Positionierungen zu den Vorhaben der Europäischen Kommission „Towards a European Eduaction Area by 2025“

Unter dem zukunftszugewandten Slogan „Towards a Europan Eduaction Area by 2025“ hat die Europäische Kommission im November 2017 eine Strategie mit kurzfristigen Zielen (2020) und längerfristigen Zielen (2025) vorgelegt (1). Dieses in verschiedene Abschnitte unterteile Papier birgt progresive, wie auch bedenkliche Ziele. Der fzs positioniert sich zu diesen wie folgt:

Im Kapitel „Strenthening European identities thorugh Education and Culture“ wird das Zielvorhaben eine Stärkung von Erasmus+ forciert. Eine stärkere Investition würde noch mehr Studierenden ermöglichen im Ausland zu studieren. Im selben Abschnitt wird die European Student eCard vorgestellt, eine europaweit geltende Studenten*innenkarte, die über die Identifikation hinaus, leichter Daten für Hochschulen und Institutionen abrufbar machen soll.  Es ist nicht nur hoch ambitioniert bis 2019 die European Student eCard einzuführen, mit einer Einführung gehen datenschutzrechtliche Probleme einher. Darüberhinausgehend wird die soziale Dimension an dieser Stelle vernachlässigt, da Sozialleistungen, wie ÖPNV-Nutzung, Nutzung von Bibliotheken usw. ebenfalls mit einer European Student Card abgedeckt werden sollten, dies aber nicht erwähnt wird.

Im Abschnitt „Mutual recognition of diplomas“ wird das angesprochen, was sich unter dem Begriff „Sorbonne Process“ fassen lässt. Der „Sorbonne Processe“ soll auf dem „Bologna Process“ aufbauen um die Voraussetzungen für die gegenseitige Anerkennung von Hochschul- und Schulabschlüssen zu schaffen. Damit würde sich die EU möglicherweise aus den Prozessen des Europäischen Hochschulraums (EHEA) in diesem Bereich verabschieden. Anstatt gemeinsam an einer – im Optimalfall weniger Leistungs- und Marktorientierten – Mobilität zu arbeiten, würde sich seitens der EU gegenüber den anderen Teilnehmern des Europäischen Hochschulraums abgekapselt.  Auch ist die geplant Präsentation eines vollen Konzepts im Mai kurzfristig vor oder nach der Minister*innen-Konferenz, die ebenfalls im Mai stattfindet, als Provokation zu verstehen, da so die Ergebnisse und Verhandlungen der Konferenz konterkariert werden könnten. Wie sich auch in der Grafik des Papiers zeigt, sind von diesem „Sorbonne-Prozess“ lediglich Staaten der EU und nicht der European Higher Education Area betroffen. Derzeit sind in den Gremien der EHEA deutlich mehr Studierende vertreten, daher wäre es durchaus zu begrüßen, den Rahmen nicht nur auf Mitgliedstaaten der EU zu beschränken. Andererseits lässt sich die Frage nach der demokratischen Legitimation der EHEA stellen, die bei der EU noch in einem stärkeren Maße gegeben wäre. In der Abwägung spricht sich der fzs gegen einen „Hochschulraum der zwei Geschwindigkeiten“ aus, bei dem Nicht-EU-Staaten abgehängt zu werden drohen und die Entscheidungen in wesentlichen Fragen in nichtöffentlichen intergouvernementalen EU-Gremien getroffen werden. Stattdessen braucht es eine Durchsetzung der Grundwerte der EHEA in allen Mitgliedsstaaten und eine emanzipatorische Reform des Hochschulraums, statt der Fokusierung auf die Verwertbarkeit.

Es zeigt sich aber auch, dass sich von allen im Bologna-Prozess herausgebildeten Zielen, vor allem Employability vorangestellt wird, und sich auch im „Sorbonne Process“ ein verwertungslogisches Verständnis von Bildung manifestiert.

In dem Abschnitt „Improving language learning geht es um das Vorhaben das Erlernen von Fremdsprachen und somit die Bi- und Multilingualität weiter zu fördern, hiermit spricht die Europäische Kommission einen wichtigen Punkt für die Möglichkeiten von Mobilität aber auch für gegenseitige Verständigung an, der zu unterstützen ist. Außerdem wird ein weiterer relevanter Aspekt angesprochen, nämlich, dass werdende Lehrer*innen unterdurchschnittlich häufig an Erasmusprogrammen teilnehmen. Im Papier wird die Perspektive eröffnet dies für angehende Sprachlehrer*innen mit Erasmus+-Unterstützung obligatorisch zu machen. Auch wenn wir Verpflichtungen für Studierende kritisch sehen ist eine generelle Stärkung dieser Option für angehende Lehrer*innen ist wünschenswert.

Im Abschnitt „Learning throughout our lives“ spricht die Europäische Kommission das Konzept live-long-learning an und setzt begrüßenswerte Maßstäbe um mehr Menschen Zugang zum Bildungssystem zu ermöglichen, sowohl auf der „pre-school“-Ebene als auch im Bereich der tertiären Bildungswege. Generell begrüßen wir eine Öffnung von Bildung für mehr Menschen in allen Altersgruppen. Gewährleistet werden muss hierbei die Anerkennung von in anderen Bildungsbereichen erlangten Qualifikationen und von bereits erlernten Fähigkeiten. Zudem müssten sich diese Bestrebungen auch in der vollen Durchsetzung der Lissabon-Charta äußern, die bereits weitreichende Ziele zu diesem Thema formuliert hat.

Um wirklich für alle verfügbar zu sein müssen diese Bildungsangebote, ebenso wie alle anderen, gebührenfrei sein. Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich dazu bekannt wird, diese Maßnahmen freiwillig zu gestalten und auch keinen impliziten Druck aufzubauen, damit sie nicht zu einem „lebenslangen [Weiter-]Bildungszwang“ ausarten.

Ein weiterer Aspekt, der in dem Papier richtiger Weise angesprochen wird, ist die [soziale] Situation von Lehrer*innen und sind die schlechten Arbeitsbedingungen unter denen diese häufig leiden. Zwar kritisiert das Papier, dass z.B. 86% der Lehrer*innen weniger verdienen als andere Arbeiter*innen mit gleicher Qualifikation und auch das es große Unterschiede zwischen den EU-Staaten gibt. Was jedoch fehlt sind konkrete Vorschläge und Bestrebungen, um an Stellen anzusetzen, die diese Situation verändern könnten. Stattdessen werden vor allem Fortbildungs-, Austausch- und Vernetzungsideen formuliert. Diese haben sicherlich ihre Bedeutung, denn einen Austausch über und in Professionalisierungswegen zu ermöglichen und zu unterstützen, erscheint wichtig. Dies greift allerdings deutlich zu kurz angesichts der strukturellen Probleme. Darüber hinaus ist es kritisch zu sehen, dass die Europäische Kommission eine Wettbewerbsstruktur, inklusive Preisvergabe, nämlich den „prize for the EU Teacher of the Year“, als ernsthaften Weg zur Ermöglichung von innovativen, transnationalen Lehraktivitäten und als Möglichkeit den Lehrer*innenberuf aufzuwerten sieht.

Der aus unserer Sicht problematischste Punkt im Kommissionspapier ist die Aussage zu Netzwerken Europäischer Universitäten. Dabei orientiert sich die Vorstellung des französischen Präsidenten und der Kommission an vom fzs kritisierten Programmen wie der Exzellenzinitiative/-Strategie. Obwohl der Finanzrahmen vermutlich überschauberer bleibt, ist die Funktionslogik von verfehlten Exzellenzprogrammen übernommen. Netzwerke weniger Hochschulen bewerben sich in einem wettbewerbsorientierten Prozess um Mittel. Auch wenn die Kommission regionale Balance berücksichtigen möchte, werden wirtschaftsstarke Regionen im Zentrum bei diesem Wettbewerb deutlich bevorteilt, da hier bereits Netzwerke der Wissenschaftsinstitutionen entstehen. Das europäische Modell basiert jedoch auf gleich starken und ähnlich gut finanzierten Hochschulen, die Bildung und Wissenschaft in der Breite ermöglichen. Anstatt europäischer Leuchtturm-Netzwerke, die eine Spaltung des europäischen Hochschulraums vorantreiben, muss eine gute Grundfinanzierung öffentlicher Institutionen in der Breite geschaffen werden. Der europäische Gedanke sollte in dieser Breite gedacht und gefördert werden, wie es beispielsweise mit ERASMUS+ geschieht, anstatt Europa als Elitenprojekt zu denken.

Positiv ist die Investitionsbereitschaft der EU zu bewerten. Die Kommission strebt eine Schaffung von EU-Investitionsinstrumenten durch EU-Finanzierung an. Dabei soll als Mindestbetrags für Bildungsinvestitionen 5% des BIP der Mitgliedstaaten gelten. Dies ist jedoch angesichts der gebrauchten Investitionen nicht genug. Stattdessen sollte bis 2025 eine stufenweise Anhebung auf 10% angestrebt werden.

(1) www.ec.europa.eu/commission/news/towards-european-education-area-2025-2017-nov-14_en