Ein Hochschulstudium ist faktisch schon längst zu einem Privileg für Kinder reicher Akademiker-Eltern geworden. Die zynische Realität von Studiengebühren in diversen Ausführungen in einigen Bundesländern und die drohende flächendeckende Einführung und/oder Verschärfung runden das Bild einer immer weiter individualisierten, privatisierten, unsolidarischen und ungerechten Gesellschaft ab.
In diesem Jahr wird sich der Bund erstmals in der absurden Lage wiederfinden, daß die Rückzahlungen ehemaliger BAföG-EmpfängerInnen die derzeitigen Auszahlungen übersteigen werden. Nicht einmal seinem ursprünglichen Auftrag wird das BAföG heute gerecht – so kritikwürdig der auch sein mag mit der „Aktivierung von Bildungsreserven in der Bevölkerung“ (nicht etwa soziale Gerechtigkeit oder Chancengleichheit als Grund für eine Ausbildungsförderung, sondern Standort Deutschland und Verwertbarkeit….).
Das BAföG hat sich in seiner jetzigen Förderlogik mit sinkenden Gefördertenzahlen, mit Elternabhängigkeit, mit Darlehen, mit verzinster Studienabschlußförderung als Sozialgesetz selbst ad absurdum geführt und muß dringend und grundlegend reformiert werden – und das mit höchster Priorität.
Die Riege der PolitikerInnen klagt seit knapp 2 Jahren intensiv über den Zustand der Ausbildungsförderung, absurderweise diejenigen am lautesten, denen wir diese Misere hauptsächlich zu „verdanken“ haben, nämlich CDU/CSU und FDP. Aber auch rot-grün haben sich während ihrer bisherigen Amtszeit nicht besonders um die strukturelle Verbesserung der Ausbildungsförderung bemüht. Zwar 1998 noch Bestandteil des Koalitionsvertrages und Ende des Jahres 1999 noch mit dem Drei-Körbe-Modell in der Debatte, war die Strukturreform Anfang 2000 spätestens mit den Schröder’schen Machtworten, eigentlich schon früher tot gespart und erledigt.
Statt einer echten Reform werden altbekannte Rezepte ausgegraben: Detaillösungen und etwas mehr Geld. Doch damit ist, angesichts der realen Lage an den Hochschulen und der massiv stattfindenden sozialen Selektion keine grundsätzliche Verbesserung mehr zu erreichen. Der fzs fordert, als Grundvoraussetzung für die kulturelle Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben, die soziale Grundsicherung für alle hier lebenden Menschen einzuführen, als dessen Teil wir eine solidarische Ausbildungsfinanzierung verstehen. Wir fordern ein Ende neoliberaler Verwertbarkeits- und Privatisierungspolitik. Statt dessen fordern wir die staatlich garantierte soziale Absicherung der Menschen ein, die nicht auf Privatisierung und Individualisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung setzt, sondern auf gleiche Rechte für alle Menschen. Der Staat trägt eine Verpflichtung für die finanzielle Abgesichertheit der Menschen, die ein Recht auf Leben ohne Arbeitszwang und Repression haben.
Um den Einstieg in eine soziale Grundsicherung für alle voranzubringen, stellen wir auch kurzfristige Forderungen auf. Der fzs verlangt eine sofortige strukturelle und grundlegende Reform des BAföG im Sinne einer solidarischen Ausbildungsfinanzierung. Eine solche Reform der Ausbildungsförderung muß den folgenden Kriterien entsprechen:
- elternunabhängig,
- verteilungsgerecht,
- gesamtgesellschaftlich verankert,
- bedarfsdeckend,
- repressionsfrei,
- nicht diskriminierend,
- muß tatsächlichen Studiendauern entsprechen,
- muß den realen Lebensbedingungen der StudentInnen entsprechen,
- muß verschiedene Lebensentwürfe ermöglichen,
- muß allen StudentInnen in Deutschland gleichermaßen offen stehen,
- und muß Auslandsaufenthalte in frei gewählter Länge ermöglichen.
Wir fordern die Politik auf, eindeutig Stellung zu beziehen und eine solidarische Ausbildungs- und Studienfinanzierung sofort durchzusetzen. Dies beinhaltet neben der BAföG-Reform auch ein eindeutiges Studiengebührenverbot im Hochschulrahmengesetz bei gleichzeitiger Steigerung der Bildungsausgaben auf 12% des Bruttosozialproduktes (Bildungsausgaben 1997: 4 %).
Wir fordern als Sofortmaßnahme die Umwandlung aller Darlehen in Vollzuschüsse.
Wir fordern den Schuldenerlaß derer, die in den 80er Jahren ihre Ausbildungsförderung nur als Volldarlehen bekommen haben und die dadurch extrem benachteiligt und diskriminiert wurden.
Wir fordern die Regierung auf, durch die Bereitstellung von finanziellen Mittel in entsprechender Höhe die Anerkennung der Wichtigkeit von wirklicher sozialer Gerechtigkeit und Chancengleichheit (im Sinne einer dauerhaften Durchsetzung gleicher Rechte bei ungleichen Voraussetzungen und im Sinne der Ermöglichung einer emanzipatorischen, selbständigen Lebensgestaltung).
Wir fordern die PolitikerInnen auf, sich endlich eindeutig zu äußern und – wenn sie denn unsoziale Politik betreiben wollen – uns wenigstens ihre sozialen Floskeln zu ersparen.
Beschlossen auf der 16. MV in Karlsruhe, Mai 2000