Verwertungsideologien überwinden!

Künstliche Verknappung verwandelt Hochschulen in Lernfabriken. Skrupellose Mittelkürzung verhindern freie Bildung und gute Arbeit. Kurzfristigen Erfolge im Dschungel der Konkurrenzen wird mehr Wert zugesprochen als nachhaltiger und kritischer Lehre und von Demokratie sind Hochschulen weit entfernt.

Foorschung ist heutzutage Drittmittelabhängiger als je zuvor. Dadurch überwiegen singuläre Interessen wirtschaftlicher Unternehmen (und ihrer Stiftungen) individuelle und gesellschaftliche Interesse. So sind nicht nur die Zwecke aktueller Wissenschaftsprojekte fragwürdig, wenn sie zum Beispiel der Rüstung dienen, sondern der Forschungsprozess an sich.

Beschäftigungsverhältnisse

Die Leistung der Hochschulen fußt heutzutage auf der Ausbeutung ihrer Beschäftigten. 90% der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen sind lediglich befristet beschäftigt. Die Hälfte dieser Stellen währt nicht einmal ein Jahr. Auch die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat kaum Verbesserungen mit sich gebracht. Nach wie vor können wissenschaftliche Mitarbeiter*innen an Hochschulen sechs Jahre vor und nach ihrer Promotion befristet angestellt sein. Die Personen, die bis dahin nicht habilititert haben, haben kaum noch Möglichkeiten, an Hochschulen zu lehren und forschen. Besonders betroffen sind hiervon Personen, die zusätzlich Sorge- und Pflegearbeit leisten. Diese prekären Verhältnisse zwingen die Beschäftigten dazu, sich dem Konkurrenzdruck zu beugen und in der Selbstausbeutung zu versinken. Diese Verhältnisse machen krank und grenzen aus.

So werden z.B. immer häufiger Arbeitsverträge für Viertel- und Dezimalstellen abgeschlossen. Unbezahlte Mehrarbeit wird meist stillschweigend vorausgesetzt oder mit subtilem Druck eingefordert. Die wissenschaftliche Weiterentwicklung der Forscher*innenpersönlichkeit, etwa in Form einer Promotion – verkommt zur Freizeitangelegenheit oder bleibt im Klima existenzieller Ängste ganz liegen. Für viele Promovierende finden sich inzwischen gar keine Stellen mehr. So erklären sich Abbrüche!

Studentische Hilfskräfte

Studentlische Hilfskräfte werden im Haushalt überwiegend so behandelt wie beispielweise Radiergummies. Und genau die gleichen Rechte gelten dann auch: Sie sind meist nicht in Tarifverträge eingebunden, ihr Lohn wird im Krankheitsfall nicht weitergezahlt, sie haben keine adäquaten Arbeitsplätze und müssen vielfach sachfremde Aufgaben erledigen. Dabei werden sie dann als Ersatz für wichtige Verwaltungsstellen eingesetzt. Dass ihr Lohn sich vielfach am absoluten Minimum bewegt, wundert dabei wenig. Auch wenn der Mindestlohn zumindest teilweise für Verbesserungen sorgen konnte, schaffen es einige Hochschulen immer wieder auf kreative Art, diesen zu umgehen. Daher ist der Mindestlohn letztendlich nur wie ein Pflaster auf einer Wunde, die eigentlich einen Druckverband bedürfte. Dabei darf nicht vergessen werden, welchen Druck kurze, unsichere Arbeitsverträge auf Menschen ausüben, die ohnehin schon unterhalb der Armutsgrenze leben. Auch hier werden unbezahlte Mehrarbeit und nicht gemeldete Krankheitsfälle zur schrecklichen Normalität. Wer sein Studium durch Lohnarbeit finanzieren muss, weicht häufig auf anspruchslose Aushilfsjobs aus, um wenigstens einen Jahresvertrag zu bekommen. Die wenigen Positionen studentischer Hilfskräfte, die häufig als Voraussetzung für eine attraktive Abschlussarbeit sind, bleiben somit denjenigen Vorbehalten, die es sich durch private Finanzierung erlauben können, äußerst prekär beschäftigt zu sein. Weitere Repressionsmechanismen, wie Langzeitstudiengebühren und Zwangsexmatrikulation treiben die Betroffenen weiter in den Abgrund der Verzweiflung.

Lehrbeauftragte

Die Situation der Lehrbeauftragen ist nicht minder erschütterlich. Hier ist ein Dumpinglohnsektor an staatlichen Institutionen etabliert worden. Menschen, die existenziell auf derlei Aufträge angewiesen sind, tragen nicht selten zur Sicherstellung des ständigen Lehrbetriebs bei. Sie erhalten dabei Löhne, die richtig berechnet weit unter dem Mindestlohn liegen. Denn aktuell werden weder Veranstaltungsvor- und -nachbereitungen noch Beratungs- oder Korrekturaufgaben als Arbeitszeit berücksichtigt. Weiterhin entziehen sich Länder und Hochschulen ihrer Pflicht, Sozialabgaben zu leisten. Lehrbeauftragte haben kein Urlaubsanspruch und kein Recht auf Mutterschutz. Vollkommen unsoziale Verhältnisse, von denen immer mehr Menschen betroffen sind. Inzwischen sind knapp 100.000 Personen an deutschen Hochschulen als Lehrbeauftragte angestellt.

Wissenschaftszeitvertragsgesetz

Wir dürfen nicht vergessen, was der Grund für diese Arbeitsbedingungen ist: Die Hochschulen sind in den letzten Jahrzehnten zu Unternehmen umfunktioniert worden. Sie sind unterfinanziert, drittmittelabhängig, werden nach stumpfsinnigen Indikatoren mit Geldern ausgestattet und von einer Hochschulleitung geführt, die mit autokratischer Macht ausgestattet ist. Hochschulen handeln inzwischen entlang der gleichen Verwertungslogiken wie Unternehmen in der freien Wirtschaft. Daher verkaufen sie auch Erkenntnisprodukte ohne jegliche Relevanz. Wenn das Wissenschaftszeitvertragsgesetz mehr Spielräume für Ausbeutung bietet, dann ist es kein Wunder, dass die Hochschulleitungen diese nutzen.

Gesellschaftliche Verwertungsideologie

Es ist an der Zeit, die Funktionsprinzipien einer Gesellschaft zu hinterfragen, in der alles den Zwängen der Verwertung unterworfen ist. Es ist an der Zeit, die Wissenschaft und die Gesellschaft in den Dienst menschlicher Bedürfnisse zu stellen und nach einem vernünftigen Plan zu organisieren. Weder der Forschungsprozess noch unser Leben darf von unkontrollierten/neoliberalen Mechanismen bestimmt werden. Wer dieser Verwertungsideologie nicht entspricht, verliert. Die Frage der möglichen Verwertbarkeit trennt unsere Gesellschaft und schließt jene aus, die im kapitalistischen System keinen Platz finden. So reproduzieren sich unverweigerlich Sexismus, Rassismus, Antiziganismus, Antisemitismus und weitere Abwertungsideologie. Doch leider ist der großeTeil der Gesellschaft vereinsamt im Hamsterrad gefangen. Doch was aussichtslos erscheint, ist es nicht.

Arbeit ungleich Lohnarbeit

Arbeit und Lohnarbeit zeigen auf besonders perfide Weise den strukturellen Sexismus unsere Gesellschaft auf. Während die Gehaltslücke zwischen Frauen* und Männern* weiter klafft, sämtliche Vorstandsetagen weiterhin mit weißen Männern* besetzt sind, wird die Situation in der Sorge- und Pflegearbeit, sowohl als Lohnarbeit als auch im privaten Umfeld, immer prekärer. Noch immer werden unabdingbare Leistungen, wie die Pflege und Erziehung überwiegend von Menschen umsonst geleistet. Im Patriarchat wird diese Reproduktionsarbeit überwiegend von Frauen* geleistet und kaum anerkannt. Das zeigt sich auch daran, dass Prüfungsordnungen und staatliche Studienförderungen genau diese Arbeit vollkommen ausblenden. Damit werden genau die Menschen ausgeschlossen, die diese Arbeit vorwiegend leisten. Wo Carearbeit von Staat und Kapital in Lohnarbeit umgewandelt wurde, um auch sie verwertbar zu machen, zeigt sich Ausbeutung in ihrer Höchstform. Denn solcherlei weiblich markierte Berufe werden mit Gehältern abgespeist, für die Menschen in anderen männlich dominierten Branchen keinen Finger krumm machen würden. Daher fordern wir die Anerkennung von Sorge- und Pflegearbeit als Arbeit und sämtliche damit verbundene Konsequenzen.

Ein Studium muss auch ohne begleitende Lohnarbeit absolvierbar sein. Diese Gesellschaft muss es leisten, dass Bildung von Kindes an bis zu jeder Weiterbildung kostenfrei ist. Bildung braucht Zeit, Freiheit und Sicherheit, denn Studieren ist nicht nur das Besuchen von Vorlesungen und Veranstaltungen, sondern benötigt auch eine Reflexion des Gelernten. Diese Zeit muss Student*innen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern oder der benötigten Zeit zur Verfügung stehen. Wir fordern daher das bedingungslose Grundeinkommen.

Diese Forderungen sind unabdingbar für ein gutes Leben und freie Bildung. Wir haben Verständnis dafür, dass Student*innen sämtliche Möglichkeiten des zivilen Ungehorsams nutzen, um dafür zu kämpfen. Am 1. Mai und jeden anderen Tag!

Wir werden meutern! Ob Lernfabriken oder gemeinsam mit anderen sozialen Kämpfen. Wir werden meutern! Um die Zusammenhänge zwischen unserer Gesellschaft, der katastrophalen Situation des Bildungssystem und der Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen anzuprangern.