Auf Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen soll sich die neu gegründete Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWR) bei ihrer ersten Sitzung am 18. Februar in Berlin mit der „Förderung des Stipendienwesens an deutschen Hochschulen“ beschäftigen. Damit könnte die GWR, die die bisherige Bund-Länderkommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) ablöst, gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit einen wichtigsten Beschluss für die Zukunft der Studienfinanzierung in der BRD fällen.
Der Vorstoß aus NRW sieht nämlich vor, die Anteil der StipendiatInnen bis 2012 auf 10% aller Studierenden anzuheben. Berichten zufolge sollen diese Stipendien zu je 50% aus öffentlichen und privaten Mittel finanziert werden und vor allem Masterstudierenden zugute kommen. Vergeben werden sollen diese Stipendien „unabhängig vom Einkommen der Eltern, unbürokratisch und ausschließlich nach Begabung und Leistung“. Dabei grenzt sich das Konzept eindeutig vom BAföG ab, das „auf sozialen Kriterien basiert“, wie die NRW-Visionäre dies formulieren. Darin wird deutlich, in welche Richtung der Vorstoß gehen soll: Das „deutsche Hochschulwesen international wettbewerbsfähiger zu machen“.
In einer ersten Reaktion wies der fzs die Pläne scharf zurück. Statt einer weiteren Beschränkung auf angeblich begabte Studierende ist aus Sicht des studentischen Dachverbandes ein Ausbau der Studienfinanzierung, die allen Studierenden zugute kommt, dringender erforderlich als ein weiteren „Begabtenprogramm“. Regina Weber vom fzs-Vorstand machte die Kritik deutlich: „Die angeblichen Leistungsstipendien erhalten vorwiegend Studierende aus besser verdienenden Familien. Wenn Bund und Länder die Pläne umsetzen, fließen mehrere hundert Millionen Euro in die Taschen dieser Studierenden statt bedürftigen Studierenden ein Studium zu ermöglichen.“
Statt einer grundlegenden Reform der rechtlich abgesicherten Studienfinanzierung kommen Stipendien zum größten Teil Studierenden aus Akademikerfamilien zugute – und in diesem obendrein nur solchen Menschen, die bereits ein Bachelor-Studium abgeschlossen haben. Soziale Gerechtigkeit ist fehl am Platz, wie Weber erklärte: „Mit staatlich geförderten Stipendien werden die Gelder von unten nach oben verteilt. Ein Stipendium hängt nicht von guten Noten oder angeblicher Begabung ab, sondern von dem richtigen Auftreten. Die Studierenden, deren Eltern bei der Bewerbung helfen können oder selbst Studienerfahrung haben, sind eindeutig im Vorteil.“
Das NRW-Ministerium schläge nun vor, zunächst eine Arbeitsgruppe zu bilden. Im Herbst 2008 sollen nach den derzeitigen Plänen dann weitere Schritte vereinbart werden. Zunächst jedoch muss die GWK dem Vorhaben zustimmen. Während die Bundesbildungsministerin und ehemalige Geschäftsführerin eines Stipendiatenwerks, Annette Schavan, in den vergangenen beiden Jahren die Begabtenförderung stetig erhöht hat, machen zumindest auch erste BildungspolitikerInnen bereits auf die sozialen „Nebenwirkungen“ aufmerksam. Nele Hirsch, die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, bekräftigte in einer ersten Reaktion ihre Forderung nach einem Rechtsanspruch auf eine elternunabhängige und kostendeckende Studienfinanzierung für alle Studierenden und erklärte: „Jeglichen Privatisierungstendezen – sei es in Form von Studienkrediten oder Stipendien – erteilen wir eine klare Absage.“
Eine Ablehnung der Pläne durch die VertreterInnen von Bund und Ländern in der GWK am 18. Februar hingegen scheint zunächst wenig wahrscheinlich. Denn vertreten sind die Landesregierungen mit je einer Stimme sowie die Bundesregierung – letztere hat 16 Stimmen, die einheitlich abgegeben werden. „Niemand hat die Absicht, das BAföG abzuschaffen“, erklärte Kanzlerin Merkel vor der Wahl 2005. Nicht gesagt hat sie, dass der erste Schritt zur Abschaffung die Aushöhlung des BAföG sein könnte.