Die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU Angela Merkel hat die „Bildungsrepublik Deutschland“ aufgerufen. Der Anlass ihrer Proklamation war der 60. Jahrestag der sozialen Marktwirtschaft, der – ausgerechnet – im Wirtschaftsministerium stattfand. Bildung ermögliche Menschen „Einstieg und Aufstieg“ und sei zugleich die Grundlage für ein Leben in Freiheit. Merkel plädierte für die Durchlässigkeit des Bildungssystems: „Geht sie verloren, wenden sich die Menschen von der Marktwirtschaft ab“, so die Kanzlerin und wies auch auf die Wichtigkeit des LehrerInnenberufes hin. Im Sommer plant Merkel eine „Bildungsreise“; im Oktober soll dann ein „Nationaler Bildungsgipfel“ gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder stattfinden.
Die Ministerpräsidenten der Union gehörten denn auch zu den ersten, die die Pläne der CDU-Vorsitzenden unter Beschluss nahmen. Aus Bayern und Baden-Württemberg wetterten die Ministerpräsidenten Beckstein und Oettinger gegen Merkel und verwiesen auf die Kompetenzen der Bundesländer in der Bildungspolitik. „Der Bund muss seine eigenen Aufgaben erst einmal erfüllen – bisher ist ihm dies nämlich nur unzureichend gelungen“, diktierte etwa Günther Beckstein der „Welt“ – und verwies darauf, dass der Bund ja kostenfreie Mittagessen in Schulen finanzieren, sich nicht aber in Bildungsfragen einmischen solle.
Doch nicht nur aus der Union hagelte es Kritik auf Merkels Sonntagsrede. Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Nele Hirsch, rechnete vor, dass jährlich 16 Milliarden Euro im Bildungssystem fehlten. Sie forderte gleiche Chancen für alle jungen Menschen: „In keinem Land der Welt haben arme Kinder im Vergleich zu ihren Mitschülern so schlechte Bildungschancen wie in Deutschland. Wir brauchen ein Bildungssystem, das alle fördert, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft oder ob sie Kinder von Einwanderern sind.“ Um die erforderlichen Ausgaben zu finanzieren, sprach sich Hirsch für die Wiedereinführung der Vermögens- und für eine Börsenumsatzsteuer aus.
Auch führende BildungspolitikerInnen der SPD kritisierten Merkels Vorstoß. Die rheinland-pfälzische Bildungsminister Doris Ahnen warf Merkel etwa vor, bewusst Fragen zur „überkommenen deutschen Schulstruktur wie auch ein Bekenntnis der Union für ein gebührenfreies Hochschulstudium“ ausgeblendet zu haben. Christa Sager, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, kritisierte Merkels Vorstoß als „nicht ernst gemeintes Thema im Vorwahlkampf“. Die Bundeskanzlerin müsse „an Ergebnissen arbeiten und nicht daran, dass sie werbewirksam auf Reisen geht und den Vorwahlkampf eröffnet.“
Der Bildungsgipfel von Bund und Ländern soll im Oktober stattfinden. Spätestens dort wird sich zeigen, welche konkreten Auswirkungen die Proklamation der „Bildungsrepublik“ haben soll – und was in den Bundestagswahlkampf hineingetragen werden wird.