Offener Brief Bachelor/Master-Strukturvorgaben

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

nach unseren Informationen will die Kultusministerkonferenz auf Ihrer 302. Sitzung über „Ländergemeinsame Vorgaben gemäß § 9 Abs. 2 HRG sowie Strukturvorgaben für Bachelor- und Masterstudiengänge“ abstimmen.

Als studentische Mitglieder im Akkreditierungsrat wenden wir uns mit diesem Offenen Brief an Sie, da wir annehmen müssen, dass mit diesem Beschluss wesentliche Änderungen des deutschen Studiensystems ohne öffentliche Debatte vorgenommen werden, für Studierende zukünftig bedeutende Beschränkungen ihrer freien Studiengestaltung vorgesehen sind und unter dem Vorwand der Internationalisierung ein massiver Bildungsabbau vorangetrieben wird.

In einem uns vorliegenden Beschlussentwurf ist davon die Rede, dass zukünftig „der Bachelorabschluss als der erste berufsqualifizierende Abschluss den Regelabschluss des Studiums darstellt und damit für die Mehrzahl der Studierenden zu einer ersten Berufseinmündung führt“.

Weiter heißt es: „für nicht-konsekutive Studiengänge können Gebühren erhoben werden. Anspruch auf Ausbildungsförderung besteht nicht.“ Mit diesen Vorschlägen würde für die Mehrheit der deutschen Studierenden in Zukunft eine dreijährige Hochschulausbildung zur Regel.

Daneben würde die Durchlässigkeit zum höherqualifizierenden Masterabschluss nicht prinzipiell gewährleistet, sondern von Leistungskriterien, absehbar aber auch von finanziellen Gegenleistungen (Studiengebühren, Wegfall der Ausbildungsförderung) abhängig gemacht.

In diesem Zusammenhang erlauben wir uns daran zu erinnern, dass in der Debatte um die Einführung eines zweistufigen Studiensystems in Deutschland stets eine Zunahme der Möglichkeiten individueller und interdisziplinärer Studienwege sowie der studentischen Mobilität im Mittelpunkt der politischen Absichtserklärungen standen. Für eine Internationalisierung der Studiengänge in diesem Sinne sind unserer Auffassung jedoch Durchlässigkeit und Sozialverträglichkeit unverzichtbare Maßstäbe!

Daher wenden wir uns vehement dagegen, dass durch einen solchen Beschluss massiv in Studienmöglichkeiten von jetzigen und künftigen Studierenden eingegriffen wird, und meinen, dass Entscheidungen von der Tragweite der hier Anstehenden öffentlich vorbereitet und erst nach Anhörung der Betroffenen sowie nach einer öffentlichen Debatte getroffen werden dürfen.

Darüber hinaus möchten wir darauf aufmerksam machen, dass gerade die politisch gewollten interdisziplinären Studieninhalte und innovativen Studienkonzepte bei der Einführung von Bachelor- / Masterstudiengängen häufig ins Fortgeschrittenenstudium (Master) verlagert werden, welches durch den vorgesehenen Beschluss künftig nur noch einer Minderheit der Studierenden vorbehalten wäre; die vorliegende Beschlussvorlage wesentliche Elemente des deutschen Studiensystems (wie Persönlichkeitsbildung, große Selbstständigkeit von WissenschaftlerInnen und Studierenden, gemeinsame Arbeit von Lehrenden und Lernenden, Bildungsorientierung) leichtfertig gefährdet und den Schwerpunkt zugunsten von Verschulung und Ausbildung verschiebt; zu erwarten steht, dass anstelle wissenschaftlicher Kriterien die Marktorientierung der Studienangebote und wirtschaftliche Rentabilitätsüberlegungen der potentiellen AbsolventInnen die Ausgestaltung von Masterangeboten bestimmen werden; die Akzeptanz des Bachelorabschlusses auf dem Arbeitsmarkt bis heute völlig ungeklärt ist und daher ein Ausschluss der Mehrheit der Studierenden von einer weiterführenden Hochschulbildung nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss unverantwortlich gegenüber den AbsolventInnen ist; sich bis heute keineswegs gewährleisten lässt, dass alle deutschen Bachelorangebote berufsqualifizierend sind, weshalb ein Ausschluss vom (mittelbaren oder unmittelbaren) Weiterstudium in einem Masterangebot einen ebenfalls verantwortungslosen Eingriff in die freie Berufswahl und damit die freie Lebensgestaltung von Studierenden darstellt; schließlich die Einführung von Studiengebühren für fächerübergreifende Studien sowie der Wegfall der Ausbildungsförderung neue soziale Barrieren im deutschen Bildungssystem aufbauen.

Aus vorstehenden Gründen möchten wir Sie ermuntern, sich dafür einzusetzen, den Beschluss der o. g. Punkte zu verhindern. Sollten diese Wirklichkeit werden, würden deutsche Studierende stärker als heute schon Reformrisiko und mögliche Reformkosten der Harmonisierung des europäischen Hochschulraumes wie der Reformierung des deutschen Studiensystems aufgebürdet bekommen.

Sie davor zu warnen und ihnen von einem Studium in einem Bachelorstudiengang unter den dann gegebenen Bedingungen aufrichtig abzuraten, wäre die Pflicht jeder ernstgenommenen studentischen Interessenvertretung.

Mit freundlichen Grüßen
Falk Bretschneider und Sonja Staack