Keine Einschränkung des Mitspracherechts der Österreichischen Hochschüler_innenschaft!

In Wien sind im Dezember und Januar Tausende auf die Straße gegangen, um gegen die geplanten Maßnahmen der neuen Bundesregierung im Hochschulbereich zu protestieren. Darüber hinau richteten sich die Demonstrationen gegen den geplanten Sozialabbau, die geplanten Maßnahmen im gesamten Bildungsbereich und gegen rassistische Gesetzesänderungsvorhaben, die besonders zu Lasten von Geflüchteten und Migrant*innen gehen. Bei der außerordentlichen Sitzung der Bundesvertretung der Österreichischen Hochschüler_innenschaft (ÖH) am 16. Januar 2018 wurde beschlossen, eine Viertelmillion Euro bereitzustellen, um einerseits eine Kampagne zu finanzieren, die über die geplanten Verschärfungen informieren soll. Andererseits soll das Geld auch für etwaige Rechtsschritte gegen Maßnahmen der Regierung verwendet werden.

Das türkis-blaue Regierungsprogramm bedeutet für die Student*innen in Österreich umfassende Einschnitte und Kürzungen. Neben der geplanten Mehrbelastung durch Studiengebühren sollen auch finanzielle Unterstützungen gestrichen werden. Am 28.2.2018 wurde bekannt, dass die Einführung von allgemeinen Studiengebühren geplant ist. Für diese Studiengebühren ist ein neues und ungewöhnliches Modell angedacht: Die Gebühren werden nicht mit dem Ziel eingeführt, die Lehre an den Hochschulen zu „verbessern“, sondern aufgrund eines sich immer weiteren verschärfenden Ärzt*innenmangels. Die Gebühren sollen Student*innen aus dem Ausland in Österreich halten:Wer nach dem Studium in Österreich bleibt und arbeitet, bekommt über Steuerboni die Studiengebühren in einer noch nicht konkretisierten Form ’zurückerstattet‘. Dies verdeutlicht, dass der nationalistische Kurs der Regierung auch im Bildungssektor Einzug hält. Insbesondere die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass hiernicht konsequent zu Ende gedacht wurde. Bei der Einführung der Studiengebühren 2001 hatten damals 40 000 Student*innen ihr Studium abbrechen müssen. Zusätzlich zu der allgemeinen Kritik an Studiengebühren,insbesondere die soziale Selektion nach Herkunft, schafft das Modell bewusst eine finanziell prekäre Situation als Motivation die Student*innen im Land zu halten. Später in Lohnarbeit und damit nicht mehr in der prekärsten Lage,bekommen Menschen noch einen Bonus, obwohl die finanzielle Unterstützung eigentlich während des Studiums dringendst notwendig wäre. Darüber hinaus soll der bisher bestehende Erlass von Langzeitstudiengebühren für Student*innen in Lohnarbeitsverhältnisse gekippt werden. Außerdem sollen die Partizipationsmöglichkeiten der Student*innen an den Hochschulen generell geschwächt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass die Mittel der ÖH „ausschließlich für Aufgaben der Beratung und Interessenvertretung von Studierenden verwendet werden können“. Zur Sicherstellung sollen die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten ausgeweitet werden. Nicht nur soll der gewählten Bundesvertretung der Student*innen per Gesetz der Mund verboten werden, ihnen wird auch noch mit Sanktionen gedroht.

Bildungsminister Faßmann hat im Januar abermals angekündigt, dass die ÖH stärker kontrolliert und die Möglichkeiten der Mittelverwendung eingeschränkt werden sollen. Es ist damit zu rechnen, dass im Rahmen der geplanten Gesetzesinitiative von Justizminister Moser eine Eingrenzung auf sehr eng student*innenbezogene Interessen und Service erfolgt. Die Folge wäre eine politische Knebelung der ÖH, und damit einer der wenigen Institutionen, die dazu beiträgt, Fragen marginalisierter und diskriminierter Gruppen eine Stimme zu geben. Herrschende Verhältnisse würden damit weiter zementiert.

In Zeiten verstärkten Drucks auf die zumeist lohnabhängigen Student*innen durch Zugangsbeschränkungen, Verschulung, Verwertungsdruck, Leistungsterror und Konkurrenz ist es umso wichtiger, die Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit der ÖH zu verteidigen. Gesellschaftliche Problemstellungen und Kämpfe haben ihre konkreten Auswirkungen auf die Hochschulen. Der geplante Maulkorb für die ÖH stellt nicht nur einen Akt der Repression dar, sondern würde auch die Institution als Ganzes obsolet werden lassen. Es bleibt zu hoffen, dass die österreichische Bundesregierung sich mit ihrem Vorstoß unter autoritär-neoliberalen Vorzeichen nicht durchsetzt.

Die Pläne der österreichischen Bundesregierung, das allgemeinpolitischen Mandat der ÖH zu beschneiden, sind ein Skandal und ein Angriff auf die Meinungsfreiheit der Student*innen. Für eine gelebte Demokratie braucht es gleichberechtigte studentische Mitbestimmung durch selbst gewählte Vertreter*innen. Stellungnahmen beispielsweise zu Studien- und Hochschulfinanzierung, studentischem Wohnraum, Nachhaltigkeit und ÖPNV wären undenkbar, wenn die Student*innenvertretungen nicht auch die Möglichkeiten hätten, Konzepte und Alternativen anzubieten und in diesem Zusammenhang auch übergreifend Kritik an gesamtgesellschaftlichen Prozessen üben zu können. Deswegen vertritt der fzs schon lange die grundsätzliche Position, dass das allgemeinpolitische Mandat für die demokratisch gewählten und damit legitimierten Student*innenvertretungen gesetzlich verankert sein muss (siehe z.B. Grundsatzbeschluss „Für eine entfesselte Studierendenschaft“ von 2009).

Der fzs solidarisiert sich mit den Protesten der Österreichischen Hochschüler_innenschaft. Das Mitspracherecht der gewählten Bundesvertretung der Student*innen in Österreich einzuschränken ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und demokratische Grundwerte. Es ist ein gefährliches Zeichen regierungskritische Stimmen auf diese Weise zum Schweigen bringen zu wollen.