Solidaritätserklärung mit den protestierenden Studierenden in Duisburg und Essen

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lothar Zechlin,

der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) solidarisiert sich mit den protestierenden Studierenden in Essen und Duisburg. Die durch sie veranlasste Räumung kritisieren wir auf das Schärfste.

Mit der Besetzung haben Studierende ihren Forderungen nach einem gebührenfreien Studium Nachdruck verliehen. Sie wollten sich hiermit einen Freiraum schaffen, um zum einen gegen die aktuelle Bildungspolitik zu protestieren und durch alternative Seminare und Vorlesungen auf die drohende prekäre Situation an den Hochschulen und nicht zuletzt auf die sozialen Auswirkungen für die Studierenden an den Hochschulen durch die Einführung von Studiengebühren aufmerksam zu machen. Die heute Morgen durch sie erfolgte Räumung ist feige und falsch. Wir fordern sie dazu auf, die gestellten Anzeigen gegen Studierende fallen zu lassen und sich bei den Studierenden zu entschuldigen. Es zeugt nicht von demokratischem Verhalten, eine friedliche Besetzung mit Polizeigewalt zu beenden – und sich somit einer politischen Diskussion zu entziehen.

Studiengebühren wirken sozial selektiv. Kindern und Jugendlichen aus finanzschwachen und bildungsfernen Schichten wird der Zugang zur Hochschule damit systematisch verbaut. Dies machen diverse internationale Studien deutlich, jüngst die sog. Eurostudent 2005-Studie des Hochschul-Informations-System (HIS) (www.studis-online.de/Studieren/art-299-eurostudent2005.php). Gerade vor dem Hintergrund, dass schon jetzt rund 60 Prozent der Studierenden einer Nebenerwerbstätigkeit nachgehen MÜSSEN, um sich den Lebensunterhalt und somit auch das Studium zu finanzieren, ist die Einführung von Studiengebühren schlicht und ergreifen unverantwortlich!

In Australien gibt es schon seit einigen Jahren ein nachlaufendes Studiengebührenmodell (HECS). Studien weisen mit einem erschreckenden Szenario eindeutig auch auf geschlechtsspezifische Unverträglichkeit hin: Männer werden ihre Schulden laut Schätzungen 17 Jahre lang zurückzahlen, Frauen hingegen 51 Jahre (siehe ABS Broschüre 2, Seite 11)

Zudem werden die zur Zeit diskutierte Gebührenhöhe von 500 Euro pro Semester nur der Anfang einer weiteren Privatisierung der Hochschulen sein. Niemand wird allen ernstes behaupten können, dass nicht innerhalb kürzester Zeit staatliche Förderungen zurückgefahren werden. Das australische Beispiel zeigt dies überdeutlich. Es wäre außerdem schlicht und ergreifend naiv zu glauben, dass die Gebühren den Hochschulen zugute kommen. Wir haben ein parlamentarisches System, Haushalte sind Verhandlungssache: sobald an anderen Stellen das Geld knapp wird, werden die Mittel im Bildungsbereich gekürzt.

Betrachtet man das bundesdeutsche Bildungssystem genauer, stellt man schnell fest, dass hierzulande Bildung auf teils im Kindergarten beginnender Auslese basiert. Anstatt also im Hochschulbereich eine weitere Hürde zu errichten, fordern wir eine grundlegende Reform des gesamten Bildungssystems mit dem Ziel, die soziale und geschlechtsspezifische Auslese abzubauen. An dieser Stelle wollen wir Sie noch einmal auffordern, dem Willen der Studierenden nachzukommen: Sprechen Sie sich gegen Studiengebühren aus!

Steffi Geyer und Nele Hirsch (Vorstandsmitglieder im fzs)