Bericht vom Bologna-Follow-Up Seminar in Athen 19.- 20.02.03

Die Sozialen Aspekte des Bologna-Prozesses

Die Ergebnisse können sich sehen lassen, ihre konkreten Auswirkungen sind, vorsichtig gesagt, zumindest unklar. Am 19. und 20. Februar fand, auf Einladung des Griechischen „Ministeriums für nationale Bildung und Religiöse Angelegenheiten“ (!) das Bologna Follow-Up Seminar unter dem Titel „Exploring the Social Dimensions of the European Higher Education Area“ statt. 138 TeilnehmerInnen aus ganz Europa diskutierten drei Hauptthemen und verabschiedeten ein Communiqué zu den Teilaspekten: Soziale Dimension des Bologna-Prozesses, Bildung als öffentliches Gut, und Bologna vs. GATS. Für den fzs nahm Heiner Fechner als einer von 36 Studierenden (davon 17 von ESIB, 6 als Teile nationaler Delegationen aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und Norwegen, 13 aus Griechenland) am Seminar teil.

Warum ein Seminar zu den sozialen Aspekten des Bologna-Prozesses?

Der Impuls für eine Berücksichtigung der sozialen Aspekte – insbesondere bezüglich Mobilität – im Bologna-Prozess, mit „Bildung als öffentlichem Gut“ und dem GATS kam in der Vorbereitung der Prag-Konferenz 2001 von ESIB. Er stieß allerdings bei einer großen Reihe von Ministerien auf offene Ohren – neben den nordischen Staaten war das v.a. Griechenland. In bezug auf das „Prague Communiqué“, die Erklärung der MinisterInnenkonferenz in Prag zwei Jahre nach Verabschiedung der Bologna-Deklaration, heißt es in der Einladung des griechischen Ministeriums:

„Relevance to the Bologna Process The relevance of the Seminar to the Bologna Process derives from the following three points appearing in the Prague Communiqué: First point: „Ministers also reaffirmed the need, recalled by students, to take account of the social dimension in the Bologna Process”. Second point: „Ministers supported the idea that higher education should be considered a public good and is and will remain a public responsibility (regulations etc.), and that students are full members of the higher education community”. Third point: „Ministers confirmed their commitment to pursue the removal of all obstacles to the free movement of students, teachers, researchers and administrative staff and emphasised the social dimension of mobility”.”

Die sozialen Aspekte zur Herstellung eines europäischen Hochschulraums hatten bislang keine Rolle gespielt – im Mittelpunkt der Diskussion standen (und stehen immer noch) Diploma Supplement, ECTS, zweistufige Studiengänge und Qualitätssicherung. Allerdings dürfte mittlerweile fast allen mit „Bologna“ Beschäftigten klar geworden sein, dass ohne Berücksichtigung und Ausgleich sozialer Unterschiede und Abbau sozialer Hürden ein europäischer Hochschulraum sowie eine maßgeblich größere europäische Mobilität kaum zu erreichen sein wird. Was das allerdings konkret heißen soll, welche Maßnahmen notwendig sind usw., war quasi allen Beteiligten bislang unklar (und ist es wohl auch weiterhin); selbst von studentischer Seite war bislang wenig konkretes zu hören. VSS-UNES aus der Schweiz und der fzs sind die einzigen mir bekannten Organisationen mit expliziten Positionen zu diesem Thema. Insofern war das Seminar in Athen als Auftaktveranstaltung für eine Diskussion der sozialpolitischen Dimension des Bologna-Prozesses zu verstehen. Ferner war vielen Beteiligten eine Positionierung im Hinblick auf das GATS und das Verständnis von Bildung als öffentlichem Gut sehr wichtig. Bei letzterem sind allerding bislang auch eher vage Vorstellungen die Regel gewesen.

OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen

Aus deutscher Perspektive nahezu unvorstellbar ist, dass das griechische Ministerium die organisatorische Planung und Finanzierung (mit Mitteln der EU-Kommission) übernahm, die inhaltliche Planung des Seminars jedoch weitestgehend in die Hände des europäischen studentischen Dachverbandes ESIB übertrug, quasi alle Vorschläge von ESIB übernahm. Allerdings ist auch klar, dass ESIB die Veranstaltung nicht zu einer „studentischen Veranstaltung“ machte, sondern bei den RednerInnen für ein der Einbeziehung veraschiedener Interessengruppen ausgewogenes Verhältnis sorgte – neben StudentInnen nahmen VertreterInnen der europäischen RektorInnenkonferenz (EUA), der EU-Kommission, des Europarates sowie ExpertInnen (z.B. Klaus Schnitzer von Hochschul Informationssysteme Hannover/HIS) an den Podiumsgesprächen und Workshopleitungen teil.

Am Seminar teil nahmen ca. 150 Personen, neben einer größeren Zahl von StudentInnen (größtenteils unmittalbar von ESIB Delegierte MandatsträgerInnen sowie griechische StudentInnen) VertreterInnen von Ministerien, RektorInnenkonferenzen sowie ExpertInnen. Aus Deutschland waren anwesend: als Delegierte: Birgit Galler (BMBF), Klaudia Knabel (DAAD), Dieter Schäferbarthold (DSW), Heiner Fechner (fzs), Birger Hendricks (KMK); von ESIB Bastian Baumann und Stefan Bienefeld; von der EUA Christian Tauch. Nicht nur bei ESIB sind derzeit extrem viele Leute aus D. aktiv, was teilweise ziemlich beängstigend ist…

Zum Ablauf

Das Seminar dauerte nur 1 ½ Tage. Im Mittelpunkt standen drei sog. Panel Discussions, die aber weniger Podiumsdiskussionen als vielmehr Vorträge mit anschließender Fragerunde waren. Nach den ersten beiden Panels fanden jeweils anschließend Workshops statt, um die Themen im kleineren Kreis mit allen TeilnehmerInnen zu diskutieren. Sowohl die zentralen auf dem Podium genannten Punkte – soweit sie auf keinen Widerstand stießen – als auch die Diskussionen in den Arbeitsgruppen fanden Eingang in die Abschlusserklärung und/oder den Gesamtbericht.

„Soziale Dimension und Hochschulbildung als öffentliches Gut“

Die ersten Vorträge drehten sich um das Thema „soziale Dimension des Bologna-Prozesses und Bildung als öffentliches Gut“. Auf dem Podium saßen Eric Froment (Präsident der European University Association), Soeren Norgaard, Generalsekretär von EURASHE (European Association of Institutions in Higher Education), Stefan Bienefeld, Chairperson von ESIB (The National Unions of Students in Europe), Sjur Bergan, Vorsitzender der Higher Education and Research Division des Europarates, und Andreas Karamanos von der griechischen RektorInnenkonferenz. Alle Vertreter waren sich einig, dass die sozialen Aspekte stärker betont und konkretisiert werden müssten; ansonsten standen deutlich mit eigenen Vorstellungen und Forderungen gefüllte Beiträge (z.B. Stefan, aber auch Norgaard und Karamanos) eher analytischen Beiträgen (insbes. Bergan, teilw. Froment) gegenüber. Ein paar aus meiner Sicht interessante Stichworte (die sicherlich nicht alle neu, teilweise aber zitierfähig sind):

Froment:

  • Legitimation und sachlicher Beitrag von Konzepten wie „KonsumentInnen (=StudentInnen)“, „Markt“ und „Kommerzialisierung“ muss diskutiert werden
  • die soziale Dimension darf nicht auf ökonomische Faktoren reduziert werden, aber ökonomische Faktoren müssen berücksichtigt werden
  • ein großer Verbesserungsbedarf besteht auch bzgl. Effizienz, Effektivität und Qualität der Hochschulbildung
  • zur sozialen Dimension gehört auch die Aufgabe der Hochschulen, kritisches Denken und geistige Offenheit der StudentInnen als Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaft zu fördern
  • bei Konkretisierung der „employability“ von HochschulabsolventInnen muss ein „sustainable employment“ berücksichtigt werden
  • Hochschulen müssen kontinuierlich dazu beitragen, auch soziale Vorstellungen an zukünftige Generationen weiterzugeben
  • es ist sehr wichtig, bei der Evaluierung von Hochschulen auch ihre Fähigkeit zu evaluieren, benachteiligte StudentInnen auszubilden
  • die europäischen Hochschulen sind bereit, für das öffentliche Gut zu arbeiten
  • die öffentliche Dimension sollte ein Charakteristikum des europäischen Hochschulraums sein und zur Vermeidung von „Marktregeln“ im Hochschulsektor beitragen
  • der höchstmögliche Zugang zu Hochschulbildung für junge Menschen sollte geschaffen werden; – lebenslanges Lernen kann Hochschulzugang für junge Menschen nicht ersetzen

Norgaard:

  • „democratic evolution and development“ sind der wichtigste Beitrag von Hochschulen für die Öffentlichkeit
  • öffentliche Hochschulen arbeiten teilweise als „for-profit“-Institutionen im internationalen Bereich
  • Studiengebühren verringern den Charakter von Hochschulbildung als „öffentlichem Gut“ – aber wo ist die „breaking line“; Thema mit „strong democratic impact“
  • freier Hochschulzugang ist wichtig, kann aber ohne zusätzliche öffentliche Mittel nicht gewährleistet werden
  • Studienberatung muss verbessert werden, um Zugang zu verbessern
  • kürzere Zyklen/Studiengänge dienen auch dazu, den Zugang zu verbessern
  • das Thema „Zugang für ethnische Minderheiten“ muss stärker ins Blickfeld geraten

Bienefeld:

  • Ost-West/Nord-Süd-Unterschiede führen zu ungleichen ökonomischen Voraussetzungen für StudentInnen und müssen ins Zentrum der Diskussion kommen
  • Ungleichheit von ProgrammstudentInnen und „free movers“ bei Mobilität ein großes Problem
  • Studiengebühren sind mit dem öffentlichen Charakter von Hochschulbildung nicht vereinbar und müssen, entsprechend dem von allen Bologna-Mitgliedsländern unterzeichneten „UN Covenant on Social, Economic and Cultural Rights“ reduziert bzw. abgeschafft werden
  • die „brain drain“ Problematik erordert vom Europäischen Hochschulraum Kooperation statt Wettbewerb; über finanzielle Kompensationen für den „Einkauf“ von hoch qualifizierten Arbeitskräften sollte intensiv nachgedacht werden
  • die Ausbildungsförderung muss in jedem Fall vollständig ab dem ersten Semester mitnehmbar sein und sollter unabhängig vom elterlichen Einkommen sein

Bergan:

  • die Vorstellung des „öffentlichen Gutes“ kann aus Sicht der ökonomischen Theorie oder als politisches Konzept diskutiert werden
  • als politisches Konzept sollte die Vorstellung des Öffentlichen Gutes v.a. auf die öffentliche Verantwortung für Hochschulbildung konkretisiert werden, welche konsensual besteht für: Studienstruktur, Vorhandensein einer Qualitätssicherung, Rahmen für „democratic governance“, Rahmen für akademische Autonomie, Rahmen für gleichen Zugang
  • es besteht kein öffentliches Monopol auf das Bereitstellen von HS-Bildung und die Definition von Wissen und Wahrheit, wobei allerdings einige Positionen als wissenschaftlich inakzeptabel benannt sein können (Stichwort Holocaustlüge)
  • nicht eindeutig ist die Position bei der öffentlichen Hochschulfinanzierung (wie viel muss der Staat beisteuern), Unterstützung von StudentInnen (wie viel, für wen, in welcher Form), Rolle von privater Finanzierung (Unternehmen und Individuen)
  • vor zu vereinfachenden Darstellungen ist explizit zu warnen
  • für ihn ist abschließend festzustellen: der Rahmen für Hochschulbildung ist allein von der Öffentlichkeit/dem Staat zu definieren; der Staat hat die Hauptverantwortlichkeit für die Herstellung von Chancengleichheit; der Staat hat eine wichtige Rolle beim Anbieten von Hochschulbildung und bei der Finanzierung

Karamanos:

  • für die Ökonomie gilt: öffentliches Gut ist etwas, wenn es (1) für alle verfügbar ist, (2) keinem Wettbewerb ausgesetzt ist, und (3) niemand davon ausgeschlossen wird. In allen drei Punkten ist dies, mit Einschränkungen, für Hochschulbildung nirgends auf der Welt der Fall. Als Gegenstück zum öffentlichen Gut wird die Ware (Commodity) betrachtet, für welche gilt, dass sie (1) für eine begrenzte Anzahl von Menschen verfügbar ist, und (2) Marktregeln unterliegt.
  • die ökonomische Theorie ist also wenig hilfreich, wenn man am Grundsatz des Charakters des öffentlichen Gutes von Bildung festhalten will.

In meiner Arbeitsgruppe wurde vor allem über Hochschulzugang diskutiert. Kernpunkte der Diskussion waren u.a., dass sich der Hochschulzugang nicht Hochschulsystem-immanent diskutieren lässt, sondern die Schulpolitik eine wesentliche Rolle spielt, dass man sich von der liberalen Vorstellung des „gleichen Zugangs“ lösen müsse, um einen verbesserten Zugang insbesondere für unterrepräsentierte Gruppen an die Hochschulen zu bekommen (z.B. durch gezielte Förderung und spezifische Zugangserleichterungen usw.), dass sich die Frage des Zugangs auch an den ökonomischen Realitäten orientieren müsse (Beispiel Türkei: 1,5 Mio. StudienbewerberInnen stehen 200.000 Studienplätze pro Jahr gegenüber; eine Verachtfachung der Ressourcen stellt sich ausgesprochen schwierig dar). In meinen Wortbeiträgen habe ich vor allem folgende Punkte betont: a) die Notwendigkeit des Abbaus von Studiengebühren im europäischen HS-Raum sowie die Verhinderung des Gebührenzuwachses, b) die Notwendigkeit der Erhöhung staatlicher Ressourcen für die Hochschulen zur Verbesserung des Zugangs und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen allgemein sowie zur Umsetzung europäischer Initiativen im besonderen; c) die Notwendigkeit einer verbesserten regelmäßigen qualitativen Analyse der sozialen Lage der StudentInnen, u.a. durch Maßnahmen wie einen Bologna-weiten, der Sozialerhebung vergleichbaren Euro-Student-Report und qualitative Systemvergleiche, um Ansatzpunkte für konkrete sozialpolitische Impulse und die Herstellung einer Vergleichbarkeit auf europäischer Ebene zu haben.

Generell blieben die Bemerkungen hier wie auch in anderen Bereichen überwiegend vage. Darüber hinaus kamen viele der TeilnehmerInnen nur schlecht gedanklich aus ihrem Hochschulsystem heraus auf die europäische Ebene, einige wollten immer nur die Vorzüge ihres Hochschulsystems oder aber die ökonomischen Probleme ihres Landes diskutieren.

Bologna und GATS

Auf dem zweiten Podium, welches sich mit dem Thema Hochschulbildung in den GATS-Verhandlungen beschäftigte, saßen Andrée Sursock, stellvertretende Generalsekretärin der EUA, James Cemmel, Mitglied des ESIB Committee on Commodification of Education and GATS, Per Nyborg, Vorsitzender des Europarat-Committee for Higher Education and Research, und Peter van der Hijden vom Direktorat Bildung und Kultur der EU-Kommission. Alle PodiantInnen waren sich einig, dass die EU beim GATS keine weiteren Verpflichtungen im Bildungsbereich mehr einnehmen dürfe und begrüßten das etwas vage Versprechen der EU-Kommission, keine Angebote im Bildungsbereich zu machen. Ebenso waren sie sich einig, dass voraussichtlich kaum Chancen bestehen, die bisher gemachten Zugeständnisse zurückzunehmen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass angesichts des rapiden Zuwachses von transnationalen Bildungsangeboten auch im Hochschulbereich dringend Alternativen mit zumindest dem GATS gleichwertigem Regelungscharakter eingeführt werden müssen, um den tatsächlichen Einfluss der WTO auf den Bildungsbereich zu minimieren.

Einige Stichworte aus der Diskussion:

Das GATS wird als Bedrohung für die Qualitätssicherung, den sozialen Charakter der Hochschulen (Zugang usw.) und die Regelungsautorität der Regierungen betrachtet. Das GATS wird generell vom Bologna-Prozess unterschieden, und zwar sowohl bzgl. der Methoden als auch der Ziele: während im Bologna-Prozess die unmittelbar mit dem Hochschulbereich befassten AkteurInnen (Bildungsministerien, Hochschulen und StudentInnen) an einem Tisch sitzen, sind mit dem GATS die Handels- und Wirtschaftsministerien befasst. Während es beim Bologna-Prozess einigermaßen klare Zielsetzungen im Bildungsbereich gibt, sind Richtung und Auswirkungen des GATS weitestgehend ungeklärt. Nyborg fasste es folgendermaßen: Das GATS basiert auf auf Wettbewerb, der Bologna-Prozess auf Kooperation.

Generell gilt für fast alle TeilnehmerInnen des Seminars, dass ein allgemeines Unbehagen mit dem GATS besteht, die Alternativen aber derzeit noch vage sind. Van der Hejden sieht Alternativen in einem Zusammenspiel von UNESCO, Lissabon-Abkommen zur Anerkennung von Studienleistungen usw., und dem Bologna-Prozess. Er sieht darüber hinaus eine weitgehende Übereinstimmung von Zielen und Maßnahmen der EU und des Bologna-Prozesses. Generell wurde gefordert, die Transparenz der GATS-Verhandlungen zu erhöhen, die Forschung über potentielle Auswirkungen auf den Hochschulbereich zu intensivieren, und ein klares Statement zum GATS im Berlin-Communiqué zu verankern.

Abbau von Mobilitätshemmnissen und die spezifische Rolle der Studierenden bei sozialen Aspekten

Auf dem letzten Podium saßen Bastian Bauman, für das ESIB-Bologna Process Committee, Lesley Wilson von der EUA, Klaus Schnitzer, HIS (Hochschul-Informations-System), als Projekt-Co-Manager des Euro Student 2000 Report, und die griechische Sokrates-Agentur-Leiterin Maria Kontogeorgi-Doxanaki. Schnitzer stellte den Euro-Student-Report vor (siehe fzs-homepage); zentrale Punkte, die er darüber hinaus nannte, sind:

  • es ist schwer, ein gemeinsames Rahmenwerk für den sozialen Bereich herzustellen
  • akademische und soziale Interessen können im Hochschulbereich zueinander im Widerspruch stehen
  • Hochschulen reproduzieren derzeit quasi überall den sozialen gesellschaftlichen Status und sind in hohem Maße resistent gegen soziale Interventionen
  • Hochschulbildung als öffentliches Gut kann nur verteidigt werden, wenn die Hochschulen mehr Gleichheit/Gerechtigkeit („equity”) produzieren

Aktionsfelder sind seiner Meinung nach:

  • Soziales/Campusleben: Warenhaus des Wissens oder Plätze des akademischen Lebens?
  • Berücksichtigung der Ressourcen für studentische Lebensgestaltung
  • Schaffen individueller Entwicklungskonzepte für die Menschen
  • inter-Generationen-Konzepte/Generationen-Solidarität
  • Familienkonzepte
  • equity und Diversität bei der Partizipation an Hochschulbildung
  • soziale Unterstützung

Bastian stellte insbesondere die bestehenden europäischen Defizite im Hochschulbereich, insbesondere bezogen auf Studiengebühren, heraus (seine Rede wird voraussichtlich in Kürze auf der fzs-Homepage zu sehen sein).

Leslie Wilson evaluierte insbesondere die derzeitige Mobilitätssituation und Schranken für Mobilität (sozial, finanziell, ökonomisch, rechtlich usw.) sowie die besonderen Probleme von nicht-EU-EuropäerInnen. Kontogeorgi referierte die soziale Zusammensetzung und Situation von Erasmus-Studierenden (eine entsprechende Studie ist auf den EU-Erasmus-Seiten zu finden: europa.eu.int/comm/education/evaluation/socrates_en.html ).

Ergebnisse des Seminars und Umgang mit den Ergebnissen

Die Ergebnisse sind im Teil „Dokumente und Materialien” abgedruckt, daher verzichte ich auf eine ausführliche Darstellung. Die Frage ist jedoch, wie gehen wir weiter mit den Ergebnissen um? Die Bologna-Deklaration ist kein Gesetz sondern eine generelle, nur moralisch verbindliche Willenserklärung. Die Seminarergebnisse sollen in die Bologna-Aktivitäten generell sowie in das Berlin-Communiqué im besonderen einfließen.

Aus meiner Sicht besteht unsere erste Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass diese Ergebnisse auch wirklich zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden sowie eine wesentliche Rolle dabei spielen, den Bologna-Prozess in Deutschalnd mitzuprägen. Dafür sind wir als StudentInnen und VertreterInnen selbst verantwortlich und sollten entsprechend versuchen, die Diskussion in Deutschland und Europa mit Hilfe dieser Ergebnisse zu prägen – und z.B. eine deutliche Referenz im Berlin-Communiqué einzufordern. Darüber hinaus müssen wir daran arbeiten, die Punkte, die aus unserer Sicht (zu) vage formuliert sind, mit Hilfe von Tagungen und Workshops zu konkretisieren.

Gesamtbewertung

Insgesamt gehen die Ergebnisse des Athen-Seminars weit über das erwartete und erwartbare hinaus. Trotzdem vieles vage geblieben ist, waren die Diskussionen und Vorträge tiefergehend als zunächst angenommen. Dafür, dass die soziale Dimension wie auch das GATS bislang nur von ESIB vorgebracht wurden, das im sozialen Bereich selbst nur vage Positionen hat, ist Athen aus meiner Sicht als Durchbruch zu betrachten und kann auch für Diskussionen in Deutschland sehr nützlich sein.

Ist es sinnvoll aus Sicht des fzs, an solchen Seminaren teilzunehmen? Aus meiner Sicht auf jeden Fall. Bislang hatten wir stets einen sehr beschränkten Zugang zu Informationen und kaum einen Überblick darüber, was wo diskutiert wird – das ändert sich derzeit rapide. Zweitens ist es in jedem Fall sinnvoll, dass nirgendwo unter Ausschluss von StudentInnen über studentische Belange diskutiert wird, da viele Beteiligte insbesondere aus Deutschland sich verpflichtet fühlen, studentische Belange viel stärker zu berücksichtigen und auf die StudentInnen zuzugehen. Drittens werden wir als fzs von den AkteurInnen immer stärker wahrgenommen und in verschiedene Prozesse einbezogen. Das kann natürlich nur begrenzt Selbstzweck sein und ist aus studentischer Perspektive erst dann wirklich hilfreich, wenn wir etwas zu sagen haben und die entsprechenden Informationen durchreichen, diskutieren und Positionen beschließen. Dass diese Positionen unsere Positionen sein müssen, die weder eine Anbiederung enthalten noch für den Papierkorb bestimmt sein sollten, sollte eigentlich klar sein. Viertens wurden wir insbesondere auf dem Athen-Seminar in vielen Fällen als Referenzpunkt gesehen und konnten, im Zusammenspiel mit anderen europäischen Verbänden, unsere Positionen in den Conclusions und im Gesamtbericht verankern.

Allerdings ist es höchste Zeit, die eigene Arbeit bzgl. der Analyse und Positionsbestimmung zu intensivieren, da unsere eigenen Positionen vielleicht in vielen Punkten bereits klarer formuliert sind als die anderer europäischer StudentInnenverbände, aber nichtsdestotrotz noch vielfach schwammig und unzureichend. Das kann allerdings nur gelingen, wenn die Arbeit vor Ort stärker in die fzs-Diskussion einfließt und die derzeit kaum sichtbare (sozial-)politische Arbeit der StudentInnenschaften stark intensiviert wird.

Die „Conclusions“ und der „General Report“ befinden sich auf www.bologna-berlin2003.de/