Mit der Agenda 2010 wird der neoliberale Umbau der Gesellschaft beschleunigt. Statt Bekämpfung der Arbeits-losigkeit steht massiver Druck auf Erwerbslose, statt Ausbau sozialer Sicherung steht Abbau auf der Tagesord-nung. Alternativen zur Standortpolitik seien nicht denkbar – heißt es. Doch Globalisierung ist kein Sachzwang, sondern ein politisch gesteuerter Prozess. Das europäische Projekt der Deregulierung der Sozialverfassungen und zunehmender öffentliche Verarmung steckt in der Sackgasse.
Es ist weder sozial, noch demokratisch, noch zukunftsweisend – das ist die Botschaft des Europäischen Aktionstages vom 3. April. Und die Botschaft des Per-spektivenkongresses vom 14.-16. Mai in Berlin lautet: Wir haben Alternativen für einen Politikwechsel. Die Umverteilung von Arbeit, Reichtum, Bildungs- und Lebenschancen eröffnet Perspektiven für eine andere Welt. Im Anschluss an die Debatten auf dem Perspektivenkongress schlagen wir vier inhaltliche Schwerpunkte vor, die eine Zuspitzung und Bündelung der politischen Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten ermöglichen.
1. Gegen Hartz IV – Alternativen der Beschäftigungspolitik
Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe drückt hunderttausende Erwerbslose in die Armut; die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen erhöht den Druck auf die (noch) Erwerbstätigen. Mit Mini-Jobs, Ich-Ags, Leiharbeit und der Ausweitung sonstiger prekärer Arbeitsverhältnisse wird der Arbeitsmarkt nach neoliberalen Grundsätzen umgepflügt.
Forderungen: Keine Verschlechterungen bei Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe. Arbeitslohn und Sozialeinkommen müssen eine eigenständige Lebensführung ermöglichen (Mindestlohn, Existenzgeld).Ausbildungsplätze für alle – Ausbildungsplatzabgabe. Die Priorität ist klar: Qualitatives Wachstum und ein brei-tes Angebot sozial-kultureller Dienstleistungen durch öffentliche Investitionen und aktive Arbeitsmarktpolitik ermöglichen eine entschiedene Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit.
2. Gegen Arbeitszeitverlängerung – Arbeit umverteilen
Arbeitszeitverlängerung ist als neoliberale Durchbruchstrategie konzipiert: mit der Forderung nach Wiederein-führung der 40-oder gar 42-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst und in industriellen Kernbereichen, mit der Forderung nach Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf bis zu 67 Jahre und mit dem Vorhaben der Abschaffung des Ladenschlussgesetzes. Arbeitszeitverlängerung ist Lohnsenkung und ordnet sich damit in die neoliberale Standortpolitik ein.
Forderungen: Arbeitszeitverkürzung sichert und schafft Arbeitsplätze. Die Arbeitszeitwünsche rangieren zwi-schen verkürzter Vollzeit- und erweiterter Teilzeitarbeit. Das ermöglicht auch eine Umverteilung von Arbeit zwischen den Geschlechtern. Mehr Zeitsouveränität ist das Ziel: dazu gehören Weiterbildungszeiten, Sabbati-cals, Arbeitszeitkonten, gleitende Übergänge in die dritte Lebensphase. Dazu bedarf es aber auch besserer Kon-troll- und Mitbestimmungsrechte. Und eines gesellschaftlichen Umfeldes, das Erwerbstätigkeit durch soziale Dienstleistungen im Erziehungs-, Schul- und Ausbildungssystem unterstützt.
3. Gegen Neoliberalismus – Ausbau globaler sozialer Rechte
Der Widerstand gegen die Politik des Neoliberalismus nimmt zu. Vor allem, weil die Zumutungen immer größer, die Versprechen (Arbeit, Wachstum, Individualität, Selbstbestimmung) jedoch nicht eingelöst werden. Doch zentrale neoliberale Legitimationsmuster wirken fort: Globalisierung, Standortkonkurrenz, zu hohe Lohnnebenkosten, Staatsverschuldung usw. Forderungen: Aufklärung durch ökonomische Alfabetisierung. Re-Regulierung des internationalen Kapitalverkehrs, der Devisen- und Finanzmärkte (Tobin Steuer, Schuldenstreichung für Entwicklungsländer). Begrenzung des Steuerwettbewerbs, Austrocknung von Steueroasen. Durchsetzung von internationalen Mindeststandards der Arbeits-, Entlohnungs- und Lebensbedingungen. Festlegung europäischer Mindeststeuersätze und sozialer Standards. Dazu könnte ein soziales Europa, orientiert an Beschäftigung, sozialer Sicherheit, hohen Umweltstandards und erweiterten demokratischen Rechten als Vorreiter dienen.
4. Gegen Privatisierungswahn – Erneuerung des Sozialstaates
Rentenkürzungen treiben Millionen in die Altersarmut. Privatisierungen im Gesundheitssystem (Ausgliederungen, Zuzahlungen, Krankenhausprivatisierung) führen zur Wiederherstellung einer Zwei-Klassen-Medizin. Trotz PISA wird die (Eliten)Privatisierung des Bildungssystems vorangetrieben. Die Versorgung mit Güter von allgemeinem Interesse wird prekär, weil der Verkauf von öffentlicher Infrastruktur (Stadtwerke, EVU, Bahn, Post, Sparkassen etc.) für das Stopfen von Haushaltslöchern herangezogen wird. Zudem wird Privatisierung mehr und mehr zum Instrument für Einkommenssenkungen und die Aushebelung von Arbeitnehmerrechten.
Forderungen: Einführung einer Bürgerversicherung, die alle Haushalte und alle Einkommen erfasst und die Finanzierung qualitativ hochwertiger Gesundheitsdienstleistungen sicherstellt. Die Altersrenten müssen den Lebensstandard sichern und armutsresistent sein – auch dazu kann eine Bürgerversicherung zusammen mit aus-reichenden Bundeszuschüssen und betrieblicher Altersversorgung dienen. Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme und deren Ergänzung durch eine Wertschöpfungssteuer.
Keine Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wie GATTS es vorsieht. Finanzierung hochwertiger Bildung für alle durch ein solidarisches Steuersystem und ohne Studiengebühren. Die Versorgung mit Gütern in allgemeinem Interesse erfordert mehr öffentliche Investitionen und damit eine Stärkung der Kommunen. Die vorgeschlagenen Schwerpunktforderungen sind bezahlbar: durch eine einprozentige Vermögenssteuer, eine zeitnahe Erbschaft- und Schenkungssteuer, die Einschränkung des Ehegattensplitting, einen Spitzensteuersatz von mind. 45%, eine Gemeindewirtschaftsteuer und die Bekämpfung der Steuerhinterziehung., wie es das vorliegende Konzept einer solidarischen Einfachsteuer vorsieht.
Als nächste Schritte schlagen wir vor: Gründung möglichst vieler lokaler, regionaler sozialer Bündnisse/Sozialforen Gemeinsame, dezentrale Ak-tionstage rund um Buß- und Bettag (17. November), Sozialforum in Deutschland 2005. Im Rahmen der gemeinsamen Aktionstage sollen folgende Ideen verfolgt werden: Den Protest zu den Verantwortlichen vor Ort tragen (z.B. in Partei- und Abgeordnetenbüros, zu Arbeits- und Finanzämtern, Rathäusern, etc.) Betriebliche Aktionen Innovative Formen des sozialen Protests wie öf-fentliche ökonomische Alphabetisierung, Suppenküchen, Formen der Wiederaneignung.