Aufruf „Vom MAI zur Milleniumrunde der Welthandelsorganisation (WTO)”

Die 15. Mitgliederversammlung des fzs möge beschließen, den Aufruf „Vom MAI zur Milleniumrunde der Welthandelsorganisation (WTO)” des Netzwerkes gegen Konzernherrschaft und Neoliberale Politik zu unterstützen. Der fzs soll in Zukunft im Rahmen seiner Möglichkeiten das Netzwerk personell und finanziell unterstützen, wenn folgende Zielsetzungen von der Mehrheit der in dem Netzwerk zusammengeschlossenen Gruppen und Einzelpersonen unterstützt werden:

Information
Die Sammlung, Verbreitung und Aufbereitung von grundsätzlichen und aktuellen Informationen zu unserem Arbeitsgebiet, um Gruppen vor Ort Materialien und Informationen an die Hand zu geben, mit denen sie ihre Aktionen und Veranstaltungen gestalten können. Insbesondere wichtig dabei die Filterung von Informationen, um sie auch denjenigen ohne E-Mail und/oder mit wenig Zeit oder zu schlechten Englisch-Kenntnissen zugänglich zu machen.

Vernetzung
Die Herstellung von Kontakten zwischen den einzelnen Basisgruppen, insbesondere von örtlich benachbarten Gruppen, die sich eventuell nicht kennen; zusätzlich die Vermittlung von Kontakten zu den Basisgruppen für InteressentInnen, die sich zuerst an das Netzwerk wenden. (Z.B. über die Homepage oder nach einem Medienbericht)

Koordination/Strategieüberlegungen
Auf den regelmäßigen Treffen können und sollten Absprachen über gemeinsame oder in einem gemeinsamen Rahmen stattfindende Aktionen getroffen werden und Überlegungen angestellt werden, wie das Thema am Besten an die Menschen zu bringen ist. Insbesondere sollte hier und im Rundbrief ein Erfahrungsaustausch von Einzelgruppen stattfinden, um Fehler, die eine Gruppe gemacht hat, in allen anderen vermeiden zu können.

Forum
Das Netzwerk sollte ein Forum für den Austausch der Gruppen untereinander und die Diskussion unterschiedlicher Auffassungen und Ansätze bieten und darauf achten, dass dies in einem solidarischen Rahmen geschieht.

Öffentlichkeitsarbeit
Für eine einzelne Gruppe ist es meist sehr schwer, unsere Inhalte und Ansichten in den Mainstreammedien zu plazieren, das Netzwerk sollte daher versuchen, hier Hilfestellung zu leisten, Arbeitsrahmen und Kontaktadresse für interessierte JournalistInnen zu sein.

Ermutigung zur Gründung neuer Gruppen
Einzelpersonen aus der gleichen Gegend, in der es noch keine arbeitende Basisstruktur gibt, sollten ermutigt werden, sich zu einer solchen zusammenzuschließen, um die Basis der Kampagne zu verbreitern.

sonstige Serviceleistungen
Übersetzung von Texten, Vermittlung von externen ReferentInnen und ÜbersetzerInnen (hier vor allem das Zusammentragen von Adressen, Kontakttelefonnnummern, Namen u.ä., die bei den einzelnen Gruppen oder bei Einzelpersonen liegen und allen Gruppen zugänglich gemacht werden sollten), u.ä.

Vom MAI zur Milleniumrunde der Welthandelsorganisation(WTO)

Wir müssen den erneuten Versuch eines Investitionsabkommens zugunsten transnationalen Konzerne verhindern!

Ende November 1999 wird in Seattle (USA) der Ministerrat der WTO tagen.Nachdem unter dem Druck des weltweiten Widerstands das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI) im Oktober 1998 scheiterte, soll nun auf dieser Tagung eine weitere Runde der Liberalisierung der Weltwirtschaft zugunsten der transnationalen Konzerne (TNKs) initiiert werden. Die Betreiber dieser sogenannten „Millenniumrunde” verfolgen dabei die gleichen anti-demokratischen Ziele wie im vorher zu Fall gebrachten MAI. Ja, sie wollen noch umfassendere Vertragswerke verwirklichen, um die geplante Konzernherrschaft in allen Ländern der Welt auf Dauer zu etablieren.

Die Vorgeschichte
Zwischen April 1997 und Oktober 1998 gab es eine internationale Kampagne gegen das geplante MAI. Auch wir in Deutschland waren daran beteiligt. Damals versuchten die TNKs und die Ideologen der brutalen, neoliberalen Globalisierung durch ihre Handlanger in den Regierungen im Rahmen der OECD ihre schon existierende Herrschaft auf dem Gebiet des Welthandels auch auf das Gebiet der Investitionen auszuweiten. Wenn das MAI Wirklichkeit geworden wäre, hätten die demokratisch gewählten Parlamente und Regierungen der Unterzeichnerländer ihre schon heute faktisch dürftige Macht im Bereich der gesamten Wirtschaftspolitik eingebüßt, auch juristisch. Sie wären dem Diktat eines umfassenden internationalen Vertragswerks unterworfen. Dies hätte noch mehr negative Folgen auch im Bereich von Sozial- und Umweltpolitik gehabt, als die neoliberale Politik der konservativen Regierungen schon sowieso verursacht hat. Der internationalen Widerstandskampagne gelang es, diesen Machtergreifungsversuch der TNKs zu verhindern. Unter dem Druck der Kampagne entschied die französische Regierung im Oktober 1998, sich nicht mehr an den MAI-Verhandlungen zu beteiligen. Kurz darauf entschied die OECD, die MAI-Verhandlungen fallen zu lassen.

Die WTO und die geplante „Millenniumrunde”
Die WTO wurde im Januar 1995 gegründet. Sie ist der krönende Abschluß eines langen Prozesses gewesen: In den 80er Jahren wurde in den meisten kapitalistischen Ländern – unter der Führung der Regierungen von Ronald Reagan in den USA, Margaret Thatcher in Großbritannien und- später auch von Helmut Kohl in der BRD – die neoliberale Politik der radikalen Deregulierung, Privatisierung, des Abbaus des Sozialstaates und der Umverteilung von unten nach oben eingeführt. Diese allgemeine Politik wurde auch im Welthandel durchgesetzt. In achtjährigen internationalen Verhandlungen – der sogenannten Uruguay-Runde des Allgemeinen Handels- und Zollabkommens (GATT) – wurden mehrere Verträge abgeschlossen, die die Befugnisse von gewählten Regierungen und Parlamenten im Bereich des internationalen Handels drastisch beschneiden und den Unterzeichnerstaaten auch Kompetenzen über weitere Bereiche der Wirtschaft (wie z.B. über das Patentrecht und die Landwirtschaft) entziehen – zugunsten der großen TNKs.

Die Uruguay-Runde wurde im Dezember 1994 abgeschlossen. Im Januar 1995 übernahm die WTO die Aufgabe, über die Einhaltung der GATT-Verträge zu wachen und die weitere, unumkehrbare Deregulierung der Weltwirtschaft zu betreiben. Sie sollte auch fünf Jahre nach ihrer Gründung eine kritische Auswertung ihrer Arbeit und der Auswirkungen der Verträge vornehmen. Aber bevor diese Auswertung überhaupt begonnen hat, verlangen die großen Wirtschaftsmächte eine neue Verhandlungsrunde – über den schon erwähnten Bereich der Investionen, über Wettbewerb und über das öffentliche Beschaffungswesen. Durch Verträge über die letzten zwei Bereiche wollen sie die noch bestehenden Rechte der einzelnen gewählten Regierungen und Parlamente beseitigen, Wettbewerb in ihren eigenen Ländern zu regulieren und bestimmte schwache oder sonst unterstützungswürdige Wirtschaftsakteure durch Aufträge zu unterstützen.

Die WTO ist eine Organisation, in der die Entwicklungsländer die Mehrheit haben. Man könnte also meinen, da könne doch kein neuer Vertrag zustande kommen, der nicht ihrem Interesse dient. Aber alle Entwicklungsländer sind bei den G-7-Ländern, dem IWF und der Weltbank hoch verschuldet. Sie sind von deren Wohlwollen abhängig, viele sogar erpressbar geworden. Zwar lehnen einige von ihnen die Millenniumrunde ab, weil sie fürchten, daß die vorgeschlagenen neuen Verträge sie in eine noch tiefere, neokoloniale Abhängigkeit von einigen TNKs bringen würden. Andere aber unterstützen den Vorschlag einer neuen Liberalisierungsrunde, weil dort der übliche Interessensgegensatz zwischen der herrschenden Elite und der Mehrheit des Volkes auch im Bereich des Welthandels und grenzüberschreitender Investitionen besteht. Das ist auch der Fall in den Industrieländern einschließlich Deutschlands und der anderen EU-Länder. Das ist der Grund, warum die herrschenden Eliten dieser Länder diese neue Offensive durch die EU-Kommission starteten, deren Außenhandelskomissar selbstherrlich, ohne jedwede parlamentarische Kontrolle über die Millenniumrunde verhandelt.

Die geplanten neuen Verträge werden zur Etablierung der weltweiten Konzernherrschaft und zur weiteren Entdemokratisierung führen. Sie würden der Mehrheit der Menschen schaden – auch in den Industrieländern, auch in Deutschland. Darum gibt es in vielen WTO-Mitgliedsländern eine große Protestbewegung gegen die geplante Millenniumrunde – in dem reichsten Industrieland USA genauso wie in Bangladesh. Über 1100 NROs und Basisorganisationen in diesen Ländern fordern in einer gemeinsamen Erklärung, daß keine neue Verhandlungsrunde in der WTO eröffnet wird. Wir schließen uns ihrem Protest an.und rufen zum Widerstand auf:

Keine Milleniumrunde in der WTO!

Beschlossen von der 15.MV in Paderborn, November 1999