Newsletter Frauen- und Geschlechterpolitik Juli 2008

1.1 Frauen und Olympia

Die Teilnahme von Frauen an den Olympischen Spielen war zu Beginn der Olympischen Bewegung vor ca. 3000 Jahren und auch bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit, die 1896 wieder in Athen stattfanden, nicht vorgesehen. Daher hat der französische Baron Pierre de Coubertin, Gründer des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), zu diesen Wettkämpfen keine Frauen zugelassen: „Olympische Spiele sind ein Ausbund männlicher Athletik, und der Beifall der Frauen sind deren Lohn.“

Wie bereits im Bildungsbereich so auch im Sport versuchten Männer die Teilhabe von Frauen zu verhindern. Abenteuerliche Theorien wurden verbreitet, bspw. dass sportliche Betätigung und die damit verbundene Erschütterung die weiblichen Fortpflanzungsorgane funktionsunfähig mache und dass der sportliche Wettkampf der Frau wesensfremd sei.

All diesen Theorien zum Trotz ließen sich Frauen nicht länger aus dem Sport verdrängen. 1900 nahmen die ersten 22 Frauen (2 Prozent) an den Olympischen Spielen in Paris, überwiegend in Tennis und Golf, teil. Nach und nach eroberten Frauen mehr Disziplinen, so dass heute in alle olympischen Disziplinen, mit Ausnahme von Boxen, Frauen vertreten sind. Die Zahl der Olympiasportlerinnen liegt in diesem Jahr bei 44 Prozent und 2012 in London könnte erstmals die Marke von 50 Prozent überschritten werden.

Auf Leitungsebene im IOC sitzt derzeit allerdings nur eine Frau unter 14 Männer. Das gesteckte Ziel von mindestens 20 Prozent Frauen, welches sich das Olympische Komitee vor mehr als 10 Jahren gesetzt hat, ist damit noch lange nicht erreicht. Und auch der Satzungspunkt „Jede Diskriminierung aufgrund der Rasse, Religion, Politik oder des Geschlechts ist unvereinbar mit der Zugehörigkeit zur Olympischen Bewegung“, wird ebenfalls nicht allzu ernst genommen. Nach wie vor treten Länder wie Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Brunei ohne Frauen an. Auch hier gibt es Veränderungen, 1992 reisten noch 35 Mannschaften ohne Frauen an, 2004 in Athen waren es immerhin noch 4 Länder die ohne Frauen anreisten. Eigentlich ist das ein klarer Verstoß gegen die Satzung des IOC, aber das Exekutivkomitee hat sich noch nie dazu durchgerungen, eines dieser Länder von der Teilnahme an Olympia auszuschließen.

Dagegen protestierten in Paris auch diesmal wieder das „Comité Atlanta+“. „Anlässlich der Tibet-Proteste haben Sie erklärt, dass die Spiele nicht der Ort sind, um politische oder religiöse Überzeugungen zu demonstrieren“, schrieben die Aktivistinnen an IOC-Präsident Jacques Rogge. „Wie rechtfertigen Sie es dann, dass iranische Athletinnen im Herzen des Olympiastadions einen islamischen Tschador tragen – ein klares Zeichen politischer und religiöser Propaganda?“ Bisher blieb der IOC-Präsident die Antwort schuldig.

Der Iran gewährte seinen Frauen in der Vergangenheit nur die Teilnahme am Schießen – einem Sport, der sich auch im Tschador ausüben lässt. Zudem hat der Iran im vergangenen Winter die Bedingungen für die Teilnahme von Frauen an internationalen Sportveranstaltungen verschärft, iranische Sportlerinnen dürfen nicht in Wettbewerben antreten, in denen sie von einem Mann, etwa einem Schiedsrichter, berührt werden könnten oder von einem Mann trainiert werden.

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1.2 Beratungsstelle warnt vor „Alpha-Mädchen-Mythos“

Im Dezember 2007 schrieb die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit in NRW e.V. an die Redaktion von Bravo Girl und übte Kritik an deren frauenfeindlicher Witzseite. Der Witz, der im Kreuzfeuer der Kritik steht, stellt einen Mann dar, der einer Frau beim Sex eine Gasmaske aufsetzt, weil sie „damit besser aussieht und so schön zappelt, wenn ihr die Luft ausgeht“. Auf die zahlreichen Proteste gegen diese Veröffentlichung auf der Witzseite „Darüber lachen Jungs“ hatte die „Bravo Girl“-Redaktion geantwortet, dass die heutige Generation von Mädchen und jungen Frauen „emanzipiert und lebensfroh genug“ sei, auch über Witze mit erotischem Inhalt zu lachen.

Verschiedene Personen und Organisationen hatten daraufhin Beschwerde beim Presserat eingelegt. Der Presserat wies diese Beschwerden gegen die Bravo-Witzseite mit der Begründung zurück, dass „gerade die jüngere Generation von Frauen und Mädchen in ihrer Haltung den Geschlechterrollen gegenüber sehr viel emanzipierter und souveräner als noch die Geschlechter davor“ sei. Einige Ausschussmitglieder sahen in den veröffentlichen Witzen zwar durchaus eine Tendenz zur Diskriminierung von Frauen. Die Auffassung, die Witze verharmlosten sexuelle Gewalt, teilte der Ausschuss aber nicht.

Aus Anlass der Zurückweisung der Beschwerde wegen sexistischen und gewalttätigen Inhaltes der Bravo-Girl warnt die Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit in NRW davor, das wachsende Selbstvertrauen von Mädchen und Frauen zu missbrauchen. Es dürfe nicht dazu führen, dass Gewalt gegen Mädchen und Frauen ignoriert oder verharmlost wird. Unter dem Deckmantel der Emanzipation würden junge Frauen in das Bild des „Alpha-Mädchens“ gedrängt: immer gut drauf, stark und selbstbewusst. Reale Erfahrungen wie Gewalt kämen in den Bildern nicht vor. Oft zögen misshandelte Mädchen daraus den Schluss, selbst schuld zu sein.

Die Frauenberatungsstelle Düsseldorf kündigte an, auch weiterhin bei derart „skandalösen Medienprodukten“ zu protestieren und wenn nötig erneut Beschwerde beim Presserat einzureichen. „Wenn solch wichtige demokratische Institutionen wie der Presserat häufiger als bisher damit konfrontiert werden, dass Frauen diese Art Darstellungen ablehnen, werden sie sich in höherem Maße als bisher eindeutig und einstimmig zu einer zeitgemäßen Position durchringen“, sagte Etta Hallenga, Mitarbeiterin bei der Frauenberatungsstelle.

Quellen:

  • Newsletter ZWD Frauen & Politik vom 18.07.2008: „Beratungsstelle warnt vor ‚Alpha-Mädchen-Mythos‘

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1.3 Entgeltgleichheit – ein langwieriger Prozess

In den letzten fünf Jahren hat sich die Lohnschere zwischen Frauen und Männer lediglich um ein Prozent von 23 auf 22 Prozent verringert. Das liegt weder allein am hohen Anteil von weiblichen Beschäftigten im Niedriglohnbereich noch an den vielfach zitierten typischen Frauenbranchen. Immer noch gibt sehr viel offene und noch mehr verdeckte Diskriminierung, die zu beseitigen sei, so Ingrid Sehrbrock, stellvertretende Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf der Konferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Um der immer noch bestehenden ungleichen Entlohnung wirksam zu begegnen, schlagen die Gewerkschaften ein Bündel an praktischen Maßnahmen vor. An erster Stelle steht ein Leitfaden – vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen – zu gesetzlichen Pflichten und nationalen Rahmenvereinbarungen. Auch müssten aussagekräftige Statistiken differenziert nach Branchen zur Verfügung stehen, damit die komplexen Ursachen für Lohndifferenzen von den Sozialverbänden analysiert werden können. Darüber hinaus solle sichergestellt werden, dass Vergütungssysteme, einschließlich Arbeitsbeurteilungssysteme, transparent und geschlechtsneutral sind.

Quellen

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1.4 Gender-Bericht „Frauen und Männer am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt in Hessen“

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) stellt den Gender-Bericht 2007 vor. Und kommt zu folgenden Erkenntnissen:

  • Die insgesamt schlechtere Entlohnungssituation der Frauen spiegelt sich auch in dem niedrigeren Leistungsbezug beim Arbeitslosengeld I wider (ALG 1: 946 €/Monat bei Männern, 648 €/Monat bei Frauen).
  • Die Teilnahme von Frauen und Männer in Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik sind recht ausgeglichen, mehr als 8 Prozent der arbeitsuchenden Frauen und 11 Prozent der arbeitsuchenden Männer werden durch entsprechende Maßnahmen gefördert.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Förderungsarten. Männer profitieren mehrheitlich (61,5 Prozent) von der Förderung einer Selbstständigkeit und stellen die Mehrzahl der abhängig Beschäftigten, die von Eingliederungszuschüssen profitieren (64 Prozent). Frauen nehmen hingegen besonders häufig an Qualifizierungsmaßnahmen teil.
  • Je höher die Führungsebene, desto geringer der Frauenanteil. Indessen ist die Situation von Frauen in Kleinst- und Kleinbetrieben erfreulicher als in größeren Betrieben; sie stellten dort einen höheren Anteil auf den oberen Führungsebenen.

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1.5 Professorinnen weiter deutlich unterrepräsentiert

Der Anteil von Professorinnen hat sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Im Vergleich zu 1997 ist er von neun Prozent auf etwa 16 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am 7. Juli mitteilte. Insgesamt lehrten und forschten Ende 2007 an deutschen Hochschulen 37.000 ProfessorInnen, darunter nur 6.100 Frauen.

Während in der Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften sowie der Fächergruppe Kunstwissenschaften (je 28%) etwa jeder vierte Lehrstuhl mit einer Frau besetzt war, lag der Anteil der Professorinnen in allen anderen Fächergruppen unter der 20 Prozent-Marke. Am deutlichsten unterrepräsentiert waren Professorinnen in den Fächergruppen Ingenieurwissenschaften (8%) sowie Mathematik und Naturwissenschaften (11%), wobei auch in diesen Fächergruppen ihr Anteil im Vergleich zum Vorjahr um einen halben beziehungsweise einen Prozentpunkt gestiegen ist.

Leitbild der DFG-Gleichstellungsstandards ist das Kaskadenmodell: Jede Einrichtung setzt sich eigene Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils auf einer bestimmten Qualifikationsstufe. Zudem sollen der Wiedereinstieg von jungen Frauen nach der Familienphase mit Stipendien gefördert und die Kinderbetreuungsangebote verbessert werden. Die Umsetzung der Gleichstellungsstandards folgt dem Prinzip der Freiwilligkeit und der Selbstverpflichtung.

Quellen

  • www.destatis.de/publikationen [destatis.de]

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1.6 Studie: Traditionelle Rollenverteilung gilt auch für AkademikerInnen

Auch bei HochschulabsolventInnen dominieren traditionelle Muster der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Mit geringfügigen Abweichungen zeigte sich das gleiche Muster in allen Fachrichtungen, teilte das Forschungsinstitut Hochschul-Informations-System (HIS) mit. Dieses Fazit zog es aus seiner Studie „Der Absolventenjahrgang 2000/2001 fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss“.

Erst etwa 30 Prozent der AbsolventInnen und Absolventen hatten zum Befragungszeitpunkt Kinder. Deutlich erkennbar ist, dass es fast ausnahmslos die Frauen sind, die wegen der Kinderbetreuung beruflich aussetzen. Männer gaben fast nie eine Familientätigkeit an, nur wenige Ausnahmen gab es bei den Magisterabsolventen.

94 Prozent der Absolventen und 79 Prozent der Absolventinnen des Jahrgangs 2001 gingen zu Beginn des Jahres 2007 einer Erwerbstätigkeit nach. Erwerbslose Männer führten vor allem Gründe an, die auf Arbeitsmarktengpässe verweisen, ebenso wie bei kinderlose Absolventinnen. Von den Absolventinnen gaben 78 Prozent Kindererziehung als Grund für ihre Erwerbslosigkeit an. Diese Tendenz ist in den letzten fünf Jahren sogar um fünf Prozentpunkte gestiegen. Bei den Männern wird Kindererziehung angefangen mit dem Jahrgang 1993 von nur 14 bis 15 Prozent als Alternative zur Berufstätigkeit angeführt.

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1.7 Unterhaltsrecht – Mehr Schutz für Mütter

Am 17. Juli veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht sein mit Spannung erwartetes Grundsatzurteil zum neuen Unterhaltsrecht. Daraus geht hervor, dass Alleinerziehenden nicht generell ab dem dritten Lebensjahr des Kindes eine ganztägige Berufstätigkeit zugemutet werden kann. Außerdem müssen Alleinerziehende mit kleineren Kindern nicht ganztags arbeiten, weil das zusammen mit den Erziehungsaufgaben zu einer übermäßigen Belastung führen könne. Selbst wenn ein Kind im Kindergarten ganztags betreut werde, führe dies „nicht notwendig“ dazu, dass die Mutter die Pflicht habe, eine Vollzeitbeschäftigung aufzunehmen. Vielmehr können solche Mütter und Väter nach einer Trennung dann länger Unterhalt von ihrem Ex-Partner/ihrer Ex-Partnerin verlangen, wenn eine längere eheähnliche Gemeinschaft und ein gemeinsamer Kinderwunsch bestanden habe. Der BGH überließ es aber den Instanzgerichten, eine nach dem Alter der Kinder abgestufte Arbeitspflicht zu bestimmen.

Das Urteil ist für zahlreiche alleinerziehende Mütter – und in selteneren Fällen auch für betreuende Väter kleiner Kinder – bedeutsam. Sie mussten sonst in der Regel nach den drei Jahren Betreuungsunterhalt Vollzeit arbeiten, um den Lebensunterhalt sicherzustellen.

Die seit Januar geltende Neuregelung zum Betreuungsunterhalt war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erlassen worden, das die Gleichstellung geschiedener und nicht verheirateter Mütter verlangt hatte. Seitdem bekommen Mütter nach einer Trennung für drei Jahre Betreuungsunterhalt – unabhängig davon, ob sie verheiratet waren oder nicht. Unklar war bislang aber, in welchen Fällen eine Verlängerung möglich ist.

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2. Homo-, Bi- und Transsexualität

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2.1 Kleine Anfrage zu antihomosexuellen Seminaren und pseudowissenschaftlichen Therapieangeboten religiöser Fundamentalisten

Bereits im Februar stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen kleine Anfrage zu antihomosexuellen Seminaren und pseudowissenschaftlichen Therapieangebote regligiöser Fundamentalisten. Auslöser war die Übernahme der Schirmherrschaft für das Christival durch Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche Ursula von der Leyen und das Bekanntwerden von einer Veranstaltung zur Heilung von Homosexualität. Mit einer Kleinen Anfrage im Bundestag fordern Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung auf, Position zu beziehen und über gefährliche Psychokurse der „Homoheiler“ aufzuklären.

Die Antworten zeugen nicht gerade von überragenden Engagement der Bundesregierung in diesem Bereich und werfen teilweise mehr Fragen auf als sie beantworten. Sie zeigen aber immerhin die Bereiche auf, in denen etwas getan wird, wie bspw. in Publikationen der Bundesregierung zum Thema Homosexualität und in der Unterstützung des Jugendnetzwerk Lambda – der schwul-lesbische Jugendverband in Deutschland.

Quellen

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2.2 Wissenschaft und Homosexualität

Homosexuelle WissenschaftlterInnen haben es in vielen Fächern immer noch schwer. Der Karriere zuliebe schweigen daher viele schwule und lesbische WissenschaftlerInnen lieber über ihre sexuelle Identität. Und auch die Forschung zur Homosexualität wird heute weder als Pionierarbeit, noch als wichtige wissenschaftliche Leistung gewürdigt. Insbesondere wer sich als Homosexueller mit homosexuellen Themen beschäftigt, landet automatisch in der Ecke ‚Betroffenheitsforschung‘ und wird nicht richtig ernst genommen. Dabei gäbe es viele offene und interessante Fragen, wie bspw. die gesellschaftlichen Folgen der Homo-Ehe, die interessante Forschungsgebiete darstellen würden, zu erforschen.

Diesen Bereich untersucht Prof. Dr. Hans-Joachim Mengel seit rund eineinhalb Jahren am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin . An seinem Centre for the Study of Discrimination based on Sexual Orientation (CSDSO) erforscht er Ursachen und Wirkungen der Diskriminierung Homosexueller. Ein ehrgeiziger Plan, den er mit Hilfe seiner Doktoranden und etlicher, sich ehrenamtlich engagierender StudentInnen verwirklichen will.

Die angebotenen Seminare sind gut besucht, Kontakte ins Ausland geknüpft. Tatsächlich verkündete die FU stolz auf ihrer Homepage, dass das CSDSO und das Engagement des Kollegen Mengel deutschlandweit einzigartig seien. Allerdings hat die FU ihrer moralischen Unterstützung bislang keine finanzielle folgen lassen. Laut Mengel erhält das Zentrum außer einem kleinen Raum in einer unieigenen Villa keine Zuwendungen. „Zur offiziellen Eröffnung ist leider kein Mitglied der Universitätsleitung erschienen“, bedauert Mengel. Dabei, so der Politologe und Rechtswissenschaftler, „ist die Diskriminierung ein Problem, das eine ganze Gesellschaft prägt, und nicht nur ein unbedeutendes Randthema“.

Manche homosexuelle WissenschaftlerInnen haben auch die Erfahrung gemacht, dass ein Forschungsantrag an die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), in dem zu oft die Wörter homosexuell, schwul oder lesbisch vorkommen, kaum Chancen auf Bewilligung hat. Strebt man eine wissenschaftliche Karriere an, so kommt man nicht an von heterosexuellen Männern dominierten Netzwerken vorbei. Um dort aufgenommen zu werden, ist es notwendig sich einen zweiten Forschungsschwerpunkt zu suchen. Einige ForscherInnen haben sich aus diesen Gründen auch konsequent von schwul-lesbischen Themen abgewendet.

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3.3 Homosexualität in der Türkei

Auf Grundlage von fast hundert Interviews mit Betroffenen, die 2003 und 2007 befragt wurden, zeichnet die amerikanische Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem Bericht ein differenziertes Bild der Situation von Schwulen, Lesben, Transvestiten und Transsexuellen in der Türkei, das überwiegend düster ist.

Homosexualität ist und war in der Türkischen Republik nie verboten. Bereits im Osmanischen Reich wurde gleichgeschlechtliche Liebe nicht strafrechtlich verfolgt. Theoretisch gilt per Verfassung das Verbot der Diskriminierung. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Schwule Männer, lesbische Frauen, Transvestiten und Transsexuelle sehen sich vielfältiger Diskriminierung und sozialer Ächtung ausgesetzt. 37 Prozent aller befragten Schwulen und Lesben berichteten von physischer Gewalt gegen sie, bei Transvestiten und Transsexuellen sind es sogar 89 Prozent. Das führt in der Regel dazu, dass Homosexuelle ihre sexuelle Präferenz geheim halten und gegenüber ihrer Familie und ihrem Arbeitgeber ein Doppelleben führen. Schon deshalb werden sie zu leichten Opfern von Erpressungen und zum Ziel von Kriminellen, die sich sicher fühlen, weil ihre Opfer sie nicht anzeigen. Dazu kommen ideologisch motivierte Angriffe von islamischen Fundamentalisten und rechtsradikalen Neofaschisten. Vor allem schwule Männer berichten gegenüber Human Rights Watch, dass organisierte Banden die von Homosexuellen bevorzugten Treffpunkte regelrecht überwachen, um dann Schwule zu terrorisieren und auszurauben.

Anders als bei homosexuellen Männern beginnt das Drama für lesbische Frauen und Mädchen in aller Regel bereits in der Familie. Wenn Mädchen sich wegen ihrer gleichgeschlechtlichen Neigung weigern zu heiraten, werden sie zumeist von ihren Familien massiv unter Druck gesetzt. Das muss nicht nur psychischer Druck sein, sondern geht bis zu Tötungsdelikten, um, wie bei den sogenannten Ehrenmorden auch, die „Ehre“ der Familie wiederherzustellen. Wenn Frauen aber zur Polizei gehen, weil sie wegen ihrer sexuellen Orientierung von ihrer eigenen Familie bedroht werden, finden sie so gut wie nie Unterstützung.

Da die Erfahrungen mit der Polizei schlecht sind, erstatte kaum ein angegriffener Schwuler anschließend Anzeige. Den Angriffen auszuweichen sei aber schwierig, weil es eben so wenige Treffpunkte für Schwule gebe und die dann auch schnell bekannt seien. Schwulentreffs gibt es in der Türkei praktisch nur in Istanbul und Ankara. Aufgrund der sozialen Ächtung flüchten Menschen mit homosexueller Neigung aus der Provinz in aller Regel in eine der beiden Metropolen, weil sie, wenn überhaupt, nur dort ihre Präferenz leben können. Sowohl in Istanbul als auch in Ankara gibt es allerdings seit einigen Jahren eine Entwicklung, um aus der Anonymität und Hilflosigkeit herauszukommen. In beiden Städten haben sich Vereine von Schwulen und Lesben gegründet, in denen man sich gegenseitig unterstützt, regelmäßige Publikationen herausgibt und nicht zuletzt Demos zum Christopher Street Day organisiert. Im letzten Jahr gingen bei der entsprechenden Demo in Istanbul immerhin bereits fast tausend Menschen auf die Straße.

Ein Schlag ins Gesicht vieler Homosexueller, Transsexueller und Transvestiten dürfte das Verbot des Vereins Lambda Istanbul sein. Laut der Begründung des Gerichts verstoße der Homosexuellen-Verein Lambda Istanbul gegen das Verfassungsgebot zum Schutz der Familie und gegen die „Moral“ des Landes. Lambda Istanbul, will sich gegen das Urteil vor dem Obersten Berufungsgericht in Ankara zur Wehr setzen, wie die türkische Presse am Freitag berichtete. Notfalls wolle der Verein auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Quellen

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3. Linktipp

Informationen zur Lesben- und Schwulenbewegung

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