Geschichte und historische Flurbereinigung in der BRD
Die Expo 2000 in Hannover, die sich vom 1.6.-31.10.2000 zieht, ist das erste derartige Projekt in Deutschland. 170 Staaten werden sich in Länderpavillons präsentieren, neben transnationalen Konzernen und internationalen Organisationen. Mit diesem Prestigeobjekt, an dessen Zustandekommen auch unser Bundeskanzler in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident maßgeblich mitgewirkt hat, versucht die Bundesregierung, die die offizielle Veranstalterin ist, Deutschland im 21. Jahrhundert als weltoffenes, tolerantes und technikfreundliches Land zu inszenieren. Die rassistische MigrantInnenpolitik, die immer mehr auf Kontrollstaat ausgerichtete Politik der „Inneren Sicherheit”, die nach wie vor massive Benachteiligung von Frauen durch eine patriarchale Gesellschaft, ebenso wie die alltägliche Diskriminierung all derer, die nicht dem „männlich, deutsch, weiß, heterosexuell, arbeitend, nichtbehindert” Dogma entsprechen, werden dabei ausgeblendet. Gleiches gilt für die besondere Verantwortung des deutschen Staates für die Nazivergangenheit. Diese hat die Regierung allerdings auch schon durch die Beteiligung an dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jugoslawien ad acta gelegt. Deutschland kämpfte als Teil der „Guten” für „die Menschenrechte” und der Außenminister scheute sich nicht vor der historisch völlig unhaltbaren Gleichsetzung von Holocaust und Milosevics Regime.
Nun also die EXPO als weiterer Schritt, Deutschland international als Nation zu etablieren, die, ihrer Vergangenheit und Widersprüche entledigt, bereit ist für die Zukunft und die Übernahme einer Führungsrolle.
Nebenwirkungen, Innere Sicherheit und Hannover
Seit klar wurde, daß die EXPO nach Hannover kommt, hat in der Stadt ein Bauboom eingesetzt. Fassaden werden renoviert, der Bahnhof umgebaut, neue Prachtbauten aus dem Boden gestampft, alles für hunderte von Millionen Mark. Eine neue Straßenbahn wird gebaut, ein futuristischer Bahnhof am EXPO Gelände; Hannover macht sich schick für die Weltelite. Das finanzielle Risiko für die gesamte Veranstaltung (Haftungsvereinbarung über 600 Millionen) wird zu über neunzig Prozent vom Bund und dem Land Niedersachsen getragen, was heißen will, daß bei einem minus, was sich schon jetzt als relativ sicher abzeichnet, letztendlich die SteuerzahlerInnen die Zeche zahlen. Die Wirtschaft, deren eigentliches Projekt die EXPO ist, haftet lediglich für den vergleichsweise lächerlichen Betrag von 50 Millionen. Gleichzeitig ist der von den MacherInnen versprochene Boom für die Stadt ausgeblieben. Die Zahl der Arbeitslosen und Wohnungslosen steigt an, der Verteilungskampf verschärft sich. Die Mietkosten steigen, eine Wohnung zu finden wird zunehmend schwerer. Soziale Brüche werden neben und durch die EXPO verschärft und treten immer deutlicher hervor.
Zudem wird in Hannover ein vom damaligen Innenminister Kanther vorgeschlagenes Sicherheitsnetz aufgebaut, welches als Pilotprojekt für andere Großstädte gilt. Nach dem Motto „Ordnung muß sein – egal wo das steht” (HAZ, 3.2.98) wird die Polizeipräsenz in der Stadt drastisch erhöht (die Zahl der PolizistInnen wird sich auf 2500 in etwa verdoppeln), der BGS wird verstärkt zur Sicherung eingesetzt (das Personal am Bahnhof wird von 100 auf 220 aufgestockt), private Sicherheitsdienste haben Hochkonjunktur. Alles was nicht in die schöne neue EXPO Welt paßt wird weggeschafft…..Mit zunehmender Härte und Gewalt werden Obdachlose, Drogensüchtige und andere „Arme” der Wohlstandsgesellschaft aus der Stadt vertrieben, ein neuer Knast wird gebaut, um der Widerspenstigen Herr zu werden. Im Schlepptau befinden sich Platzverweise, Aufenthaltsverbote und Hausverbote. Um die schöne Fassade zu wahren werden also „Zero Tolerance” und „Niedrige Einschreitschwelle” zu den Maximen eines jegliche Nonkonformität unterdrückenden Sicherheitswahns.
EXPO Inhalte
Die EXPO 2000 steht unter dem Motto „Mensch-Natur-Technik” und steht in der Tradition der anderen Weltausstellungen, die prinzipiell schon immer eine Selbstinszenierung der herrschenden kapitalistischen Eliten waren. Zudem waren Weltausstellungen auch schon immer Bühne für die Präsentation neuster Waffen- und Massenvernichtungstechnologie. Damit dienten sie der Akzeptanzbeschaffung für kriegerische Handlungen als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Die EXPO 2000 mit ihrem Motto erhebt den Anspruch, für alle – von ihr selbst definierten – Probleme der Menschheit Lösungen präsentieren zu können. Dazu soll vor allem der Themenpark genutzt werden. Dort soll den geneigten BesucherInnen zu den Themenblöcken „Der Mensch”, „Umwelt: Landschaft, Klima”, „Basic Human needs”, „Die Ernährung”, „Die Gesundheit”, „Die Energie”, „Die Mobilität”, „Die Zukunft der Arbeit”, „Wissen: Information, Kommunikation”, „Die Zukunft der Vergangenheit” und „Das 21 Jahrhundert” „Lust auf Zukunft “ gemacht werden. Präsentiert werden die Lösungen der HERRschenden für alle mit diesen Themen implizierten Problemstellungen: Die Atomenergie wird als Mittel zur Deckung des steigenden Energiebedarfs präsentiert, die Gentechnologie als Mittel zur Beendigung des Welthungers. Das läuft dann expotechnisch beispielsweise so: Mensch läuft auf einem Förderband durch einen sich verengenden Gang. An den Wänden sind Bilder von vielen Menschen und hungernden Kindern projiziert sind. Am Ende wird die empfundene Bedrängnis und Enge durch den Einsatz von Spiegeln potenziert. So haben geneigte BesucherInnen zwei Minuten Zeit, über die Probleme der Menschheit zu philosophieren. Anschließend folgt ein großer leerer Raum, in welchem dann die Gentechnologie als Lösung präsentiert wird. Dabei setzen die MacherInnen der EXPO auf blinden Technik- und Fortschrittsglauben; allein die technischen Neuerungen des kapitalistischen Systems sollen in der Lage sein, die zu einem Großteil von ihm selbst verschuldeten Probleme zu lösen. Demnach steht dann auch die Förderung der Technikakzeptanz ganz oben auf der Liste der Zielsetzungen der EXPO. Diese plakative Technikakzeptanz und Marktwirtschaftsbejahung wird insbesondere durch das massive Sponsoring der Wirtschaft verdeutlicht. Geeint werden all diese -zum Teil recht widersprüchlichen- Inhalte durch die Beschwörung eines „wir sitzen alle im gleichen Boot” und den Totschlagbegriff der „Nachhaltigen Entwicklung”, die sich konzeptuell eng an die Agenda 21 anlehnt. Nachhaltige Entwicklung bedeutet dabei neben der Entwicklung und des Einsatzes immer komplizierterer Technikneuerungen auch das Eindämmen der „Bevölkerungsexplosion”, die alleinig für einen Großteil der Probleme im Trikont verantwortlich gemacht wird. Dadurch erhält die EXPO 2000 einen sexistischen Einschlag, der in der Tradition klassischer patriarchaler Unterdrückungsmechanismen steht. Grundsätzlich treffen meist Männer die wichtigen, globalen Entscheidungen, Frauen sind für die Reproduktionsarbeit zuständig. Die Schuld für die „Übervölkerung” wird somit auf die Frauen abgeschoben, die auf ihre Gebärfähigkeit reduziert werden. Sie produzieren etwas unerwünschtes, nämlich zu viele Kinder. Die EXPO betrachtet Menschen als bloße Biomasse, deren Ausmaß kontrolliert und reguliert werden muß. Der Mann ist der Macher der Konzepte, die Frau trägt die Verantwortung für die Umsetzung- welch zukunftsweisende Konzeption für das neue Jahrtausend.
Ideologie der EXPO
Neben blindem Fortschrittsglauben wird auf der EXPO unter dem Motto „Frieden durch Welthandel” auch versucht, die herrschende neoliberale Doktrin des Kapitalismus in die Köpfe der Menschen zu hämmern. Dabei geht es um weitere Deregulierung der Weltwirtschaft und weitere Liberalisierung des Handels und der Investitionen. Letztlich soll mensch glauben, dass von einer weiteren neoliberalen Umstrukturierung alle, einschließlich der Länder des Trikont, profitieren werden. Die Wirklichkeit sieht anders aus; gerade in den Ländern, wo die neoliberale Doktrin am stärksten durchgesetzt wurde, wächst die Kluft zwischen arm und reich kontinuierlich.
Auch diese EXPO hat also im Prinzip vor allem die Funktion, das patriarchale kapitalistische System durch gezielte Propaganda zu stützen. Es geht nicht um neue Lösungen für alte Problem sondern um die Festigung des Systems, welches einen Großteil der Probleme verursacht hat. Die EXPO muss also im Kontext des Versuchs einer allgemeinen Durchsetzung des kapitalistischen Neoliberalismus gesehen und bewertet werden. Nur so wird mensch dem Phänomen gerecht, das so harmlos und menschenfreundlich daherkommt. In diesen Kontext passt auch, dass die MacherInnen der Weltausstellung versuchen, KritikerInnen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Etablierte, akzeptierte NGOs werden mit einbezogen und lassen sich zur Legitimation dieser „Messe des Kapitalismus” instrumentalisieren.
Die Frauenuniversität (ifu) der EXPO
Auf der EXPO wird es eine hunderttägige Frauenuniversität geben, die StudentInnen aus aller Welt vereinen soll. Dabei reiht sich dieses Projekt vom Geist her nahtlos in die EXPO ein. Es werden Auswahlverfahren durchgeführt, Studiengebühren erhoben, Qualifikationen eingefordert, selbtsverständlich alles über das Internet. Damit werden Elitenbildung und Selektion im Bildungssystem ausgerechnet bei diesem ursprünglich feministischen Projekt zur Maxime erhoben. Die ifu reiht sich somit von der Konzeption her in genau die neoliberale Umstrukturierung des Bildungssystems ein, die StudentInnen weltweit seit Jahren bekämpfen. Bildung wird einem Produkt für Eliten und zur Ware gemacht, die die StudentInnen konsumieren und für die sie bitteschön auch zu zahlen haben. Selbstverwaltung, Aufhebung von Hierarchien? Keine Rede davon weit und breit. Vielmehr werden klassische Hierarchien der Hochschule reproduziert, Machtverhältnisse zementiert, anstatt sie in Frage zu stellen. Die ursprüngliche Konzeption einer Frauenuniversität als Uni von Frauen für Frauen wird allein schon durch die Zusammensetzung des geschäftsführenden Hochschulrates der auch Männer enthält ad absurdum geführt- ganz so weit , wie die Präsidentin der ifu, Ayla Neusel, meint, ist es mit der Utopie der Frauenuni wohl doch nicht gekommen. Die Projektbereiche der ifu verleugnen zwar noch nicht vollends feministische Inhalte, sind aber inhaltlich so genau festgelegt, daß wenig Raum für Kritik und Utopie bleiben dürfte. Ebenso wie die MacherInnen der EXPO haben es auch die MacherInnen der ifu verstanden, Kritikerinnen zu vereinnahmen und als Dozentinnen einzuladen. Als Fazit der ifu bleibt ein übler Nachgeschmack und die Einsicht, daß die EXPO auch dieses feminitische Konzept gnadenlos in ihrem neoliberalen Sinne umgekrempelt hat.
Fazit und Positionsbestimmung
Der fzs lehnt die EXPO als Instrument zur Durchsetzung dieser neoliberalen Doktrin ab und unterstützt den Widerstand gegen den Zukunftsentwurf der Herrschenden. Wir glauben nicht, wir hätten das Patentrezept gefunden (das es vermutlich auch gar nicht gibt); allein, wir glauben auch nicht., dass nur durch Fortschritt der Technik die Probleme der Welt gelöst werden können, besonders nicht durch Fortschritt wie Atomtechnik. Zudem sind wird der Ansicht, dass es von einer unglaublichen Arroganz der kapitalistischen Eliten zeugt, zu glauben, sie hätten das alle selig machende Patentrezept für die Zukunft der Menschheit, welches dann der gesamten Welt von oben herab verordnet wird. Darüber hinaus lehnen wir eine weitere neoliberale Umstrukturierung der Weltwirtschaft und der Weltgesellschaft ab. Wir sind der Ansicht, dass die Probleme der Menschheit sich nur dann lösen lassen, wenn endlich Schluss ist mit Ausbeutung und Ausgrenzung von Menschen und wenn Menschen aus allen Teilen der Welt als gleichberechtigte PartnerInnen an den Ressourcen teilhaben und an der Entwicklung von Konzepten für die Zukunft mitarbeiten. Wirklich zukunftsweisende Politik muss die Aufhebung der Unterschiede zum Ziel haben und nicht deren weitere Vertiefung. Sie sollte für ein solidarisches und gleichberechtigtes Miteinander und nicht für das Aufoktroyieren einer bestimmten Ideologie stehen. Wir setzen dem Geist der EXPO ein definitives NEIN entgegen!!!!
Beschlossen auf der 15.MV in Paderborn, November 1999