Politikwissenschaft oder Propaganda: Der Fall Hans-Helmuth Knütter

Aus dem Netz der extremen Rechten an den Hochschulen ist er auch nach seiner Emeritierung nicht wegzudenken.Zuletzt war es der AStA der Hamburger Universität, der Alarm schlug: Ein „Ideologischer Brandstifter“ sei heute zu Gast bei der dortigen Burschenschaft Germania, warnte er am 22. Oktober 2002 die Öffentlichkeit. Gemeint war damit der emeritierte Politologie-Professor Hans-Helmuth Knütter und das Thema, mit dem dieser das Publikum „auf“ dem Haus der Germania beglücken wollte hiess: „Geheimdienste in Deutschland. Gefahr für Freiheit und Demokratie.“ Nun ist es nicht verwunderlich, dass die eindeutig der extremen Rechten zuzurechnende Germania den Verfassungsschutzbehörden nicht unbedingt wohlgesonnen ist. Bei ihrem Referenten hingegen verwundert das Thema schon, schließlich dürften sich seine Schriften in den meisten wissenschaftlichen Bibliotheken nach wie vor unter dem Stichwort „Extremismusforschung“ finden lassen.Vom Verfassungsschutz nach rechtsHans-Helmuth Knütter galt bis in die neunziger Jahre zusammen mit dem Doppelpack Jesse/Backes als konzeptioneller Ideologe der StaatsschützerInnen. Gemeinsam kritisierten sie damals Antifaschismus und „Deutschenhass“. Knütter prägte den Begriff der „Faschismuskeule“, den Martin Walser später unter dem Begriff „Moralkeule“ wieder aufnahm: Den Vorwurf, die Kritik an rechten und extrem-rechten Vorstellungen diene ausschließlich der instrumentellen Delegitimierung oder Erpressung beliebiger politischer GegnerInnen durch die Linke oder die jüdischen Gemeinden. Eine Gefahr von rechts existiere nicht, verkündete der Herr Professor. Und das nicht nur in Vorlesungen und Seminaren an der Bonner Uni: Von 1985 bis 1990 war Knütter Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundeszentrale für politische Bildung, für die er bis 1995 als Referent zum Thema „Rechtsextremismus“ auftrat; wie auch für das Bundesinnenministerium. Artikel zum Themenkomplex „Antifaschismus“ und „Extremismus“ aus seiner Feder erschienen auch in der Wochenzeitung „Das Parlament“.Die 90er Jahre hinüber radikalisierte sich Knütter nach rechts, er propagiert und praktiziert seitdem Bündnisse mit der extremen und militanten Rechten.Bereits Anfang der neunziger Jahre fiel er als Mentor eines studentischen „Ost-West-Arbeitskreises“ an der Bonner Uni auf, der neonazistische Referenten wie den Auschwitz-Leugner David Irving einlud und Auftritte des Nazi-Sängers Frank Rennicke organisierte. Als Nachfolgeprojekt des Arbeitskreises gründete er 1994 einen AK Linksextremismus, in dem Vertriebenenfunktionäre, zahlreiche Burschenschafter und Vertreter des CDU-StudentInnenablegers RCDS zusammenwirkten und ihre Ansichten durch Artikel in der „Jungen Freiheit“, einer Wochenzeitung der extremen Rechten, verbreiteten.Knütter selbst hat inzwischen nahezu jede Organisation und jede Zeitschrift der extremen Rechten mit Vorträgen und Artikeln bedacht. Aufsehen in den überregionalen Medien erregte er zuletzt am 6. Juni diesen Jahres, als das NDR-Magazin Panorama zur besten Sendezeit im ersten Programm unter dem Titel „CDU-Mitglieder in rechtsextremistischen Organisationen aktiv“ über die „Gesellschaft für Freie Publizistik“ berichtete. Den Schwerpunkt legten die Panorama-JournalistInnen dabei auf den Umstand, dass auch prominente CDU-Mitglieder seit Jahren deren Veranstaltungen besuchen und sich diesem auch von den Verfassungschutzämtern als „rechtsextremistisch“ bezeichneten Verein als Referenten zur Verfügung stellen. Neben Jörg Schönbohm und Roland Koch wurde dabei auch das CDU-Mitglied Hans-Helmuth Knütter erwähnt. Von ihm wusste Panorama gar, belegt durch einen Tonbandmitschnitt, zu berichten, dass er in einem Vortrag „vor NPD-Funktionären, gewaltbereiten Neonazis und Auschwitz-Leugnern“ zur finanziellen Unterstützung militanter Nazis aufrief: „Saalschlachten und Straßenkämpfe“ zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele sollten damit finanziert werden, zitiert ihn die Panorama-Redaktion.Der Herr Professor und die Deutsche BurschenschaftVon den Vorteilen, die ein ProfessorInnentitel mit sich bringt, macht Knütter bei seinem Einsatz für die Sache der extremen Rechten reichlich gebrauch. Wohl nur bei ihm konnte sich ein langjähriger Autor der besagten extrem-rechten Zeitschrift „Junge Freiheit“ mit einer hanebüchenen Untersuchung über „Das antifaschistische Milieu“ akademische Doktorweihen holen. Und natürlich ist er eine gute Adresse, wenn ein Gefälligkeitsgutachten gebraucht wird. Etwa von der einschlägig bekannten Münchner Burschenschaft Danubia.Die Danuben waren im Juni 2001 in das Fadenkreuz des bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz geraten, nachdem sie im Januar 2001 einen Nazischläger auf der Flucht vor der Polizei für eine Nacht „auf“ ihrem Verbindungshaus versteckt hatten. Seitdem erwähnt auch der bayrische Verfassungsschutz (VS) die Danuben. Und das könnte ihnen auch eigentlich ganz recht sein, schließlich ist „Kühnheit“ ein Teil des Vereinsmottos und aus ihrem Stolz auf die rechtsextremen Aktivitäten ihrer Verbindung machen die Danuben keinen Hehl. Doch andererseits ist niemand in einer Burschenschaft, um berufliche Nachteile hinzunehmen und diese Gefahr sahen die Danuben durch die Erwähnung im VS-Bericht, insbesondere für den öffentlichen Dienst.Ob das im Frühjahr diesen Jahres veröffentlichte Gutachten des Herrn Knütter ihnen dabei eine Hilfe ist, sei allerdings dahingestellt. Nur am Rande werden die Vorwürfe des VS zurückgewiesen, hauptsächlich werden Gegenvorwürfe an den VS und an die Linke formuliert. Und weil „politische Interessen und antifaschistische Geschäftemacherei die Triebkraft der Hetze“ (S.29) seien, gelte es „nicht die Hetze zu widerlegen, sondern die Widerstandskraft und Unnachgiebigkeit der Angegriffenen zu stärken“ (ebda). Eine Verteidigung ist das nun wirklich nicht.Darüber hinaus bleibt das „Gutachten“ auch noch hinter den Mindestanforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit zurück. Quellen werden falsch zitiert, die Argumentation ist wenig schlüssig und der Sprachstil ist stellenweise doch sehr der Alltagssprache verbunden: „Also wenn Verbindungen ein schlechtes Bild in der Öffentlichkeit haben, muß man feststellen, daß sie zum großen Teil selbst schuld sind“ (S. 10), heißt es da etwa.Die Burschen scheinen trotzdem mit dem Gutachten zufrieden zu sein. Die Danubia präsentierte es auf ihrer Homepage, Burschen berufen sich darauf bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen und die Verbandszeitschrift „Burschenschaftliche Blätter“ (2/2002) ließ Knütter ausführlich in einem Interview zu Wort kommen. Das Interview führte dabei Bernd Kallina ein „Alter Herr“ der Danubia, Mitglied der NPD und ehemals Aktivist ihres StudentInnenablegers Nationaldemokratischer Hochschulbund (NHB), sowie Redakteur der Sendung „Hintergrund“ im Kölner „Deutschlandfunk“.