Der Ausfallfonds als Allheilmittel der sozialen Gerechtigkeit von Studiengebühren?

(fzs) Drei Bundesländer haben in den letzten Wochen sehr konkrete Modelle von Studiengebühren auf den Tisch gelegt. So verschieden die Detailregelungen aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg auch sein mögen, sie haben einiges gemeinsam. In allen drei Ländern soll ein Ausfallfonds eventuelle Zahlungsausfälle auffangen und im Falle eines Gebührenerlasses oder der Zahlungsunfähigkeit den finanziellen Ausfall für die Hochschulen kompensieren. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage der Finanzierung diese Fonds. Die Höhe der notwendigen Einnahmen ist schwer prognostizierbar, klar ist aber in allen Fällen, wer für diese Gelder aufkommen soll: Die Hochschulen zahlen eine Umlage, über diese soll der Ausfall finanziert werden.

Dem Vernehmen nach sollen in Nordrhein-Westfalen 23% der Einnahmen aus den Studiegebühren in den Ausfallfonds fließen, in Niedersachsen rechnet man mit lediglich 6% der Einnahmen als Umlage zur Finanzierung des Fonds. Dagegen ist die Umlage in Baden-Württemberg nicht festgelegt und soll jedes Jahr nach Bedarf neu berechnet werden. Fest steht, dass die Höhe des jeweiligen Ausfallbetrages vor allem davon abhängt, wieviele Gebühren durch den Fonds aufgefangen werden müssen. Damit stecken die Hochschulen einen nicht unerheblichen Teil der Gebühreneinnahmen wieder in einen Ausfallfonds, der erst durch die Einführung der Gebühren entstehen muss. Die Studiengebühren, die auf der einen Seite eine große Abschreckungswirkung für die Studierenden mit sich bringen, werden nun zur Unterhaltung einer Bürokratie verwandt, die ohne sie völlig überflüssig wäre. In Baden-Württemberg sind gleich mehrere Organe zur Verwaltung des Fonds eingeplant und wollen finanziert werden. Die Fonds sollen nicht nur für einzelne Härtefälle einspringen, sondern auch Ausfälle tragen, die entstehen, wenn Darlehen nicht zurückgezahlt werden können. Dadurch fangen die Fonds nicht nur eventuelle Gebührenausfälle auf, auch die Zinsen, die aus den Darlehen entstehen, werden so an die jeweiligen Kreditgeber gezahlt.

Durch die vorgesehenen Ausfallsregelungen kann die soziale Selektivität der Einführung von allgemeinen Studiengebühren in keiner Weise verhindert werden. Die vorgesehenen Härtefälle, in denen die Gebühren erlassen werden können sind in vielerlei Hinsicht sehr lückenhaft. Insbesondere in den Fällen, in denen die Hochschule über Härtefälle entscheidet, entsteht aus der Konstruktion der vorgesehenen Ausfallfonds eine schwierige Situation für die Hochschule. Im Beispiel Nordrhein-Westfalen zahlen die Hochschulen einen Teil der Gebühren für diesen Fonds. Auf der anderen Seite entscheiden die Hochschulen auch, welche Härtefälle und Ausnahmen von den Gebühren sie an ihrer Hochschule gelten lassen wollen. Nun ist es aus finanzieller Sicht für die Hochschulen natürlich attraktiv, möglichst wenigen Studierenden die Möglichkeit des Gebührenerlasses einzuräumen, denn das wird sich zeitnah auf die zu zahlende Umlage für den Ausfallfonds auswirken. Von daher werden die Regelungen der Härtefälle in den meisten Fällen dem finanzielle Druck zum Opfer fallen und recht dünn gesät sein. Die soziale Selektion durch Studiengebühren wird so weiter vorangetrieben.

Was auch durch einen Ausfallsfonds nicht aufgefangen werden kann, ist die Angst vieler Studierender, sich zu verschulden. Nach wie vor zeigen verschiedene Untersuchungen, dass gerade Studierende aus finanzschwachen Familien eine Verschuldung scheuen. Der Ausfallfonds soll diejenigen Ausfälle auf alle Hochschulen umlegen, die schon aus juristischen Gründen als Härte- und Sonderfälle behandelt werden müssen (Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Finanzierungsgerechtigkeit im Hochschulwesen (HFGG) NRW, Teil B: Begründung, Zu § 8.). Dazu zählen insbesondere Krankheit und Behinderung, Kindererziehung oder Urlaubszeiten während des Studiums. Der Fonds kann schon durch seine Anlage nicht dazu dienen, die Verschuldung zu mindern und aufzufangen, sondern ist allefalls ein Feigenblatt, welches sich in der politischen Diskussion recht gut verkaufen lässt.

Durch die Finanzierung des Fonds durch die Hochschulen haben diese also ein besonderes Interesse, die Kosten für den Fonds möglichst gering zu halten. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten. In erster Linie hat die Hochschule natürlich einen eigenen Wirkungskreis, der unterschiedlich hoch ist. Härtefallanträge werden in den vorgesehenen Modellen durch die Hochschule bearbeitet, in NRW können die Hochschulen die Härtefälle zu einem Teil selber bestimmen. Aber nicht nur Härtefälle sollen durch den Fonds abgedeckt werden, sondern auch Ausfälle bei der Rückzahlung der vorgesehenen Darlehen. Und hier beginnt eine andere hochschulpolitische Entwicklung spannend zu werden: Die Hochschulen können sich zur Zeit einen recht großen Teil der Studierenden in den bundesweiten ZVS-Fächern selber aussuchen. Neben recht harten, eindeutigen Kriterien wie einer Note des Abiturzeugnisses möchten viele Hochschulen in Zukunft jedoch auch Auswahltests und Bewerbungsgespräche als Grundlage für die Auswahl der Studierenden heranziehen. Spätestens mit der Einführung von allgemeinen Studiengebühren und der Einrichtung eines durch die Hochschulen finanzierten Ausfallfonds steigt das Interesse der Hochschulen an der finanziellen Leistungsfähigkeit ihrer Studierenden enorm. Warum sollte eine Hochschule auch einen Studierenden aufnehmen wollen, der BAföG bezieht und durch die Deckelung der Verschuldung von BAföG-Schulden und Studiengebühren eine nicht unerhebliche Summe des Ausfallfonds in Anspruch nehmen wird? Bei der Betrachtung der Ausfallfonds stellen sich Fragen über Fragen und zeigen sich Probleme, auf die bisher noch keine Antwort gegeben worden ist. Vor allem zeigt sich, dass die Abbildung eines reinen Marktprinzip mit Geld und geldwerter Gegenleistung mal wieder nicht auf ein Hochschulsystem abbilden lässt, in dem Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft gleiche Chancen haben sollen und haben müssen.