Hochschulpolitischer Newsletter des fzs vom 21. Juli 2008

1. Wirtschaft stellt neues Modell zu Hochschul- und Studienfinanzierung vor

Mehr Hochschulausgaben durch Studiengebühren, eine Verdoppelung der Studiengebühren, ein bisschen mehr Wettbewerb und Kredite zur Studienfinanzierung: Das entspricht zwar nicht der Lesart durch die deutsche Wirtschaft, fasst aber die Mitte letzter Woche veröffentlichten „Eckpunkte“ von Arbeitgeber- und Industrieverband weitgehend zusammen. Das Modell, das vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln entwickelt wurde, sieht im Hinblick auf eine Neuordnung der Hochschulfinanzierung einen Bund-Länder-Pool von 5 Milliarden Euro vor. Aus diesem Pool werden „Studiengutscheine“ in Höhe von 2.500 Euro für jeden Studienplatz an die jeweilige Hochschule ausgegeben. Der Pool soll sich zum größten Teil mit 4,5 Milliarden Euro durch die Länder (anteilig an ihrer Finanz- und Bevölkerungsstärke) finanzieren, die weitere halbe Milliarde soll der Bund für ausländische Studierende beisteuern. Durch dieses neue Instrument sollen speziell die Länder profitieren, die besonders viele Studienplätze anbieten.

Die Länder würden neben den Einnahmen aus diesem Pool ihre Hochschulen mit einem Grundzuschuss finanzieren – 2.000 Euro, die auch derzeit durchschnittlich aus dem Länderfinanzausgleich auf jeden Studienplatz entfallen. Darüber hinaus sollen die Hochschulen für einen Bachelor 1.700 Euro und für einen Master 3.500 Euro Studiengebühren im Jahr verlangen dürfen – wodurch sich die Wirtschaft einen verstärkten Wettbewerb der Hochschulen und Länder untereinander und eine Verbesserung der Lehre erhofft. Eine massive Aufstockung der öffentlichen Hochschulausgaben wäre damit nicht erforderlich, da die zusätzlichen Mittel vor allem durch Studierende in Form von Studiengebühren erbracht würden.

Scharfe Kritik an dem Vorstoß der Wirtschaftsverbände kam von studentischer Seite: „Laut Modell würde ein Gutschein gerade einmal 2.500 Euro pro Jahr und Studierende wert sein – diese Summe reicht trotz weiterer Gelder aus dem Länderfinanzausgleich bei weitem nicht für die Finanzierung von Studienplätzen aus. Damit ist die Subventionierung der Studienplätze durch Studiengebühren strukturell verankert. Dies lehnt der fzs entschieden ab,“ erklärte Bianka Hilfrich, vom fzs-Vorstand. Auch die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, Nele Hirsch, wandte sich gegen die Verwendung von Studiengebühren zur Hochschulfinanzierung.

Kritik vor allem an den Vorstellungen zur Studienfinanzierung

Das Modell der Wirtschaft beinhaltet auch eine Neuregelung der Studienfinanzierung: Demnach sollen alle Studierende unabhängig von ihrem Elternhaus bzw. ihrer sozialen Situation einen Grundbetrag von 120 Euro monatlich erhalten, der durch die Auszahlung von Kindergeld und den Wegfall des Steuerfreibetrages zustande kommt. Einkommensschwache Studierende erhielten nach dem Modell ein erhöhtes BAföG als Vollzuschuss, alle anderen müssten den Rest ihrer Lebenshaltungskosten über Kredite in Höhe von bis zu 600 Euro monatlich finanzieren. Die Grundkonzeption des Modelles ist nicht neu – sie entspricht dem in den 90er Jahren bereits diskutierten Drei-Körbe-Modell, bei dem in einem ersten Korb ein elternunabhängig Grundzuschuss gewährt wird, ein zweiter Korb, der der sozialen Situation von Studierenden entsprechend einen Zuschuss vorsieht und ein dritter Korb, der Kredite für finanziell weniger Bedürftige vorsieht. Allerdings war in dem ursprünglichen Modell nicht von nur 120 Euro Grundzuschuss die Rede.

In diese Richtung argumentierten auch die Skeptiker des neuen Modelles. Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks (DSW), Achim Meyer auf der Heyde, kommentierte das Modell als „kein großer Wurf“ und wies auf die nicht erkennbare Besserstellung von sozial Schwächeren hin. Das Kindergeld und Steuerfreibeträge direkt an die Studierenden auszubezahlen, sei zwar überlegenswert, doch müsse dies innerhalb eines Studienfinanzierungskonzepts geschehen, das auf einer starken staatlichen Säule wie dem BAföG und der Elternfinanzierung aufbaue. „Man kann nicht einfach die bestehenden Sozialleistungen mit ihren klaren Bezugsgruppen neu mischen und en passant den Kreis der BAföG-Geförderten zugunsten von Krediten reduzieren wollen,“ erklärte Meyer auf der Heyde in einer Pressemitteilung.

Auch der fzs kritisierte den Vorstoß. Imke Buß vom fzs-Vorstand erklärte: „Der elternunabhängige Teil der Studienfinanzierung ist mit 120 Euro pro Studierenden deutlich zu gering angesetzt. Wir fordern eine Studienfinanzierung, die für alle Studentinnen und Studenten sowohl elternunabhängig als auch bedarfsdeckend ist. Nur auf diese Weise kann tatsächlich eine Unabhängigkeit der Studierenden vom Geldbeutel ihrer Eltern und familiären Studienzwängen realisiert werden.“

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2. Diskussion um Lehre an Hochschulen entbrannt

Wissenschaftsrat fordert 1,1 Milliarden Euro für bessere Lehre

Mit dem Wissenschaftsrat (WR) hat sich eines der führenden Gremien der bundesweiten Wissenschaftspolitik am 4. Juli dafür ausgesprochen, gemeinsame Anstrengungen für mehr Qualität in der Lehre in Angriff zu nehmen. „Umfassende Qualitätsentwicklung“ und eine „neuartige Lehrkultur“ seien notwendig, um Leistungen in der Lehre in Wissenschaft und Öffentlichkeit genauso zu fördern wie Erfolge in der Forschung. In dem Forderungskatalog „Empfehlungen zu Qualitätsverbesserung von Lehre und Studium“, den die Organisation am Montag vorgelegt hat, ruft der Rat Politik und Hochschulen sowie Lehrende und Studierende zu umfangreichen Maßnahmen auf.

Die Lehrenden werden angehalten, sich wechselseitig bei Lehrveranstaltungen zu besuchen; darüber hinaus soll die didaktische Weiterbildung verstärkt werden. Der Wissenschaftsrat fordert „flächendeckende Angebot von Fortbildung.“ Die Studierenden ruft der Wissenschaftsrat zur „Verantwortung für ihren Studienerfolg“ auf. Negativ betrachtet werden nach Aussage des WR-Vorsitzenden Peter Strohschneider vor allem „überlange Studienzeiten“ sowie „dramatisch hohe Durchfallquoten.“ Die Hochschulen werden vom Wissenschaftsrat aufgefordert, mittelfristig ein umfassendes System der Qualitätssicherung aufzubauen. Darüber hinaus sollen die Betreuungs- und Beratungsangebote ausgebaut und Leistungsanreize für gute Lehre entwickelt werden.

In seiner „moderaten Kalkulation“ kommt der Wissenschaftsrat zu einem jährlichen Mehrbedarf von ca. 1,1 Milliarden Euro, die u.a. zur Verbesserung der Betreuungsrelationen an Hochschulen erforderlich seien. Zu diesem Zweck solle künftig auch die Hälfte alle Professuren mit dem Schwerpunkt Lehre vergeben werden. Gefordert werden der Aufbau und die Finanzierung von Fachzentren für die Hochschullehre, in denen fachspezifische Besonderheiten in der Lehre wissenschaftlich begleitet werden könnten.

Hochschulrektoren wollen „Anreize für wissenschaftliche Weiterbildung“ und Hochschulpakt II

Der Plan stieß bei einzelnen Akteuren auf Zustimmung. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) empfahl ihren Mitgliedern nur wenige Tage später, „Strategien zur wissenschaftlichen Weiterbildung“ zu entwickeln und diese in die Gesamtstrategie der Hochschule einzubetten. Die HRK-Präsidentin, Margret Wintermantel, forderte ein „internes Anreizsystem für Weiterbildungsaktivitäten.“ Auch die anstehenden Verhandlungen zu dem nächsten Hochschulpakt müssten zu verbesserten Betreuungsrelationen führen. Die notwendigen Mittel für einen neuen Hochschulpakt bezifferte die HRK auf 2,6 Milliarden Euro.

fzs bewertet Vorschläge „skeptisch“ – Keine Trennung von Forschung und Lehre

Der fzs akzeptierte den Vorschlag einer Weiterentwicklung der Lehrkompetenzen, wies aber vor allem auf einen notwendigen Mentalitätswechsel, etwa bei Berufungen, hin. Aus Sicht des studentischen Dachverbandes wird die Qualität in der Lehre an den Hochschulen zu gering bewertet. „Leistungen in der Lehre dürfen nicht zweitrangig hinter Forschungsleistungen genannt werden“, erklärte dazu Bianka Hilfrich vom fzs-Vorstand. Die Forderung, neben den bestehenden Professuren Lehrprofessuren zu etablieren, stieß beim fzs auf Ablehnung. Dazu sagte Bianka Hilfrich: „Aus unserer Sicht ist die Trennung von Forschung und Lehre ein Schritt in die falsche Richtung. Nur im Zusammenspiel beider akademischer Disziplinen kann eine innovative Lehre garantiert werden.“

Unter dem Titel „Die Lehre in den Mittelpunkt“ hat unterdessen die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ihre Vorschläge zur Verbesserung der Hochschullehre vorgelegt. Gute Lehre sei ein Job für Profis, weshalb ein beständiger Erwerb von Lehrkompetenzen erforderlich sei. Die GEW spricht sich gegen eine Trennung von Forschung und Lehre aus und damit gegen die Einrichtung von „Lehrprofessuren“. Gleichzeitig müssten für die bestehenden Lehrbeauftragten, die sich häufig nur von einem Auftrag zum nächsten bewegten, feste Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.

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3. Bedenkliche Entwicklung der Studienabbrecherquote bei Bachelor-AbsolventInnen

„Bologna wirkt: Studienabbruch an Hochschulen nimmt ab“ – so betitelte, positiv beflügelt, Bundesbildungsministerin Schavan ihre Pressemitteilung zur kürzlich vorgelegten HIS-Untersuchung zu den Studienabbruch- und Schwundquoten an Hochschulen. Hintergrund dieser optimistischen Einschätzung ist die Tatsache, dass die Abbruchquote unter den StudienanfängerInnen der Jahre 1999-2001 im Durchschnitt tatsächlich um einen Prozentpunkt auf nun 21 Prozent im Vergleich zu den AnfängerInnen der Jahre 1997-1999 gesunken ist.

Dabei kaschiert diese Zahl nur die tatsächliche Entwicklung bei den Studienabbruchszahlen. Denn ein Blick in die Studie macht deutlich, dass gerade Bachelor-Studierende an Universitäten und Fachhochschulen in einzelnen Fachbereichen erheblich häufiger ihr Studium abbrechen als Magister- bzw. vor allem Diplom-Studierende. Darüber hinaus sind besonders an Fachhochschulen die Abbruchsquoten insgesamt um fünf auf nunmehr 22 Prozent gestiegen; an Universitäten hingegen ist ein leichter Rückgang der Quote von 24 auf 20 Prozent festzustellen.

Insbesondere die Abbruchszahlen bei Ingenieurs- und NaturwissenschaftlerInnen bieten Anlass zur Sorge. Insgesamt liegt die Abbruchquote in Bachelor-Studiengängen über alle Fächer- und Hochschularten hinweg bei 30 Prozent und damit deutlich über dem Durchschnitt. An Fachhochschulen brachen im untersuchten Zeitraum 39 Prozent aller Bachelor-Studierenden ihr Studium frühzeitig ab; dahinter stehen vor allem ingenieurs- und wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge. Die HIS-ForscherInnen erklären die dramatischen Einbrüche vor allem mit einer Überfrachtung der Bachelorstudiengänge sowie der sozialen Situation von Fachhochschulstudierenden. Die Verbindung von Bachelor-Studium und notwendiger Erwerbstätigkeit sei vielfach nicht vereinbar.

Auch an den Universitäten ist in Bachelor-Studiengängen die Quote überdurchschnittlich hoch; hier bricht jedeR vierte StudentIn das Studium ab. Während die positiven universitären Entwicklungen insbesondere auf die Bachelor-Studiengänge in den Sozialwissenschaften, den Sprach- und Kulturwissenschaften sowie den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften zurück geführt werden (hier sind die Quoten stark gesunken), zeigen sich in Studienbereichen wie Mathematik, Informatik, Physik oder Chemie Abbruchquoten von über 30 Prozent.

Die AutorInnen der Studie weisen darauf hin, dass die Ergebnisse keinesfalls dazu dienen sollten, den Bologna-Prozess als solchen in Frage zu stellen. Gleichermaßen deutlich machen sie allerdings, dass es in bestimmten Studienbereichen einen „hohen Handlungsbedarf“ gebe. Von „Bologna wirkt“ kann also nicht die Rede sein.

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4. Master-Zulassung darf nicht von der Bachelor-Note abhängen – Neues Rechtsgutachten

In einem Rechtsgutachten für den AStA der Universität Potsdam hat der renommierte Verwaltungsrechtler Wilhelm Achelpöhler (Münster) die Verfassungswidrigkeit von Zulassungsordnungen, die eine bestimmte Bachelor-Abschlussnote als Voraussetzung für die Zulassung zu einem weiterführenden Master-Studiengang vorsehen, bestätigt.

Hintergrund des Gutachtens ist die Regelung an der Universität Potsdam, dass Studierende nur dann zu einem Master-Studiengang in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zugelassen werden können, wenn sie eine Bachelor-Abschlussnote von mindestens 2,6 vorweisen können. Eine solche pauschale Zulassungsbeschränkung sei nur dann verfassungskonform, wenn sie „in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet“ würden. Genau dies – die Berücksichtigung der vorhandenen Kapazitäten – sei bei der Potsdamer Studienordnung jedoch nicht der Fall. Stattdessen wird pauschal die Bachelor-Note herangezogen.

Eine Einschränkung des im Grundgesetz garantierten Rechts auf die Berufswahl und die Ausbildungsstätte (vgl. Art. 12 Grundgesetz) ist nur in Extremfällen möglich, wie das Bundesverfassungsgericht bereits 1972 im berühmten „NC-Urteil“ festlegte. „Folglich stellt schon die Beschränkung des Zugangs zu berufsbezogenen Ausbildungsstätten einen echten Grundrechtseingriff dar“, argumentiert Achelpöhler. Ein solcher Eingriff sei nur durch eine gesetzliche Grundlage möglich – nicht aber durch eine pauschale Begrenzung der Master-Studienplätze im Rahme einer Studienordnung. Eine solche gesetzliche Regelung besteht in Brandenburg derzeit nicht.

Allerdings scheint dies nur eine Frage der Zeit zu sein: Die brandenburgische Landesregierung beabsichtigt eine Änderung des Landeshochschulgesetzes, in der solche Regelungen explizit gestattet werden sollen. Ähnliche Bestimmungen bestehen bereits in mehreren Ländern, so etwa in Niedersachsen. Der Potsdamer AStA-Referent für Hochschulpolitik, Malte Clausen, kritisierte die Pläne der Landesregierung: „Wir appellieren an die Verantwortlichen an der Hochschule und auf Landesebene, die Grundrechte von Studierenden nicht zu untergraben und von diesen Zulassungsbeschränkungen dringend Abstand zu nehmen.“

Das Rechtsgutachten, das in erster Linie die Situation an der Universität Potsdam beleuchtete, dürfte in seiner Aussagekraft für weitere Hochschulen zutreffen. Denn eine pauschale Einschränkung des Grundrechts auf freie Berufswahl und freie Wahl der Ausbildungsstätte ohne gesetzliche Grundlage ist unzulässig.

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5. NRW-Innovator Pinkwart fährt erneute Schlappe für sein Stipendien-Modell ein

Der nordrhein-westfälische „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) hat bei der vergangenen Sitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK), in der die Wissenschafts- und FinanzministerInnen von Bund und Ländern Grundlagen der Wissenschaftspolitik besprechen, einen Korb für sein Modell eines bundesweiten Stipendiensystems erhalten. Pinkwart hatte vorgeschlagen, einen gemeinsamen Stipendienfonds einzurichten, der je zur Hälfte von der Wirtschaft sowie von Bund und Ländern finanziert werden und 300 Euro pro Monat an „begabte Studierende“ auszahlen sollte. Pinkwarts Ziel war eine stufenweise Erhöhung der StipendienempfängerInnen von derzeit knapp zwei auf 10 Prozent aller Studierenden im Jahr 2012. Diese Stipendien sollten dabei unabhängig von der sozialen Situation der Studierenden vergeben werden.

Die GWK konnte sich bei ihrer Sitzung am 16. Juli erneut nicht auf ein solches Modell einigen. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe unter Pinkwarts Führung eingerichtet, bei der unter anderem auch die bisherige Stipendienstruktur sowie das BAföG einbezogen werden sollen. Bis wann Ergebnisse vorgelegt werden sollten, wurde nicht bekannt. Auch wenn nun eine solche Arbeitsgruppe besteht – das mangelnde Interesse an Pinkwarts Idee ist unübersehbar. Nicht zuletzt Bundesbildungsministerin Schavan, ansonsten eine große Anhängerin von Stipendien, wandte sich gegen die Initiative. Sie erteilte den ständigen Forderungen der Länder nach mehr Bundesmittel eine Abfuhr.

Die SPD-MinisterInnen warfen Pinkwart vor, nach einer Kompensation für Studiengebühren zu suchen. Die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange erklärte: „Wir halten nicht den Schirm für den Studiengebühren-Regen der anderen Länder.“ Sie forderte, mehr Mittel direkt in die Hochschulen zu investieren, um dort eine Verbesserung der Betreuung von Studierenden zu erreichen.

Der Koordinator des Landes-ASten-Treffens (LAT) NRW, Patrick Schnepper, wandte sich entschieden gegen das Pinkwartsche Modell: „Das ist nichts anderes als Elitenförderung pur. Zahlreiche Studien belegen, dass Stipendien eindeutig eine Umverteilung von unten nach oben darstellen.““ Auch das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) beim fzs wandte sich gegen die Pläne: „Stipendien in Verbindung mit Studiengebühren sind nichts anderes als doppelte Selektion. Diejenigen Studierenden, die sich Studiengebühren leisten können, werden durch die Hintertür von diesen befreit. Die große Masse aber muss sich weiterhin immens verschulden““, erklärte André Schnepper vom ABS.

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6. Hochschulrektorenkonferenz weiter gegen breite Öffnung der Hochschulen

In der Diskussion um eine stärkere Öffnung der Hochschulen für AbsolventInnen der beruflichen Bildung hat sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) erneut gegen eine umfassende Reform ausgesprochen. Zwar versuche man „mehr Studierende mit einschlägiger Berufserfahrung zu gewinnen“, erklärte der Senat der HRK, doch eine „automatische Anerkennung von beruflichen Abschlüssen als Berechtigung zum Hochschulzugang“ müsse verhindert werden. Die HochschulrektorInnen argumentierten wie bereits in der Vergangenheit damit, dass „ein Scheitern der Studierenden“ verhindert werden müsse, weil ja solchen Studieninteressierten notwendige Grundkenntnisse fehlten. Solche Grundkenntnisse könnten allenfalls in Vorkursen erlernt werden. Die HRK will sich nach eigener Aussage nun in die Diskussionen zum Hochschulzugang auf Landesebene einbringen.

Die RektorInnen stehen bei der Frage nach einer Öffnung der Hochschulen unter einem gewissen Druck. Während diese Forderung von PolitikerInnen immer wieder artikuliert wird, wie zuletzt vom SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, Arbeitsminister Olaf Scholz oder auch der Linken-Politikerin Nele Hirsch, sperren sich die Hochschulleitungen gegen entsprechende Bestrebungen. Dabei verweisen sie immer wieder auf angeblich nicht vorhandene Grundkenntnisse.

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7. Baden-Württemberg will „Duale Hochschule“ einführen

Die baden-württembergische Landesregierung plant die Umwandlung der bisherigen acht Berufsakademien des Landes in eine gemeinsame „Duale Hochschule“. Die äußerst praxisnahen Berufsakademien in Baden-Württemberg stellen eine Sonderform der tertiären Ausbildung dar und bestehen seit den Siebziger Jahren nur im Südwesten. Dabei arbeiten die Studierenden zur Hälfte in einem Betrieb, mit dem ein Ausbildungsvertrag geschlossen wird; zur anderen Hälfte findet darüber hinaus ein theoretisches Fachstudium in der Berufsakademie statt. AbsolventInnen führen in der Regel den Titel „Diplom (FH)“ bzw. den staatlichen Titel „Bachelor“.

In der neuen „Dualen Hochschule“ soll das Prinzip der Praxisnähe durch eine parallele Ausbildung in einem Betrieb aufrecht erhalten werden; allerdings soll durch eine strukturelle Aufwertung der Einrichtungen zur Hochschule künftig ein akademischer Abschluss erzielt werden. Dadurch verspricht sich die Landesregierung eine verbesserte Akzeptanz der Abschlüsse auf nationaler und vor allem internationaler Ebene.

Strukturell sollen die bestehenden Berufsakademien zu einer einzigen Hochschule mit Sitz in Stuttgart zusammengelegt werden. Dazu wurde Anfang Juli ein „Gesetz zur Errichtung der Dualen Hochschule“ vorgelegt, das sich derzeit in der Anhörungsphase befindet. Die Berufsakademien begrüßen grundsätzlich den Schritt zu einer Akademisierung und auch die geplante Anhebung der ProfessorInnengehälter auf das Niveau von FH-ProfessorInnen. Allerdings wurde deutliche Kritik an einer befürchteten Zentralisierung laut – denn künftig könnten regionale Besonderheiten nicht mehr hinreichend flexibel zwischen Akademie und Betrieb geklärt werden.

Die hochschulpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Theresia Bauer, plädierte für eine Erleichterung des Zugangs zur Dualen Hochschule. Die Hochschule müsse sich für alle BewerberInnen mit Fachhochschulreife öffnen. Dies ist derzeit nur in Einzelfällen möglich; meist wird eine fachgebundene Hochschulreife oder auch das Abitur als Zugangsvoraussetzung verlangt.

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8. Klage gegen Studiengebühren beim Bundesverfassungsgericht eingereicht

Am 11. Juni dieses Jahres hatte der hessische Staatsgerichtshof mit einer denkbar knappen Mehrheit von sechs zu fünf Stimmen die hessischen Studiengebühren als verfassungskonform abgesegnet. Gegen dieses „politische Urteil“ haben nun Studierende Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Kläger argumentieren, dass auch der Hessische Staatsgerichtshof an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden und daher verpflichtet sei, die hessische Verfassung „im Lichte des Grundgesetzes“ und der für ihn verbindlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auszulegen. Dies sei im konkreten Fall nicht geschehen – und darin stimmten zahlreiche Beobachter und Medienvertreter in ihrer Kommentierung des Urteils ein.

Geklagt haben zwei studentische Vertrauensleute, denen sich auch eine studierende Mutter aus Marburg sowie eine weitere Studentin als Repräsentantin der hessischen Landes-Asten-Konferenz anschlossen. Unterstützt werden alle vier KlägerInnen vom bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) und dem hessischen DGB. Zur Motivation der KlägerInnen erklärte Mike Josef, selbst Kläger und Student an der Universität Frankfurt: „Studiengebühren verstoßen aus unserer Sicht weiterhin gegen die hessische Landesverfassung. Daran ändert auch das politisch motivierte Urteil des hessischen Staatsgerichtshofes nichts. Wortlaut und Sinn der hessischen Verfassung wurden von der richterlichen Mehrheit eindeutig mit Füßen getreten. Die Entscheidung verkennt vor allen Dingen die finanziellen Belastungen, die Studierenden durch Studiengebühren während oder nach ihrem Studium entstehen. Insbesondere die Situation von Studierenden mit Kind und die Folgen für die Gleichstellung von Frauen und Männern werden nicht annähernd berücksichtigt.“

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9. Verdeckte „Studiengebühren“ in Greifswald?

Vom Wintersemester 2005/06 bis einschließlich Sommersemester 2008 erhob die Universität Greifswald von ihren Studierenden eine Rückmeldegebühr – gesetzeswidrig, wie das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern am 19. März 2008 feststellte. Anstatt nun aber den Studierenden das Geld vorbehaltlos zurück zu zahlen, verweist die Universitätsleitung auf den erheblichen Investitionsbedarf an der Hochschule – und bittet jetzt ihre Studierenden , auf ihre unrechtmäßig eingezogenen Gelder zu verzichten und sie der Hochschule zu überlassen. In einer Pressemitteilung vom 17. Juli heißt es: „Das Geld könnte unter anderem für den Kauf von Büchern und Zeitschriften oder für eine bessere Ausstattung von Hörsälen, Seminarräumen und Labors ausgegeben werden. Auch der Hochschulsport braucht Geld, um seine Angebote zu verbessern.“

Die Hochschulleitung schreibt weiter: „Ein kleiner persönlicher Verzicht könnte so in einen großen Gewinn für alle Studierenden verwandelt werden. Wer verzichtet, kann entscheiden, wo seine Rückmeldegebühren investiert werden sollen.“ Wir meinen: Eine Hochschulleitung, die ein klein wenig die rechtlichen Grundlage beachtet hätte, hätte ihren Studierenden von vorneherein einen großen Gefallen getan. Jetzt auch noch das Geld der Studierenden behalten zu wollen ist zynisch.

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