Über 80% der Stimmen entfielen laut amtlichem Endergebnis auf den belarussischen Präsidentschaftskandidaten Lukaschenko – solch klare Ergebnisse erinnern eher an Ostblock-Zustände denn an freie und gerechte Wahlen. Doch welche sind die genauen Anhaltspunkte für mögliche Wahlmanipulation in der früheren Sowjetrepublik, die vor allem von den USA gerne als „letzte Dikatur in Europa“ bezeichnet wird?
Vergleichsweise gering ist die Zahl der hiesigen Presseberichte, die ihr Urteil auf die Berichte der OSZE stützen. Im Gegensatz zu Einzelstaaten oder der EU handelt es sich bei der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ um eine übergreifende Einrichtung, deren 55 Mitgliedstaaten – darunter neben u.a. Russland, den EU-Staaten und den USA auch Belarus – sich regelmäßig nach dem Konsensprinzip zu sicherheitsbildenden Maßnahmen koordinieren, was eine politisch-militärische, die ökonomisch/ökologische und eine menschliche Dimension einschließt. Für den letzteren Bereich zuständig ist das ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights = Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte), das unter anderem die Einhaltung demokratischer Prinzipien überwacht. Dies geschieht auch durch Wahlbeobachtungen, bei denen im entsprechenden Land zentral koordinierte Delegationen aus möglichst vielen OSZE-Mitgliedsstaaten direkt vor Ort den Ablauf der Wahlen in zwei-Personen-Wahlbeobachtungs-Kleingruppen nach genau festgelegten Kriterien überprüfen.
Wie lautet also das Urteil des für die Präsidentschaftswahlen in Belarus zuständigen Teams? Um es auf den Punkt zu bringen: Vernichtend. Die am 20.03.2006 – dem Montag nach der Wahl – veröffentlichte Pressemitteilung würdigt zwar, dass im Gegensatz zu vorherigen Wahlen ein breitere Auswahl an KandidatInnen angetreten waren, doch die Abschreckungsmaßnahmen der Staatsgewalt hätten u.a. UnterstützerInnen der Oppositionsparteien massiv eingeschüchtert, sowie vor, während und nach den Wahlen demokratische Prinzipien wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit missachtet. Obwohl der Ablauf der Stimmabgabe an sich reibungslos verlaufen sei, habe es grobe Schnitzer bei den Auszählungen gegeben. Acht OSZE-WahlbeobachterInnen sei der Zugang zu den Wahlorten entweder direkt oder durch Verweigerung von Einreisegenehmigungen verwehrt worden. Insgesamt kann man sich dem Urteil der OSZE anschließen: „Die Bevölkerung von Belarus hat Besseres verdient.“
Pressemitteilung der OSZE (englisch)
Vollständiger Bericht des Wahlbeobachtungsteams (englisch)
Einführende Informationen zur OSZE (deutsch)