Offener Brief von fzs und GEW

An das BMBF, BMAS, BMF,
die bildungspolitischen, sozialpolitischen
und finanzploitischer SprecherInnen
der Bundestagsfraktionen

Sehr geehrte Damen und Herren,

entgegen mehrfacher und eindeutiger Empfehlungen zuletzt durch den von der Bundesregierung bestellten Beirat für Ausbildungsförderung (kurz BAföG-Beirat) wurden die Fördersätze nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) seit 2001 nicht mehr angepasst. Wir verweisen darauf, dass die Mittel für Stipendiatenförderung im Haushalt des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung mehr als verdoppelt wurden. Eine ähnliche Entwicklung beim BAföG würden wir sehr begrüßen. Eine Prioritätensetzung hin zu erhöhten Bildungsausgaben für die Mehrzahl der Studierenden scheint dringend geboten, da dies die Chancengleichheit im Bildungssystem erhöht.

Bezogen auf die Entwicklung der allgemeinen Einkommen und der Lebenshaltungskosten haben die Studierenden durch die Nichtanpassung der Bedarfssätze und Freibeträge in den vergangenen Jahren bereits 8 bis 10 Prozent an Einkommen verloren.

Die öffentliche Hand zieht sich immer weiter aus der Studienfinanzierung zurück. Gleichzeitig finden Kinder aus finanzschwachen und nichtakademischen Elternhäusern immer seltener den Weg an die Hochschulen. Lediglich 11 von 100 Kindern niedriger sozialer Herkunft gelangen an die Hochschulen. Demgegenüber stehen 81 von 100 Kindern aus der Herkunftsgruppe „hoch“. Da die Bedarfs- und Fördersätze seit 2001 nicht mehr angepasst wurden, haben immer weniger Studierwillige eine Aussicht auf BaföG-Förderung. Nach der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes (DSW) führt dies dazu, dass 68 Prozent der Studierenden neben dem Studium erwerbstätig sind, 56 Prozent davon, weil sie auf den Zuverdienst unbedingt angewiesen sind.

Das BAföG stand Anfang der 1970er Jahre mit seinem Vollzuschuss für mehr Chancengleichheit beim Hochschulzugang. Dies muss auch heute ein wesentliches Ziel sein. Die Unterzeichner fordern Bundesregierung und Bundestag auf, das BAföG mit einem individuellen Rechtsanspruch auf staatliche Ausbildungsföderung zu erhalten und zu stärken.

Damit das BAföG seinen Anspruch auch weiterhin erfüllen kann, sind Anpassungen überfällig. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf für eine 22. BAföG-Novelle sieht die Bundesregierung erneut von einer Anpassung der Förderbeträge, der Freibeträge sowie der Sozialpauschalen ab. Sie wird damit ihrem im eigenen Koalitionsvertrag gesteckten Ziel, 40 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschulen zu bringen, nicht gerecht und fällt im internationalen Vergleich weiter zurück. Eine Bildungsmobilisierung von Jugendlichen aus einkommensschwächeren Elternhäusern ist aber anzustreben. Ansonsten läuft die Bundesregierung Gefahr, ihrer sozial- wie auch bildungspolitischen Verantwortung nicht gerecht zu werden.

In den vergangenen Jahren stagnierten bzw. sanken die Studierendenzahlen. So stellte das Statistische Bundesamt im November 2006 fest, dass der Anteil der erstmals immatrikulierten jungen Menschen im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent erneut gesunken ist. Obwohl in der Bildungspolitik Konsens darüber besteht, dass wir dringend eine deutliche Steigerung der Akademikerquote brauchen. Durch den Ausbau der Ausbildungsförderung könnte diesem Trend entgegengewirkt werden.

Zweck des BAföG ist es, Studierenden unabhängig von ihrer sozialenHerkunft gleiche Studienmöglichkeiten einzuräumen. Hierzu ist es notwendig, den Anstieg der Lebenshaltungskosten insbesondere durch Mehrwertsteuererhöhung und erhöhten Heizkosten der Studierenden durch eine Anpassung der Fördersätze und Freibeträge auszugleichen. Ebenso ist eine Stärkung des Ausbildungsförderung von Schülerinnen und Schüler erforderlich.

Die Unterzeichner dieses offenen Briefes erwarten als ersten Schritt zur Stärkung des BAföG einen einmaligen Ausgleich des durch Preissteigerungen und mehrfache Nichtanpassung der Bedarfssätze entstandenen Kaufkraftverlustes und eine fortlaufende Anpassung des BAföG. Dies erfordert die Erhöhung der BAföG-Sätze d.h. Bedarfssätze und Freibeträge im Rahmen der 22. BAföG-Novelle um jeweils mindestens 10 Prozent, sowie die Anpassung der Sozialpauschalen in angemessener Form. Die BAföG-Erhöhung sollte noch in diesem Jahr beschlossen und wirksam werden.

In einem zweiten Schritt fordern die Unterzeichner eine weitergehende Anhebung der Bedarfssätze, Freibeträge und Sozialpauschalen, die über das Nachholen der seit 2001 versäumten Anpassungen hinaus eine bedarfsdeckende Ausbildungsförderung gewährleistet. Wir schlagen vor, dass auf Basis einer Auswertung der für Juni 2007 erwarteten 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks die Erfordernis der weitergehenden Anpassungen geprüft wird. fzs und GEW sind bereit, an einer entsprechenden Auswertung konstruktiv mitzuwirken.

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin Bender, Mitglied im fzs-Vorstand

Dr. Andreas Keller, Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der GEW