Huch, es weihnachtet sehr und ich darf mir was wünschen. Am besten was ganz Tolles, wie den Weltfrieden, oder eine qualitative Studienreform.
Beginnen wir doch vielleicht zunächst schlicht mit der Beseitigung antiegalitärer Tendenzen, und damit der Gabentisch nachher nicht unter der Geschenkelast zusammenbricht, erstmal nur an den Hochschulen (Weltfrieden kann mensch sich ja immer noch wünschen, vielleicht zu Ostern).
Mag auch der Leiter des Centrums für Hochschulentwicklung entfernt an den Weihnachtsmann erinnern, richte ich meinen Wunschzettel dennoch nicht direkt an die Bertelsmann-Stiftung (für die sieht ein ordentlicher Weihnachtssegen ohnehin anders aus), sondern an die VertreterInnen der Hochschulleitungen sowie der StudentInnenschaften.
Zunächst aber mal etwas weihnachtliche Harmonie verbreiten. Das Bildungsministerium übertrifft sich momentan selbst mit guten bildungspolitischen Vorschlägen. Nicht nur haben Edelgard & Co. das Monopol in der politischen Landschaft gepachtet, wenn es um Ablehnung von Studiengebühren und den Erhalt der Verfassten StudentInnenschaften geht (mit Ausnahme einiger marginaler Stimmen wie denen der Studierenden), jetzt wird auch noch die Auslese von SchülerInnen nach der 4. Klasse durch das dreigliedrige Schulsystem ins Visier genommen. Nicht mehr lange, und Frau Bulmahn lässt sich in einen Ausschuss des fzs kooptieren.
Doch halt. Das kritische StudierendenvertreterInnenherz findet doch immer Anlass zum Nörgeln, jährt sich auch die Geburt des Herrn. Die Zukunft unserer Bildung stellt sich der fzs doch ein wenig anders vor als die GenossInnen aus den Regierungsparteien.
So sind Bulmahns Reaktionen auf das schlechte PISA-Ergebnis nicht als Absage an den Auslesegedanken zu verstehen, nicht nur wegen der beschlossenen Langzeitförderung deutscher Möchtegern-Harvards. Denn Selektion wurde von sozialdemokratischen PolitikerInnen Anfang des Jahres neu entdeckt und salonfähig gemacht: Die SPD „enttabuisierte“ die Idee der „Elite“ und weichte damit grundsätzlicher als bislang ihr altes Gleichheitsideal auf.
Der aktuelle politische Zeitgeist begünstigt solche Verdrehungen. Wer sich eine Gesellschaft von einzelnen WettbewerbsteilnehmerInnen herbeisehnt, verliert notwendigerweise soziale Kohärenz aus den Augen. Der Schritt zum Eintreten für Elitenförderung nicht nur als einem notwendigen Übel, sondern als etwas gesellschaftlich grundsätzlich Richtigem, ist da nur ein sehr kleiner. Gerade an Hochschulen, den traditionellen Ausbildungsstätten der Funktionseliten, ist der rauhe Wind neoliberalen Denkens spürbar und hat sich in vielfacher Hinsicht manifestiert.
Klassische Eliteschmieden
An die Hochschulen gelangt bekanntlich ohnehin nur eine feine Auswahl – die meisten SchülerInnen wurden wie erwähnt bereits nach dem 4. Schuljahr ausgesiebt.
Wer es doch bis zur Hochschulreife und einem Studium gebracht hat, darf sich auf einen verstärkten Wettbewerb freuen. Ausleseprozesse an den Hochschulen verlaufen nach verschiedenen Mustern. Ältester Typ der Elitenfortpflanzung an deutschen Universitäten (Fachhochschulen bleiben bis auf wenige Ausnahmen noch verschont) sind die Korporationen, in deren überwiegendem Teil nach wie vor Charakterbildung zum akademischen Habitus altdeutsch-männlicher Prägung stattfindet. Immer noch sitzen Alte Herren an einflußreichen Positionen in Wirtschaft, Politik, und Gesellschaft.
Die Attraktivität der Verbindungen bei den Studierenden bleibt ungebrochen: Den Studienanfängern werden weiterhin preiswerter Wohnraum und gesellige Aktivitäten geboten. Verbindungen sind vor allem zu Semesteranfang gut sichtbar auf dem Campus präsent. Die Nachwuchsrekrutierung funktioniert üblicherweise ähnlich wie bei Sekten- harmlose Empfänge dienen der Vernebelung der radikal-patriarchalen Ideologie. Die Selbstdarstellung als eigentlich nette, ideologieferne, vielleicht etwas verschrobene Männer-WGs gelingt allzu oft.
Es bedarf weiterhin aufklärerischer Veranstaltungen, Flugblätter und Tutorien zum Semesteranfang, die nicht nur vor Verbindungen warnen, sondern deren Existenz zum Anlass nehmen, Diskussionen über Lebensentwürfe, Gleichberechtigung sowie ein selbstbestimmtes Studium in einer demokratischen Hochschule in einer eben solchen Gesellschaft anzuregen.
Antidemokratische Hochschul- und Studienreform
Die Ordinarienuniversitäten, in deren Nähe die Verbindungen einst das Licht der Welt erblickten, sind längst nicht mehr. Die in den 70er Jahren halbherzig eingeführten Ansätze von Hochschuldemokratie werden hingegen endgültig durch schlanke Top-down-Management-Strukturen verdrängt.
In einer Hochschule, die sich wieder stärker auf die Ausbildung einer elitären AbsolventInnenliga konzentriert, finden sich Verbindungen und andere antiegalitäre Strömungen problemlos zurecht. Sicherlich unterscheidet sich das traditionelle Deutschtümeln vieler Verbindungen ideologisch von moderner Standortpolitik, wenn auch beides ohne Weiteres anknüpffähig für einander ist und sich keinesfalls ausschließt. Demokratie, glaubt man den Hochschulreformern, steht dem Funktionieren der Bildungseinrichtungen entgegen und stört somit deren reibungsfreien Ablauf.
Nicht nur bei den Verbindungen glauben die Alten zu wissen, was für die Jungen am Besten ist. Nicht nur bei Verbindungen sind die Alten (fast) alle Männer.Und die Studierenden?Interessant ist die Frage, wie sich die Rolle der Studierenden im Zuge der Hochschul- und Studienreformprozesse entwickelt hat. Hierzu existieren vor allem quantitative Studien, nach Veränderungen der politischen Orientierungen der Studierenden fragen nur wenige.
Allgemein befördert die Ökonomisierung der Hochschulsphäre die Studierendenrolle als KonsumentInnen anstelle gleichberechtigter PartnerInnen in Wissenschafts- und Forschungsprozessen. An die Stelle eigenständigen Handelns als politische Subjekte tritt die VerbraucherInnensouveränität, die allerdings nur in festen Kanälen die KundInnen dazu berechtigt, vereinbarte Leistungen einzufordern sowie finanziellen Druck auf die Einrichtung bestimmter Studiengänge oder Ausstattung auszuüben, und zwar keinesfalls auf Augenhöhe oder gar in einem kooperativen Prozess mit den Anbietern der Lehrinhalte. Nicht ohne Grund vermissen bereits heute zwei Drittel der Studierenden eine Förderung von Autonomie und Kritikfähigkeit im Studium, was neben dem Entwickeln eigener Interessenschwerpunkte auch Kritik an Lehrmeinungen einschließt.
Wo Erziehung zur Mündigkeit ausbleibt, wird an politische Mitbestimmung oft gar nicht mehr gedacht. Oft fällt daher der Weg zu einer Karrierreinitiative wie Bonding oder Market Team leichter als das Engagement in hochschulpolitischen Gruppierungen und Gremien.
Elitärer werdende Bildungseinrichtungen, die verstärkt auf optimalen Input und Output an Humankapital achten, üben einen erhöhten Anpassungsdruck auf Studierende aus, die eigens aussortiert, bzw. in metaphysisch anmutender Manier „auserwählt“ wurden und sich der Hochschule gegenüber stärker verpflichtet fühlen.
Ermutigung zu politischem Handeln!
Was wären also meine Weihnachtswünsche? Schluss mit elitären Gesellschaftsentwürfen- hin zum solidarischen Leben und Lernen für alle Menschen!
Grundsatzkritik an Elitegefasel und neoliberal motivierter Reformen ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Denn wo lässt sich überhaupt noch sinnvoll intervenieren? Eine Klimaveränderung muss her. Dafür brauchen wie zunächst langfristige Strategien, wie die Hochschule als politischer Raum wiederbelebt werden kann. Hier wären eigentlich die Hochschulleitungen gefordert, die der Ruf nach studentischer Mitbestimmung endlich gerecht werden müssten. Doch wer glaubt, in dieser Hinsicht auf offene Ohren zu stoßen, glaubt wahrscheinlich auch noch an den Weihnachtsmann. Von den Rektoraten (und Dekanaten) ist heutzutage nicht allzu viel zu erwarten.
Bliebe noch die studentische „Basis“! Studierende gelten nach wie vor als politisch interessiert. Selber aktiv werden sie aber in größerer Zahl nur punktuell in Streiks und Protesten, und diese ziehen meistens nur die jüngeren Semester auf die Straße. Aber wozu gibt es die Studierendenvertretungen? Um selbst wieder sichtbarer zu werden, müßte es ein zentrales Anliegen von ASten, USten, StuRae und allen anderen demokratischen Kräften werden, dem Klischeebild der politisch inaktiven Studierenden nachhaltig entgegenzuarbeiten. Studierende sind bereits vollwertige Mitglieder der Gesellschaft – viele glauben nur noch nicht so recht daran.
Die Vertretungen müssen den Kontakt zu den Studierenden suchen und dabei geeignete Wege der politischen Kommunikation finden. Sie müssen beweisen, dass sie nicht nur für Menschen da sind, die den ganzen Tag studieren (anstatt zu arbeiten oder Kinder zu hüten), ein ausgeprägtes Interesse an Verwaltung oder besondere Vorlieben für politische Verfahrensweisen haben. Leute immer nur mit Flugblättern anzusprechen, die sowieso niemand liest, oder durch inhaltliche Veranstaltungen, die kaum jemand besucht, macht weder Spass noch Sinn. Warum z.B. keine linken „Märkte der Möglichkeiten“? Warum nicht mehr Kampagnen? Warum die öffentliche/kulturelle Sphäre den kommerziellen Plakaten und Events überlassen? Warum nicht mehr in Bündnissen agieren, und das auch nach außen zeigen, wenn ohnehin schon das politische Mandat hoch gehalten wird? Dann würde vieleicht nicht mehr der Eindruck entstehen, die Studierendenvertretungen lebten in ihrer eigenen Welt.
Hohschulpolitische „Heiße Weihnachten“ sind ein Schritt in diese Richtung. Ich wünsche uns allen ein frohes Fest und einen guten Rutsch in ein bewegtes neues Jahr!
Weitere Weihnachtswünsche unter: www.kein-spiel-mit-bildung.de
Eigene Wünsche?Bitte per Mail an