Aufruf zum 20. Juli

Sie nehmen Bezug auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.6.04, mit dem am 26.6.04 eine Demonstration von etwa 220 Neonazis der NPD und der „Freien Kameradschaften NRW“ durch ein auch von vielen ausländischen Mitmenschen bewohntes Bochumer Viertel möglich wurde. (Weitere Informationen siehe www.bo-alternativ.de) Der Aufruf wird vom fzs unterstützt.

Nie wieder Auschwitz: Gegen die antisemitische Provokation von Bochum, Gegen den Richterspruch aus Karlsruhe zugunsten der Nazis

Für das Widerstandsrecht und die Verfassung. Erstmals seit 1945 wurde es in einer deutschen Großstadt möglich, dass Nazis mit einer antijüdischen pogromhetzerischen Zusammenrottung gegen die Existenz einer Synagoge aufmarschierten, rassistische Losungen brüllten. Der Hinweis von Antifaschisten auf die mörderische Kontinuität der Aufmarschierenden von Bochum wurde von diesen mit „Dank für das Kompliment“ beantwortet. Wir Opfer des Faschismus, Überlebende des Holocausts und Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand und ihre Angehörigen sehen uns angesichts dieser bisher einmaligen, von höchsten Richtern gebilligten ungeheuerlichen Provokation erneut in der Verantwortung. Gerade weil wir für die Einhaltung und Erhaltung des Grundgesetzes eintreten, können wir nicht hinnehmen, dass wieder deutsche Juristen, in einer schrecklichen Tradition stehend, diesen antisemitischen Aufmarsch zum Ausdruck der Meinungsfreiheit umfälschen.

Wenige Tage vor dem 20. Juli, der als 60. Jahrestag des deutschen Widerstandes begangen wird, rufen wir auf: Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinungsäußerungen – sie sind Verbrechen. Jeder und jede ist zum Widerstand dagegen aufgerufen. Die Befolgung von Befehlen und Richtersprüchen, die faktisch Förderung von Antisemitismus und Faschismus darstellen, ist nicht mit dem Grundgesetz, mit der Menschenwürde (Artikel 1) und dem Recht auf Widerstand (Artikel 20) vereinbar.

Wir rufen dazu auf, am 20. Juli überall für den antifaschistischen Widerstand, gegen den Antisemitismus zu demonstrieren, und zwar insbesondere mit Aktionen vor dem Bochumer Polizeipräsidium und dem Sitz des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe. Zur Person: Peter Gingold hat am Widerstand in Deutschland, Frankreich und Italien teilgenommen. Es gelang ihm die Flucht aus der Gestapo-Hölle. Fast seine gesamte Familie wurde Opfer des Holocausts. Mit ihm initiiert seine Tochter Alice diesen Aufruf, die als Kind, versteckt bei Freunden, gerettet wurden. Als vor fünf Jahren deutsche Flugzeuge wieder jugoslawische Orte bombardierten, da wurde dies von der Bundesregierung mit der notwendigen Konsequenz aus Auschwitz begründet. Peter Gingold und andere Opfer des Faschismus, Überlebende des Holocausts und Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand verurteilten mit einer weltweit beachteten Erklärung diese neue Art der Auschwitzlüge. Jetzt, alarmiert von den Ereignissen von Bochum, äußern sie sich erneut.