Falsch verbunden

Meist tragen ihre Werber seltsame Bänder über der Brust und entsprechende Mützen, sind adrett gekleidet und bewerben Vereine mit latinisierten Namen, etwa Teutonia. Bei den meisten StudentInnen sind diese Verbindungen verschrien als versoffene, rückwärtsgewandte und irgendwie komische Männerhorden aus der Mottenkiste des Fremdenverkehrsamtes von Heidelberg, die sich zudem gegenseitig mit Säbeln unvorteilhafte Narben ins Gesicht schlagen und darauf auch noch stolz sind. Was hat es also auf sich mit den Männern, die dich angetan mit seltsamen Schärpen und Mützen zur Party oder sogar zum Wohnen „auf“ ihr Haus einladen und dir mal eben so im Vorbeigehen lebenslange Freundschaft versprechen?

KOMISCHE FREUNDE Die „Freundschaft“ hat einen sehr funktionellen Hintergrund – und deutliche Schattenseiten. Im ihrem Mantel kommt ein Kollektivgedanke daher, der die Interessen der nach bestimmten Kriterien zusammengesetzten Gruppe über die des Einzelnen stellt – und Abweichler müssen Demütigungen und manchmal sogar schweren Sanktionen vom Zwangssaufen über Redeverbot bis hin zum eingesperrt werden in Kauf nehmen. Verschiedene in Verbindungskreisen übliche Bräuche dienen dazu, eine verbindungsinterne Hierarchie zu zementieren, an deren Spitze die Alten Herren, darunter die aktiven studentischen Mitglieder („Aktivitas“) und ganz unten die Neuanwärter („Füxe“) stehen. So dienen Trinkrituale beispielsweise dem Zweck, den Rangniederen ihre mangelnde Standhaftigkeit vor Augen führen – alkoholische Getränke in großen Mengen zu vertragen ist mithin ein Zeichen für Männlichkeit.

Der gemeinsame Drogenkonsum ist als Belastungsprobe angelegt. Das Einüben von Hierarchien ist zentraler Inhalt vieler solcher Bräuche und Rituale. Doch was bringt eine so geartete Sozialisation mit der beruflichen Protektion der Alten Herren wirklich? Es erscheint fragwürdig, ob ein System, das Elitegedanken, Führen und Gehorchen, Herrschaft und Unterordnung propagiert, tatsächlich einen gangbaren Weg in die heutige Arbeitswelt bahnen kann: Flachere Hierarchien in Betrieben, Teamfähigkeit, Flexibilität und soziale Kompetenz sind in der Wirtschaft Maßstäbe, die den in Verbindungen gepflegten Idealen diametral entgegenstehen. Die Großfabrik, an deren Spitze ein allmächtiger Boss steht befindet sich auf dem Rückzug als Arbeitsplatz für AbsolventInnen.

EIN FRAGWÜRDIGER SPAß Wer wird eigentlich in eine Verbindung aufgenommen? Nicht willkommen sind nach wie vor in über 90% der Fälle Frauen als Mitglieder: Vielmehr werden sie gerne als hübsch anzusehendes, als „Damen“ tituliertes „Beiwerk“ auf Verbindungshäusern gesehen – mit eindeutigen Absichten. Das Gros der Verbindungen versteht sich traditionell als „Männerbünde“, in denen bestimmte Vorstellungen von „Männlichkeit“ wie Härte, Wehrhaftigkeit, Unterordnung unter die Gemeinschaft vermittelt werden. Eine auf das männliche ausgerichtete Weltordnung wird propagiert, und alles weibliche, worunter auch schwache Männer fallen, als Makel gewertet. So nimmt ein großer Teil der Verbindungen keine Wehrdienstverweigerer auf, da diese ihr Vaterland nicht zu verteidigen bereit seien. Wehrhaftigkeit ist vor allem bei sogenannten „schlagenden“ Verbindungen ein wichtiger Aspekt: Das dort betriebene verzichtet im Gegensatz zum Sportfechten auf den größtmöglichen Schutz, und Narben im Gesicht werden als vorzeigbarer Beweis gewertet, daß man gewillt und in der Lage ist, im wörtlichen Sinne den Kopf für die Verbindung, das Vaterland oder was auch immer, hinzuhalten. Das „Vaterland“ bildet einen zentralen Bestandteil des verbindungsstudentischen Wertekanons und findet sich in der Trias „Ehre – Freiheit – Vaterland“ im Motto des zweitgrößten und einflußreichsten Dachverbandes DB (Deutsche Burschenschaft). Tatsächlich wird der Begriff „Vaterland“ von verschiedenen Verbindungen unterschiedlich interpretiert – von „Verfassungspatriotismus“ bis zu großdeutschen Vorstellungen ist hier das gesamte Spektrum national-konservativer bis völkisch-nationalistischer Ansichten vertreten. Es verwundert indes kaum, daß „Ausländer“ in einem Großteil der Verbindungen nicht aufgenommen werden.

HOCHACHTUNG FÜR NAZIS Für Jungnazis und generell Rechtsextreme sind Verbindungen natürlich attraktiv: Klare Hierarchien, klare Geschlechterrollen, Akzeptanz für rechte Parolen, männerbündische Geselligkeit mit viel Bier – den meisten Jungnazis gefällt sowas. Kein Wunder, dass Verbindungen ein Tummelplatz für Ultrarechte sind, die in einigen Verbindungen und Dachverbänden sogar hegemonial sind. Als Musterbeispiel dafür gelten die in der DB zusammengeschlossenen Burschenschaften. Seit Jahren wird dieser Verband dominiert von der Verbandsströmung Burschenschaftliche Gemeinschaft, die eindeutig der extremen Rechten zuzuordnen ist und keinerlei Abgrenzung zu gewalttätigen und terroristischen Neonazis erkennen lassen. Bekannteste Beispiele sind die Danubia München, die neonazistische Straftäter in ihrem Verbindungshaus versteckten oder die in Aachen ansässige Libertas Brünn, die zeitweilig den zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilten Naziterroristen Markus Kahlenborn zu ihren Mitgliedern zählte – was die anderen Burschenschaften nicht davon abhielt, die Aachener Liberten als vorsitzende Burschenschaft an die Spitze des Verbandes zu wählen. Kein Wunder, dass das NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme“ ihre jugendliche Leserschaft dazu aufrief, in DB-Burschenschaften einzutreten und dabei glaubwürdig versprechen konnte, in jeder Universitätsstadt lasse sich eine geeignete Burschenschaft finden. Erwünscht ist die allzu offenkundige Nähe zu gewaltbereiten Neonazis bei den meisten Rechten und Ultrarechten im Verbindungswesen nicht. Denn die vorrangige Strategie besteht darin, unauffällig zu studieren, abgeschottet in den Verbindungshäusern rechtsgerichtete Fortbildung“, meist in Form von Vortragsveranstaltungen, zu betreiben, in der Seilschaft Karriere zu machen und aus einer Machtposition gegen die Feinde Deutschlands“ vorzugehen. Warum sollte jemand auch handgreiflich gegen ImmigrantInnen oder linke Zecken“ vorgehen, der auch als Staatsanwalt oder Vorgesetzter im Betrieb in dieser Hinsicht wirken kann? National gesinnte Menschen in führende Berufe entsenden“ hat der ehemalige Innenminister und Corpsstudent Manfred Kanther das einmal genannt.Doch obwohl offen vorgeführter Neonazismus der von Kanther formulierten Strategie eher widerspricht, distanzieren sich weder die unauffällig-ultrarechten Verbindungen noch die eher liberal ausgerichteten von der peinlichen Verwandtschaft“ exponiert neonazistischer Verbindungen.: Danuben, Liberten und Co. bleiben eingebunden in die formellen und geselligen Strukturen der Verbindungslandschaft. Sowohl auf lokaler Ebene als auch bundesweit sind Verbindungen in zahlreichen Koordinationsgremien verbunden und pflegen auch soziale Kontakte. Auch der liberale Verbinder, der betont, auch ausländische“ Freunde zu haben und die Grünen zu wählen sitzt dann mit dem Naziterroristen beim Kommers“ und prostet ihm freundlich oder pflichtgemäß zu: Gestatte mir Hochachtungsschluck“.

SOLIDARISCH STUDIEREN: ELITE FÜR ALLE Verbindungen waren die ersten Formen studentischen Gemeinschaftslebens. Mittlerweile sind sie überholt: Heute gibt es die verfaßte StudentInnenschaft,die mit der Interessenvertretung aller Studis betraut ist, und zwar unabhängig von Geschlecht, Nationalität oder Religion. Auch an eurer Uni gibt es Projekte, Referate, Fachschaften oder Initiativen, in denen mensch zusammen lernen, Spaß haben, Politik machen, Sport treiben und fast jeder anderen Freizeitbetätigung nachgehen kann – ganz unverbindlich und offen für alle.