kindererziehung von Frauen getragen wird. Damit belasten Langzeitstudiengebühren Mütter ganz besonders.

Besonders problematisch wird es bei StudentInnen mit Behinderung oder chronischer Krankheit, bei ihnen lässt sich eine Verzögerung im Studium in der Regel gar nicht quantifizieren. Folgen We oben nachgewiesen haben StudentInnen ein längeres Studium nicht selbst zu verantworten. Vielmehr geraten gerade diejenigen in den Strudel der Langzeitstudiengebühren, die schon vor und während ihres bisherigen Studiums benachteiligt wurden. Daraus folgt, dass es auch nicht möglich sein kann, einem zukünftigen Anfallen der Gebühren vorzubauen.

Grundsätzlich gilt, dass die Gebühren gerade dann eintreffen, wenn ohnehin die Finanzierung des weiteren Studiums schwierig wird. So endet die studentische Krankenversicherung mit dem 14. Hochschulsemester, die Förderung nach BAföG bereits mit der Regelstudienzeit. Auch kann es sein, dass Unterhaltszahlungen der Eltern geringer als vorher ausfallen. Das gebührenfreie Studium wird nur denen ermöglicht, die auch die fianziellen Mittel dazu haben. Dagegen bedeutet das für die Betroffenen einen Teufelskreis. Durch die Erhebung der Gebühren haben sie einen erhöhten Finanzbedarf, welcher nur durch vermehrte Erwerbstätigkeit kompensiert werden kann. So steigt die Erwerbstätigenquote bei StudentInnen im 15. oder höheren Hochschulsemester schon ohne Studiengebühren auf 80% und der mittlere Zeitbedarf auf 19 Stunden in der Woche. Mit dem zusätzlichen Aufwand verzögert sich das Studium weiter. Stattdessen sollten StudentInnen in höheren Semestern mindestens genauso gefördert werden wie in früheren Semestern, statt dass ihnen weitere Hürden auf den Weg zum Studienabschluss gelegt werden.

In Hessen sind die Gebühren besonders zerstörend, da sie progressiv aufgebaut sind (500 Euro im 5., 700 Euro im 6. und 900 Euro im 7. Semester nach Ende der Regelstudienzeit). Die Folge vom Eintritt in die Gebührenpflicht ist nicht selten eine Unterbrechung oder gar der Abbruch des Studiums. So finden 46% aller Studienunterbrechungen vor dem Hintergrund finanzieller Probleme und Erwerbstätigkeit statt. Damit wird natürlich der Kern des Problems weiterhin nicht gelöst. Daraus ergibt sich viele StudentInnen der Abbruch des Studiums. Mit der Einführung von Langzeitstudiengebühren im Jahr 2004 gingen die Studierendenzahlen an hessischen Universitäten um 13,8% und in NRW um 16,2% zurück.

Vor allem zeigt sich auch ein Abschreckungseffekt und betrifft nicht etwa nur die als „Karteileichen“ bezeichneten StudentInnen. Denn gleichzeitig nahm die Zahl der StudentInnen im 1. Fachsemester um 14,4% bzw. 11,7% ab. Insgesamt ist die bundesweite StudienanfängerInnenquote zum ersten Mal seit über 10 Jahren wieder gesunken. Härtefälle Die Erfahrungen in Baden-Württemberg haben gezeigt, dass auch mit Härtefallregelungen die soziale Selektion besonders benachteiligter Personen erhalten bleibt. Die bestehenden Regelungen sind nur halbherzig gemeint, werden den individuellen Umständen kaum gerecht und sind zudem weit dehnbar.

Eltern von Kindern bis zum 5. Lebensjahr sind zwar grundsätzlich befreit. Die Studienverzögerung, die schon vor dem Erreichen des 14. Semesters stattgefunden hat, wird jedoch in keiner Weise berücksichtigt. Auch die Erziehung von mehreren Kindern wird nicht mehr ausgeglichen als bei einem. Auch eine finanzielle Notlage kann geltend gemacht werden – jedoch nur im letzten Studiensemester. Ein Gebührenerlass wird in der Regel allerdings verweigert, da der/die StudentIn seine/ihre Notlage selbst durch „überlanges“ Studium verschuldet habe. Der Härtefall wird zu einer Absurdität: Der Staat belangt die Bedürftigen mit einer zusätzlichen Gebühr und macht sie dafür noch selbst verantwortlich. Bei StudentInnen mit Behinderung oder chronischer Krankheit wird ein Erlass nur “einmalig“ bewilligt, und auch nur dann wenn ärztliche Atteste aus der gesamten Studienzeit vorliegen, aus welchen Details der Erkrankung zu entnehmen sind, die auf eine Verzögerung des Studiums hindeuten.

Die Hochschulverwaltungen von der Problematik der Krankheit zu überzeugen, ist datenschutzrechtlich bedenklich und oftmals unmöglich oder zumindest mit hohem Aufwand verbunden, so dass es für die Betroffenen schwierig ist, den Gang durch die Institutionen zu nehmen.

Studienkonten – „verbrauchsbezogene“ Abbuchung
Aus sozialpolitischer Sicht stellen die Studienkonten mit individueller Abbuchung (nach SWS oder ECTS) wie sie beispielsweise für die Zukunft in NRW und Rheinland-Pfalz angedacht sind, von ihrer theoretischen Konzeption eine leicht abgeschwächte Version der herkömmlichen Langzeitstudiengebühren dar. Durch die „verbrauchsbezogene Abbuchung vom Guthaben wird im Unterschied dazu ein Teilzeitstudium möglich. Dies kann zum Vorteil von StudentInnen sein, die im oben genannten Modell benachteiligt werden. Die beispielsweise für die Kindererziehung oder Erwerbstätigkeit benötigte Zeit würde somit nicht mehr auf das Studienguthaben angerechnet.

In der Praxis scheint das jedoch nur schwer verwirklichbar zu sein. So setzt die Unschädlichkeit für das Teilzeitstudium voraus, dass von Anfang an, eine klare Zeitplanung für mindestens ein bis zwei Semester existiert, die dann auch strikt durchgezogen wird. Soetwas kann zu Studienbeginn definitiv nicht möglich sein – selbst nicht in verschulten Studiengängen. Rund 21% aller StudentInnen wechseln ihren Studiengang im Erststudium. Damit verlieren sie auch in diesem Modell mit Leichtigkeit von der ihnen kostenfrei zur Verfügung stehenden Bildung.

Besonders betroffen sind davon StudentInnen der Fachrichtungen Pädagogik, Sozialwissenschaften und der meisten IngenieurInnenwissenschaften. Gerade diese entstammen nach [DSW04] maßgeblich der niedrigen sozialen Herkunftsklasse. Wie oben angesprochen werden auch in diesem Modell StudentInnen mit Behinderung oder chronischer Krankheit massiv benachteiligt, da Auswirkungen der Krankheiten nicht vorhersehbar sind oder aber auch weil der Besuch einzelner Unterrichtsveranstaltungen zwar generell, aber nicht umfassend möglich ist. Kaum möglich wird es sein, weitere Lehrveranstaltungen außerhalb eines minimalen Prüfungsplanes zu besuchen. Zusätzliches – beispielsweise zum Ziele, eine besser Note zu bekommen – muss dann eingespart werden. Insbesondere auf fachfremdes Zusatzwissen („soft skills“) oder eine interdisziplinäre Ausrichtung muss dann verzichtet werden. Bei einer späteren Bewerbung werden die StudentInnen benachteiligt, die sich die Zusatzangebote nicht leisten konnten. Der Blick über den Tellerrand wird jedenfalls nicht möglich sein.

Eine konkrete Ausgestaltung hat der rheinland-pfälzische Wissenschaftsminister Zöllner auf der GEW-Sommerschule 2002 vorgestellt. Dabei stellt sich heraus, dass dieses Modell doch nicht sehr weit von den herkömmlichen Langzeitstudiengebühren entfernt ist. Die (theoretische) Möglichkeit des Teilzeitstudiums wird dadurch zunichte gemacht, dass wieder eine Semestergrenze (Regelstudienzeit +1) für die Gebührenfreiheit festgelegt wird. Dadurch wird dieses Modell sogar noch selektiver, da eine doppelte Beschränkung vorgenommen wird. Das zur Verfügung gestellte Guthaben von maximal 200 SWS ist ebenfalls knapp bemessen.

Dadurch dass dieses Guthaben unabhängig vom gewählten Studiengang und Hochschultyp sein soll, werden wieder bestimmte Gruppen von StudentInnen benachteiligt. Wer auf Master studiert, hat im Verhältnis weniger Guthaben als diejenigen, die nach dem Bachelor aufhören. Das würde verstärkt dazu führen, dass StudentInnen gezwungen werden, ihr Studium nur mit einem Bachelor zu beenden.

sonstige Zweitstudiengebühren

Inzwischen haben schon mehrere Bundesländer Zweitstudiengebühren eingeführt (Bayern, Hessen, NRW, Sachsen). Dort müssen für einen zweiten Abschluss ca. 500 Euro pro Semester gezahlt werden. Im Modell des rheinland-pfälzischen Wissenschaftsminister Zöllner soll aus dem Erststudium noch ein Bildungsguthaben existieren, das für die Weiterbildung verwandt wird. (Das muss hier nicht besonders berücksichtigt werden, da auch unter diesen Voraussetzungen ein kostenfreies Zweistudium nicht möglich ist (siehe oben).)

Zusatzqualifikationen
Je höher eine berufliche Qualifikation ist, desto wichtiger wird auch die zugehörige Weiterbildung. So nehmen AkademikerInnen dreimal so häufig an Weiterbildungsangeboten teil wie sonstige Erwerbstätige. Durch Zweitstudiengebühren wird diese Notwendigkeit zu einem Bonus für BesserverdienerInnen. Vor allem werden Menschen diskriminiert, deren bisherige Qualifikation individuell als unzureichend erachtet wird. So streben der 36% der StudentInnen mit bereits erworbenen FH-Abschluss ein Uni-Diplom und 14% einen Master an. Aufgrund der mangelnden Akzeptanz eines FH-Abschlusses ist diese Motivation verständlich. Für viele von ihnen besteht erst dann die Möglichkeit an einer Universität zu studieren, da nur 60% der StudentInnen an FHen eine allgemeine Hochschulreife erworben haben. Da sich ein solches Zweitstudium unmittelbar an das erste anschliesst, haben die Betroffenen keine andere Möglichkeit, als neben dem Studium zu arbeiten.

Da ein berufsqualifizierender Abschluss vorliegt, besteht kein Anspruch auf BAföG und Unterhalt mehr. 82% der StudentInnen im Zweitstudium geht einer Erwerbstätigkeit nach, 66% permanent. Für viele (langzeit-)arbeitslose AkademikerInnen bietet sich durch ein Zweitstudium die einzige Möglichkeit, den von ihnen erlernten oder einen ähnlichen Beruf zu ergreifen. Für sie ist es mit Studiengebühren besonders schwierig, die nötige Qualifikation zu erreichen. Im Studium erhalten sie keinerlei Förderung, auch nicht durch die Arbeitsagentur.

Im Gegenteil: Mit den Hartz-Gesetzen wird versucht, diese Menschen möglichst schnell in irgendeinem Beruf unterzubringen, unabhängig davon welche Qualifikation sie haben oder mit zusätzlicher Förderung erreichen könnten. Momentan liegt die Arbeitslosenquote bei AkademikerInnen bei ca. 5,5%. Sie machen 7% der Arbeitslosen aus, weitere 6% haben eine berufliche Qualifikation, welchen ein Hochschulstudium ermöglicht. konsekutive Studiengänge An Brisanz gewinnen werden Zweitstudiengebühren mit der Einführung des Bachelor als Standardabschluss. Es mangelt zwar noch an konkreten Aussagen der PolitikerInnen – ein gebührenpflichtiger Master wurde aber noch nirgends ausgeschlossen.

Größtenteils trifft das oben angesprochene auch hier zu: zusätzlich muss allerdings noch beachtet werden, dass so gut wie alle Bachelor-AbsolventInnen an Universitäten und viele an Fachhochschulen das Studium mit einem Master beenden möchten. Eine Erhebung von Gebühren auf den Master kommt dann allgemeinen Studiengebühren ab dem 7. Fachsemester gleich. Da das bisherige Diplom ein Auslaufmodell sein soll, besteht auch keine Möglichkeit, dies zu umgehen. Für die breite Masse, die es sich nicht leisten kann, wird somit der Bachelor zum höchsten Abschluss, welcher heute in Deutschland definitiv nicht berufsqualifizierend ist.

Auswärtigengebühren (Hamburg)

Hamburg erhebt eine zusätzliche Gebühr von 500 Euro pro Semester für StudentInnen, die nicht in der Hansestadt selbst wohnen. Diese Art von Gebühren hat nicht wirklich viel mit dem Studium zu tun – außer eben, dass sie nur StudentInnen betrifft. Dabei sind die Betroffenen offensichtlich Menschen, die es sich schlicht nicht leisten können, in Hamburg zu wohnen.

Hamburg ist nach Frankfurt/Main der zweitteuerste Studienort in Deutschland. Im Schnitt bezahlen StudentInnen dort 305 Euro Miete. Zwar sind Wohnheime deutlich günstiger als dieser Durchschittswert; es stehen jedoch nur für rund 6% aller StudentInnen Plätze (StudentInnenwerk und andere TrägerInnen) zur Vergügung. Betrachtet man Menschen, die gerade knapp außerhalb der Stadt wohnen, so werden sie sich entscheiden müssen, ob sie höhere Mieten und sonstige Lebenshaltungskosten zahlen oder an einem anderen Ort studieren wollen.

Die Wahl des Studienortes und damit teilweise auch des Studienganges wird damit deutlich eingeschränkt. Dabei kann es – bei Beibehalten der alten Wohnsituation – auch zu langen Anfahrtswegen (und damit zu einem geringeren Zeitbudget für das Studium) kommen. SeniorInnenstudiengebühren In fast allen Gutschein-/Guthabenmodellen (Hessen, Niedersachsen, NRW, Rheinland-Pfalz) sind besondere Gebühren (durch die Nichtgewährung des Guthabens) für ältere Menschen mit inbegriffen. Zwar sind sie definitiv sozial selektiv, eben weil Pauschbeträge anfallen, die sic