Jeden Montag dasselbe Trauerspiel. Vereint unter dem unseligen Label „Wügida“ tragen Identitäre, Burschenschafter und andere rassistische Bürger*innen ihren Wahn auf die Straße und hetzen in unendlich primitiver Art und Weise gegen Ausländer, Medien und Linke.
Doch Pegidazis, Woche für Woche, sind offensichtlich noch nicht genug. Nun haben sich auch noch NPD und Kameradschaft Unterfranken für einen sogenannten Trauermarsch am 15. März angekündigt. Möglicherweise sind sie es leid, unter den rassistischen Wutbürger*innen, zu denen sie sich Montag für Montag gesellen, unterzugehen und möchten nun wieder einmal ein eigenes Zeichen für Menschenverachtung und Wahn setzen.
Aufhänger bietet ihnen dafür der 70. Jahrestag der Bombardierung Würzburgs. Das Konzept und die ideologische Unterfütterung ihres faschistischen Events haben sie dabei nahezu vollständig von ihren Dresdner Kameraden kopiert, welche über Jahre hinweg den größten Naziaufmarsch Europas organisiert haben. Inszeniert wird sich in grotesker Umkehrung der historischen Tatsachen als Opfer der Geschichte.
Die fanatischen deutschen Massen, welche Hitler an die Macht gebracht haben und bis zum Schluss dessen willige Vollstrecker geblieben sind, seien die eigentlichen Opfer des Krieges gewesen. Sie seien dem unmenschlichen alliierten Bombenterror, wahlweise auch Bombenholocaust, zum Opfer gefallen.
Die Neonazis stellen dabei jedoch lediglich die Speerspitze eines revisionistischen Diskurses dar, der seit Jahren versucht, die deutsche Kriegsschuld und das singuläre Menschheitsverbrechen Auschwitz zu relativieren und umzudeuten.
Spätestens seit der von Helmut Kohl beschworenen geistig-moralischen Wende 1982 kann von dem Versuch gesprochen werden, ein konservatives, nationalverträgliches Geschichtsbild zu implementieren, das „die Deutschen“ mit ihrer Geschichte versöhnen und endlich einen Schlussstrich unter die leidige NS-Vergangenheit ziehen möchte.
Das ideologische Rüstzeug für diesen rechten Erinnerungskulturkampf lieferte einige Jahre später, wie kein anderer, Ernst Nolte im sogenannten Historikerstreit. Nahezu alle Lügen und Relativierungen, auf die sich Revisionist*innen, Revanchist*innenen und offene Faschist*innen heute beziehen, um ihre Propaganda salonfähig zu machen, finden sich exemplarisch bei Nolte wieder.
Als überzeugtem Revisionisten ging es Ernst Nolte in erster Linie darum, den Nationalsozialismus als eine Diktatur unter vielen zu verharmlosen. Damit einhergehen musste zwangsläufig eine Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen, die er als bloße Reaktion auf dessen Gegner verstanden wissen wollte. So verharmloste er den Holocaust als „überschießende Reaktion“ auf die Russische Oktoberrevolution und das Gulagsystem. Auch rechtfertigte er die seit Kriegsbeginn einsetzende Internierung der Jüd_innen in Konzentrationslager als legitime Kriegsmaßnahme, da jüdische Verbände mit einem Boykott deutscher Waren ab 1933 Deutschland de facto den Krieg erklärt hätten und Jüd_innen somit als Kriegsgefangene behandelt werden müssten. Wie die fränkischen Nazis ging auch Nolte von einem Vernichtungskrieg der Alliierten gegen die „unschuldige“ deutsche Zivilbevölkerung aus, die den Krieg und die Nazis so ja nie gewollt hätten.
Eine solche ideologische Sicht der Ereignisse spricht den realen Verhältnissen nicht nur Hohn, sie spuckt ihnen geradezu ins Gesicht.
Den Nationalsozialismus zeichnete ein extremer völkischer Antisemitismus aus, was ihn auch von anderen faschistischen Bewegungen, etwa in Spanien oder Italien, unterschied. Auch war die Eroberung von sogenanntem Lebensraum im Osten von Beginn an ein zentraler Kernpunkt nationalsozialistischer Bestrebungen. Die Deutschen brachten die Nazis nicht trotz, sondern gerade WEGEN dieser zwei zentralen Kernelemente an die Macht und unterstützen Hitler fanatisch, solange er siegreich blieb. Nach Stalingrad und den steigenden Gebietsverlusten sank der Rückhalt für die Nazis in der deutschen Bevölkerung zwar etwas. Nicht jedoch, weil man diese plötzlich ablehnte. Es war vielmehr die Sorge deutscher Täter_innen, für ihre millionenfach verübten Verbrechen im Falle einer Niederlage bestraft werden zu können.
Nolte hat sich mittlerweile auch durch Aussagen wie Israel laufe Gefahr, „der einzige Staat nach dem Herzen Hitlers zu werden“ ins gesellschaftliche Abseits manövriert. Seine Ideen sind jedoch nach wie vor virulent und finden vielfältige Rezeption und Verbreitung.
Popkulturelle Ausdrücke solcher reaktionären Diskurse finden sich in etwas abgeschwächter Form indes auch zuhauf im deutschen Fernsehen.
Bei patriotischen Dramen wie „Dresden“ oder „Unsere Mütter, unsere Väter“ geht es nicht um eine explizite Relativierung des Holocausts im Sinne Noltes. Jedoch findet bei beiden eine gefährliche Viktimisierung der deutschen Bevölkerung und letztlich eine (gar nicht mal so verhohlene) Täter- Opfer-Umkehrung statt.
Der Tenor ist bei beiden Schmonzetten identisch: die guten, jungen Deutschen, sie wollten doch nur ganz normal leben, doch dann kam erst Hitler über sie und dann die Alliierten mit ihren Bomben. Dabei hatten sie doch all das nie gewollt.
So suhlt man sich wohlig in pathetischem Selbstmitleid, zelebriert den deutschen Opfermythos und bereitet letztlich den Nazis den Boden für ihre revisionistischen Gedenkmärsche.
Deshalb gilt:
Mit deutschen Traditionen brechen! Opfermythen angreifen! Nazis am 15. März blockieren!