Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) ist der studentische Dachverband der Studierendenvertretungen in der Bundesrepublik. Auf Aufforderung hinnehmen wir im folgenden Stellung zur Änderung des Hessischen Hochschulgesetz.
Vorbetrachtungen
Wir teilen zunächst grundsätzlich die Argumentation in den Ausführungen der LAK Hessen zum Änderungsgesetz des hessische Hochschulgesetzes und unterstützen die hierin geäußerten Standpunkte nachdrücklich. Das in diesem Gesetzesentwurf zum Ausdruck gebrachte Verständnis von Autonomie ist zu einseitig und zeugt von Missverständnissen hinsichtlich des Begriffes der Autonomie.
Nach dem TU-Darmstadt-Gesetz und der Privatisierung des Universitätsklinikums Giessen-Marburg ist die vorliegende HG-Novelle das dritte einschneidende Gesetzgebungsvorhaben des HMWK innerhalb weniger Jahre. Damit werden aus Sicht des fzs aber nicht die richtige Antworten auf die Probleme des Hochschulsystems gegeben. Mag es dem Zeitgeist entsprechen, vorläufige, experimentelle und auf einzelne Einrichtungen beschränkte Regelungen zu entwickeln, zeigt sich gerade an den Hochschulen wie unzureichend und kontraproduktiv derartige institutionelle Veränderungen sind. Die im Jahre 2005 nur der TU Darmstadt zugestandenen „Freiheiten“ sollen im Zuge dieses Gesetzgebungsverfahren auf alle hessischen Hochschulen übertragen werden können. Der fzs hat in der Gesetzesvorlage mehrere Kritikpunkte die wir im Folgenden darstellen werden:
Stiftungshochschule Aus sicht des fzs ist fraglich was der Landesgesetzgeber mit der Regelung zur Stiftungshochschule. Der Bürokratische Aufwand und der Wissenserwerb sowohl auf Seiten des HMWK als auch in der Stiftungshochschule sind enorm und sehr kostspielig. Es wird auch in der Begründung nicht schlüssig dargelegt was der konkrete Vorteil der Stiftung und der Stiftungshochschule sein soll und warum man das Gewünschte nicht auch mit anderen milderen Mitteln im Rahmen der Rechtsform als Körperschaft erreichen kann. Welche klaren Vorteile sollen sich ergeben? Finanzhoheit sowie die Hoheit über das eigene Vermögen können auch in der Rechtsform der Körperschaft erreicht werden, hierzu bedarf es lediglich einiger Ausnahmen von der Hessischen Finanzordnung. Die Übergabe oder Überlassung von Grundstücken an die Hochschulen wäre so zum Beispiel in Form von Körperschaftsvermögen denkbar. Zahlreiche Hochschulen verfügen über solches Körperschaftsvermögen. Dies zeigt, dass die Rechtsform einer Stiftung nicht erforderlich ist. Die Körperschaft des Öffentlichen Rechts der Universität Frankfurt soll auf die Stiftung übergehen, dies ist unlogisch da eine Stiftung ein Kapitalstock der zu einer Rechtsperson erhoben wurde ist, eine Körperschaft des Öffentlichen Rechts aber eine Mitgliedschafteiche Rechtspersonen die aus einzelnen Personen besteht ist. Es stellen sich für den fzs an dieser Stelle folgende Fragen: Was passiert mit den Mitgliedern der KdÖR der Universität Frankfurt auf die Stiftung? Wie ist das Mitgliedschaftsverhältnis zur Stiftung geregelt? Was passiert mit den bestehenden Mitgliedschaftsverhältnissen zum Beispiel Immatrikulierte Studierende oder angestellte Mitarbeiter?.[m3] Die Universität Frankfurt wird in Zukunft als Stiftungshochschule der Stiftung geführt, wobei unklar ist was der Unterschied zwischen der Stiftungshochschule und der Stiftung darstellt Dies wird allerdings im Gesetz unterschiedlich im § 100 Abs. X dargelegt wird. Diese Norm weißt unserer Meinung nach einige unklare Punkte in Bezug auf den Unterschied zwischen Stiftung und Stiftungshochschule.
Stiftungsvermögen und Zustiftungen
Die Prämisse, über eigenständiges Stiftungsvermögen den Handlungsspielraum einer Stiftungshochschule zu erhöhen, ist vom Umfang dieses Stiftungsvermögen abhängig. Alleine aus der Übertragung von Landesliegenschaften entsteht mittelbar kein Kapitalstock, der in Relation zu den Gesamtkosten des Hochschulbetriebs Relevanz erlangt. Der fzs bewertet die Stiftungskonstruktion über die Kritik an ihrer institutionellen Ausgestaltung hinaus nicht als Beitrag zu einer nachhaltigen Stärkung der Hochschulfinanzierung. Damit bleibt für die Stiftungsuniversität Frankfurt die Erwartung von Zustiftungen aus der Wirtschaft. Erfahrungen in der Bundesrepublik zeigen, dass die Stiftungs-„kultur“ hierzulande eine andere ist als beispielsweise in den Vereinigten Staaten. Stiftungen von privater Seite spielen eine deutlich untergeordnete Rolle, Ausnahmen bestätigen da die Regel[1]. Die Novelle des bundesdeutschen Stiftungsrechts 1999 hat daran nichts geändert. Es ist möglich, dass am Finanzplatz Frankfurt besondere Bedingungen bestehen. Der fzs geht indes nicht davon aus, dass die Finanzierung der Johann – Wolfgang – von – Goethe – Universität Frankfurt auf absehbare Zeit wesentlich durch private Zustiftungen geprägt sein wird. Zustiftungen von privater Hand sind freilich schon jetzt möglich. Das Stiftungsrecht bietet einen Rahmen der von zahlreichen Hochschule – ohne Veränderung der Rechtsform – bereits genutzt wird. Die Einrichtung einer Stiftung, des Stiftungskuratoriums und der starken Verschränkung der Gremien Hochschulrat, Stiftungskuratorium und Universitäts-Präsidium verdeutlicht, dass es dem HMWK und wohl auch dem Präsidenten der Johann – Wolfgang – von – Goethe – Universität Frankfurt in erster Linie um eine neue Form von Hochschulsteuerung und nicht um eine nachhaltige Stärkung der Hochschulfinanzierung geht – eine Hochschulsteuerung, die privaten Stiftern einen überproportional großen Einfluss auf die Hochschule gibt. Aus Sicht des fzs ist eine solche Einflussnahme auf Lehre und Forschung mitnichten eine Stärkung der Autonomie von Hochschulen. Kompetenzübertragung auf die Hochschulen Im Rahmen der letzten Änderung des Hessischen Hochschulgesetzes wurden der TU Darmstadt weitgehende Kompetenzen auf Probe eingeräumt. Dieses Modell sollte evaluiert und auf seine Praktikabilität hin untersucht werden. Der Landesgesetzgeber hat diese Regelungen im Vorfeld des Gesetzgebungsprozesses nicht evaluiert, so dass unserer Meinung nach ein Mangel im Gesetzgebungsverfahren vorliegt. Die Erfahrungen zeigen das die TU Darmstadt von ihren Rechten kaum gebrauch gemacht hat und diese unpraktikabel sind. Darüber hinaus ist fraglich ob mit dem Abbau von Demokratischer Mitbestimmung das selbst gesetzte Ziel die Effizienz im Hochschulsystem zu steigern und eine Spitzenposition im Bereich Forschung und Lehre einzunehmen erreicht werden kann. Der mit dem Gesetzesentwurf vorgesehene Aufbau neuer Hierarchien ist aus Sicht des fzs anachronistisch. Es ist fraglich wie wenige Menschen ein komplexes Gebilde wie eine Hochschule vollends überschauen wollen oder können. Ein Ingenieur hat einen anderen Blick und eine andere Herangehensweise an Probleme wie beispielsweise ein Philosoph, genau wie ein Professor einen anderen Blickwinkel und einen anderen Grad der Betroffenheit hat wie ein Studierender. Gerade aber diese Vielfalt der Blickwinkel ermöglicht erst eine gute und konsensuale Hochschulinterne Selbstverwaltung. Es ist fraglich wie die Hochschulen junge Menschen zu freiheitlich demokratischen denkend und handelnden erziehen sollen, wenn an ihnen selbst fast jedwede demokratische Struktur abgeschafft und die Mitbestimmung übergebühr zusammengestrichen wird. Die Übertragung von weitgehenden Wahlmöglichkeiten der Hochschulen in vielen Bereichen ihren Handelns ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Weiterhin ist fraglich, ob und in wieweit der Parlamentsvorbehalt ausgehebelt wird. Der Hochschulrat welcher eigentlich ein Spiegel der Gesellschaftlichen Kontrolle darstellen soll, ist im Hessischen Hochschulgesetz durch einen Rat aus VertreterInnen der Wirtschaft ersetzt worden. Es ist unstrittig das die Unternehmen wichtige Partner der Hochschulen sind aber die Gesellschaft ist pluralistischer und besteht nicht nur aus Unternehmensvertretern. Gewerkschaften und Kirchen aber auch die Studierenden selbst sind nicht vorgesehen. Darüber hinaus ist es bedenklich wenn der Hochschulrat weitestgehend vom Präsidenten der Hochschule vorgeschlagen wird, da eben dieser Präsident vom Hochschulrat wieder zu wählen ist und es somit zu intransparenten und nicht gewollten Verquikungen kommen kann. Einschränkung der Rechte der Verfassten Studierendenschaft Der §100 Abs.3 Punkt 6 ermöglicht es den Hochschulen die Studierendenschaft gänzlich von ihren Aufgaben zu entheben und auch weit reichend in die Struktur und die Finanzhoheit einzugreifen. Dies zerstört die studentische Selbstverwaltung unter dem Deckmantel der Autonomie der Hochschule. Dies lehnt der fzs entschieden ab. Hessen war das erste Bundesland welches die Studierendenschaft gesetzlich in ihrer Form und Aufgaben verankerte. Die Bundesregierung griff dies im Hochschulrahmengesetz auf und verankerte bis zur Föderalismusreform die Rechte und Pflichten und Aufgaben der Studierendenschaft im § 41 des Hochschulrahmengesetz. Die Verfasste Studierendenschaft hat wichtige politische Aufgaben. Darunter fallen insbesondere die Sozialberatung, die politische Bildung zur Demokratie, die Förderung von studentischer Kultur, die Sportförderung sowie Aufgaben im Bereich des ÖPNV. Dies macht deutlich, dass auf die Einrichtung Verfasster Studierendenschaften nicht verzichtet werden darf. Der Gesetzgeber sollte die Mitbestimmungsstrukturen im Bereich der Studierendenschaft stärken und ihnen weitgehende Rechte zuweisen. Exemplarisch kann auf die Regelungen in Sachsen (§ 74 Sächsisches Hochschulgesetz) oder das noch geltende Hochschulrahmengesetz (§41) verwiesen werden. Arbeitgeberfunktion und Veränderung im Dienstrecht Der Abschluss eigener Tarifverträge durch die Stiftungsuniversität wird aus Sicht des fzs als problematisch angesehen. Eine Reihe von Konfliktfeldern würden in die Hochschule hineingetragen, die den sozialen Frieden gefährden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Versuch unternommen wird, Regelungen mit zweifelhaften Arbeitnehmerorganisationen , die weder über die organisatorische Verankerung noch über das damit verbundene Mandat der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfügen. Auch die Stiftungsuniversität soll sich nach Auffassung des fzs an die tarifvertraglichen Regelungen des Landes anwenden. Der fzs weist darauf hin, dass es zur Zeit tatsächlich noch vielfältigen Regelungsbedarf gibt, und dass nicht allein die Ermöglichung eines sogenannten „tenure tracks“ gehen sollte. Zu nennen sind hier teils prekäre Dienstverhältnisse für studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte, Lehrbeauftragte und PrivatdozentInnen. Der fzs unterstützt die Initiative für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte und die Forderung nach einem Wissenschaftstarifvertrag Fazit Der fzs betrachtet das Hessische Hochschulgesetz und das Änderungsgesetz als mit den Grundsätzen der Transparenz und demokratischen Kontrolle und Sicherung der Partizipation und Mitbestimmung unvereinbar, und lehnt es daher ab. Wenn man den Vergleich von Hochschulen zu den Städten und Gemeinden ziehen möchte da beide (Gebiets)Körperschaften sind und sich große Hochschulen von der Zahl ihrer Mitglieder nicht von mittleren Gemeinden unterscheiden würde dennoch niemand ernsthaft Städte und Gemeindetage abschaffen. Darüber hinaus sind die Ziele dieses Gesetzes nicht klar und vermeintliche Erleichterungen für die Hochschulen können durch unkomplizierte Änderungen anderer Gesetze eher erreicht werden. Stattdessen wird ein Rechtskonstrukt – der Stiftungshochschule – kreiert welches viele Gefahren und rechtliche Fallstricke birgt. Dieses Gesetzes dient einerseits sich der staatlichen Verantwortung für Bildung und Ausbildung zu entledigen und zum andern die ohnehin schwach ausgebildeten demokratischen Beteiligungsmöglichkeiten weiter zu beschränken. Es drängt sich zudem der Eindruck auf, dass die in den vergangenen Semestern für die hessische Landesregierung sicherlich unbequemen Studierendenvertretungen sukkzessive arbeitsunfähig gemacht werden sollen. Statt die hochschulpolitische Auseinandersetzung zu suchen und in einer offenen argumentativen Auseinandersetzung für ein besseres Bildungssystem zu streiten wird hier der Weg des Wasserabgrabens gewählt. Dies lehnt der fzs entschieden ab. Aus Sicht des fzs sollte der Landesgesetzgeber die Vorlage nicht beschließen. Als Vorschlag für ein modernes Hochschulgesetz sei auf die Drucksache 4/6303 bzw. 4/8057 des Sächsischen Landtag verwiesen.
[1] So erhielt Ende letzten Jahres die Technische Universität – Bergakademie – Freiberg/ Sachsen das größte Stiftungsvermögen einer staatlichen Hochschule – ohne dass im entferntesten eine Diskussion um einen Rechtsformübergang geführt wurde. Vgl. idw.tuclausthal. de/pages/de/news190784