Während der mediale Fokus aktuell auf den Geschehnissen an der EU-Außengrenze zu Belarus liegt, möchten wir zum Internationalen Tag der Studierenden am 17. November unsere Solidarität mit den Menschen bekunden, die in Belarus auch weit über ein Jahr nach Beginn der Massenproteste täglich unter Repressionen leiden müssen. Insbesondere die akademische Welt von Belarus hat im Jahr 2020 einen Großteil der jungen Menschen für die Demokratiebewegung mobilisiert und zahlreiche Aktionen auf den Universitätscampi und außerhalb organisiert, um sich für faire Neuwahlen, Einhaltung von Menschenrechten und gegen Gewalt an der friedlichen Zivilbevölkerung auszusprechen. Passend zum heutigen Tag hat die zivilgesellschaftliche Initiative Honest University die Unterschriftensammlung zu einer Petition beendet, die ein Ende der Kooperationen mit repressiven belarussischen Universitäten auf administrativer Ebene fordert.
Die Petition erhielt 21 940 Unterschriften und wurde durch öffentliche Medien, die Zivilgesellschaft und Politik unterstützt. Nachdem bisherige Kontaktanfragen an deutsche Hochschulen in vielen Fällen unbeantwortet blieben, soll die heutige Übersendung der Petition an die ausländischen Universitäten den Forderungen Nachdruck verleihen.
In Deutschland gibt es aktuell noch mindestens 27 Universitäten, die von belarussischen Universitäten als Partner*innen benannt werden. Dahinter stehen teilweise aktive Projekte, häufig aber auch bereits vergangene Kooperationen, die auf belarussischer Seite dennoch als laufend dargestellt werden. Für belarussische Universitäten sind namenhafte ausländische Universitäten ein wichtiges Instrument, um potenzielle Studierende aus dem In- und Ausland anzuwerben. Während u.a. die deutschen Universitäten also passiv zur Aufrechterhaltung des Universitätsalltags beitragen, ist weiterhin eine Vielzahl von Studierenden, Dozierenden und Wissenschaftler*innen von den weitreichenden Repressionen betroffen.
Laut Angaben der Initiative Honest People sind in Belarus seit September 2020:
– 37 Studierende als politisch Inhaftierte anerkannt worden;
– 452 Studierende aus politischen Gründen verwarnt worden;
– 261 Studierende aus politischen Gründen exmatrikuliert worden;
– 132 Studierende ihres Stipendiums oder Wohnheimplatzes entzogen worden;
– 133 Universitätsangehörige aus politischen Gründen gekündigt worden.
„An den Repressionen gegen Universitätsangehörige waren Rektoratsmitglieder und Angestellte belarussischer Hochschulen maßgeblich beteiligt. Gleichzeitig halten deutsche Hochschulen an Kooperationen fest und legitimieren damit jene belarussischen Hochschulen, welche ihre eigenen Studierenden und Lehrenden dem belarussischen Unrechtsstaat ausliefern“, so Oraz Myradov (Vorstand von BSA, der belarussischen nationalen Studierendenvertretung).
„Während manche einen Kontaktabbruch auf offizieller Ebene ablehnen, weil sie Konsequenzen für die Universitätsangehörigen in Belarus fürchten, sehen wir ebendiesen Schritt als notwendige und adäquate Maßnahme an. Die administrative Ebene der belarussischen Universitäten muss ein klares Signal durch ihre internationale akademische Welt erhalten, das zeigt, dass die repressiven Handlungen gegen Studierende und Lehrende absolut inakzeptabel sind. Wir fordern deshalb ein Ende offizieller Beziehungen, während wir persönliche Beziehungen zu den Betroffenen und die Zusammenarbeit mit unabhängigen Akteur*innen natürlich befürworten.“, fügt Tsimafei Malakhouski (Projektkoordinator des Projekts Honest University der belarussischen Initiative Honest People) hinzu.
Der fzs unterstützt die Forderungen der zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus Belarus und wird die betreffenden deutschen Studierendenschaften erneut kontaktieren, um endlich Antworten zu bekommen und gemeinsam mit den belarussischen Verterter*innen klare Positionierungen der Hochschulen einzufordern.
„Nach einem Jahr hat sich deutlich gezeigt, dass die Taktik der sanften Hochschuldiplomatie gescheitert ist. Wenn wir über Belarus sprechen, sprechen wir über schwere Menschenrechtsverletzungen, unter anderem gegenüber Studierenden und Lehrenden“, sagt Matthias Konrad (fzs-Vorstand).
Ein Ende der Repressionen gegen die friedliche Zivilbevölkerung in Belarus ist aktuell leider nicht in Sicht, viele Menschen mussten fliehen und besonders die junge Generation wird nachhaltig von der andauernden Situation beeinflusst. Deshalb fordern der freie zusammenschluss von student*innenschaften (fzs), Honest People und die belarussische nationale Studierendenvertretung BSA die Freilassung der politisch Inhaftierten in Belarus, einen Stopp der Repressionen gegen die akademische Welt und sprechen sich klar gegen die Gewalt aus, die durch das belarussische Regime ausgeübt wird.