Studentische Mobilität im Bologna-Prozess

Einführung

Migrationsbewegungen im Allgemeinen ist immanenter Bestandteil der menschlichen Kulturgeschichte. Mit dem Wandel sozio-kultureller und ökonomischer Lebensbedingungen der Menschen im Laufe der Zeit haben sich die Formen der Migrationsbewegungen kontinuierlich verändert und diversifiziert. Studentische Mobilität stellt eine spezielle Form der Migration neben anderen dar.

Im Zuge der Globalisierung werden nationalstaatliche Bildungssysteme „entgrenzt“. In diesem Kontext betrachtet haben sich die Rahmenbedingungen für studentische Mobilität, die Formen dieser Mobilität und die Konzepte der Internationalisierung der Hochschulen verändert. Hierbei spielt auch der Bologna-Prozess eine entscheidende Rolle.

Die Förderung der Mobilität von StudentInnen (und Lehrenden) gehört seit Beginn des Prozesses 1999 zu den zentralen Aktionslinien der europäischen Hochschulreformagenda. Die Förderung von Mobilität gehört zu den zentralen Herausforderungen des Reformprozesses und ist unbedingte Voraussetzung für einen Europäischen Hochschulraum.

Definition

Zur Bestimmung einer Definition studentischer Mobilität kann auf eine Definition internationaler Migration angeknüpft werden. Als internationale oder grenzüberschreitende Migration wird in den Sozialwissenschaften die dauerhafte oder vorübergehende Verlegung der Wohnsitzes der Migrantinnen und Migranten zwischen Nationalstaaten bezeichnet. Allerdings differenziert man bei der Betrachtung studentischer Mobilität – anders als bei der Betrachtung internationaler Migration – nicht primär zwischen Emmigration und Immigration, sonder zwischen Auslands- und AusländerInnenstudium. Unter dem Begriff Auslandsstudium (Outgoing-Mobilität) versteht man Auslandsaufenthalte von StudentInnen aus Deutschland im Ausland. Mit dem Begriff AusländerInnenstudium (Incoming-Mobilität) werden Aufenthalte ausländischer StudentInnen in Deutschland beschrieben.

Studentische Mobilität muss jedoch noch differenzierter betrachtet werden. Daher werden zusätzliche Unterscheidungen nach Dauer des Aufenthalts und angestrebten Studienzielen sowie Unterscheidungen nach Organisation des Aufenthalts getroffen.

Betrachtet man Mobilität hinsichtlich der Dauer eines Aufenthalts und damit verbundenen Studienzielen, muss zwischen horizontaler und vertikaler Mobilität unterschieden werden. Mit horizontaler Mobilität bezeichnet man einen kurzfristigen Auslandsaufenthalt, bei dem einzelne Studienleistungen erworben werden und kein vollständiger Abschluss. Durch den Begriff vertikale Mobilität wird ein längerfristiger Aufenthalt beschrieben, bei dem ein kompletter Abschluss erworben wird. Zudem gibt es einen deutlichen Trend hin zu studienbezogenen Kurzaufenthalten. Hierunter fasst man Sprachkurse, Exkursionen, Summerschools usw.).

Ein Auslandsaufenthalt kann auf unterschiedliche Art und Weise organisiert und durchgeführt werden. Hier kann aus unserer Sicht zwischen ProgrammstudentInnen und Free Mover unterschieden werden. Als ProgrammstudentInnen werden jene StudentInnen bezeichnet, die ihren Studienaufenthalt im Ausland über ein (Mobiltäts-)Programm Mundus verbringen. ProgrammstudentInnen sind in der Regel horizontal mobil. Als Free Mover werden mobile StudentInnen bezeichnet, die ihren Auslandsaufenthalt ohne Einbindung in ein Mobilitätsprogramm verbringen. Vertikal mobile StudentInnen, die ein komplettes grundständiges Studium im Ausland verbringen, sind meist Free Mover.

Mobilitätsbarrieren

Studentische Mobilität verläuft nicht freizügig und grenzenlos. Sie wird migrationspolitisch gesteuert und kontrolliert. Es gibt zahlreiche Mobilitätsbarrieren, die StudentInnen von Auslandsstudien abhalten. Es lassen sich schnell einige Barrieren identifizieren und kategorisieren. Mobilitätshürden bestehen unter anderem in den Bereichen der Studienstruktur (three-cycle-system), Anerkennung, finanzielle und soziale Rahmenbedingungen, Organisation, Sprache und Integration sowie Diskriminierung. Die Umsetzung des Bologna-Prozess im Bereich der Einführung des Bachelor-/Mastersystems hat bei den Studiengängen zu Einbußen hinsichtlich ihrer Flexibilität geführt. Prüfungsüberlast und Verschulung sind ein deutliches Mobilitätshindernis geworden.

Die Anerkennung von Sekundarschulabschlüssen aus dem Ausland, Studienleistungen und -abschlüssen stellt ein weiteres Problem dar. Eine politisch-motivierte Anerkennungspraxis hinsichtlich ausländischer Sekundarschulabschlüsse hat starke Auswirkungen auf das AusländerInnenstudium und die Situation ausländischer StudentInnen in Deutschland. Trotz Ratifizierung der Lissabon Konvention im Jahr 2007 verläuft die Anerkennung von Studienleistungen und -abschlüssen in Deutschland weiterhin unbefriedigend. Aus Sicht von BMBF und KMK besteht in Bezug auf die Umsetzung der Konvention kein gesetzlicher Handlungsbedarf bzw. Änderungsbedarf der Landeshochschulgesetze.

In finanzieller und sozialer Hinsicht ist studentische Mobilität keinesfalls barrierefrei. Neben unterschiedlichen Lebenshaltungskosten spielen hier Studiengebühren, fehlende Studienfinanzierungs- und Sozialleistungen sowie eine gesetzliche Einschränkung der Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit eine große Rolle. Es zeigt sich auch das die sozialen Rahmenbedingungen für studentische Mobilität – trotz Lippenbekenntnis „Förderung der sozialen Dimension von Mobilität“ – erst geschaffen werden müssen.

Sprache und Integration können als zusammengehörige Themenkomplexe bei der Betrachtung studentischer Mobilität gesehen werden. Die Möglichkeiten zum Spracherwerb werden an den Hochschulen in Deutschland stetig weiter eingeschränkt. Sprachkurse werden abgebaut, an Sprachzentren ausgelagert und meist kostenpflichtig. Hinsichtlich der Integration lassen sich an den Hochschulen Ausgrenzung und Isolation feststellen.

Die Situation ausländischer StudentInnen in Deutschland ist darüber hinaus durch Diskriminierung und Rassismus geprägt. Neben alltäglichem Rassismus in Deutschland, werden ausländische StudentInnen mit diskriminierenden gesetzlichen Regelungen konfrontiert.