„Bildungsgipfel“ von Bund und Ländern: Große Erwartung, große Ernüchterung

Selten dominiert die Bildungspolitik so dauerhaft die politische Agenda: Tagelang stand vor dem Bildungsgipfel von Bund und Ländern die Zukunft der Bildungslandschaft auf der Tagesordnung. Die Forderungen der Verbände und der Politik einerseits, die langwierigen Arbeiten der Vorbereitungsgruppe mit Staatssekretären der Länder andererseits – nach einer derart hitzigen Debatte hätte man einiges erwarten können. Die Ergebnisse des Gipfels sind vor diesem Hintergrund ernüchternd.

Zum Abschluss des Bildungsgipfels am 22. Oktober in Dresden trat die Bundeskanzlerin vor die Presse und verkündete ein paar Absichtserklärungen. Bund und Länder wollen die Ausgaben für Bildung und Forschung bis 2015 auf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erhöhen, die Ausbildung von Erzieherinnen soll verbessert werden, bis 2015 soll die Anzahl der SchulabgängerInnen um die Hälfte reduziert werden, und nicht zuletzt sollen 275.000 neue Studienplätze bis 2015 entstehen.

Ehrgeizige Ziele? Angesichts der miserablen Situation des Bildungssystemes durchaus, da bewirkt jeder Euro schon eine Verbesserung. Nur: Wie genau die Finanzierung aussehen soll, war nicht Gegenstand des Gipfels. Denn darüber hatten sich in den Wochen zuvor die Länder mit dem Bund gestritten – wohl gemerkt über Zuständigkeiten, nicht etwa über notwendige Summen. Deshalb wurde in Dresden eine Arbeitsgruppe gebildet, die in einem Jahr (!) Vorschläge zur gemeinsamen Finanzierung vorlegen soll.

Keine Einigung über die notwendigen Details

Beispiel Bildungsfinanzierung: Bund und Länder wollen bis 2015 10 Prozent des BIP aufbringen. Drei Prozent sollen auf Forschung, sieben Prozent auf Bildung entfallen. Derzeit werden in Deutschland lediglich 5,1 Prozent des BIP (und damit deutlich weniger als im OECD-Durchschnitt) für Bildung aufgebracht. Und davon wiederum entstammen lediglich 4,2 Prozent aus öffentlichen Haushalten – die restlichen 0,9 Prozent von Privaten. Das 10 Prozent-Ziel ist nun aber nicht neu – es wird schon seit Jahren von allen Parteien eingefordert.

Vor allem aber weiß niemand, woher die bis zu 60 Milliarden Euro zusätzlich kommen sollen – denn soviel dürfte es kosten, das 10 Prozent-Ziel zu erreichen. Zum Vergleich: 60 Milliarden entsprechen mehr als 20 Prozent des gesamten Bundeshaushaltes und übersteigen den Haushalt des Landes Nordrhein-Westfalen 48 Mrd. Euro) immer noch um 12 Milliarden. Bund und Länder werden also auch in den nächsten Monaten weiterhin darüber streiten, wo das Geld herkommen soll…

Beispiel Hochschulpakt: Dass Bund und Länder auch nach dem Auslaufen des Hochschulpaktes I im Jahr 2010 den Pakt fortsetzen, ist längst ausgemachte Sache – nur so lassen sich die 275.000 erforderlichen Studienplätze finanzieren. Wie der Pakt allerdings aussehen soll, ist völlig unklar. Beim ersten Hochschulpakt wurden 5.500 Euro pro Studienplatz und Jahr angesetzt, obwohl die durchschnittlichen Kosten bei 7.200 Euro liegen. Und die erforderlichen Zusatzkosten für die so häufig eingeforderte Verbesserung der Lehrqualität kostet ebenfalls nochmal mindestens durchschnittlich 800 Euro.

Die konkreteste Äußerung in dem beschlossenen Papier ist, bis 2010 länderübergreifend Voraussetzungen zu formulieren, „unter denen der allgemeine Hochschulzugang für Meister, Techniker, Fachwirte und Inhaber gleich gestellter Abschlüsse ermöglicht wird und der fachgebundene Zugang zur Hochschule für beruflich Qualifizierte nach erfolgreichem Berufsabschluss und dreijähriger Berufstätigkeit eröffnet wird.“ Damit könnten tatsächlich vielleicht in wenigen Monaten einheitliche Zugangsvoraussetzung für beruflich Qualifizierte bestehen. Nur: Das hätte man auch in 10 Minuten im Rahmen einer Sitzung der Kultusministerkonferenz beschließen können.

Erwartungen auf ganzer Linie enttäuscht

Die vielfach geäußerten Erwartungen an den Bildungsgipfel jedenfalls wurden vollständig enttäuscht. Der Berliner Regierungschef, Klaus Wowerweit, äußerte etwa sein Unverständnis darüber, dass das Thema Studiengebühren ausgespart wurde, weil die Unionsländer an einer Diskussion kein Interesse hätten. Gewerkschaften und Studierendenverbände kritisierten scharf: „Der Kirchturm-Föderalismus hat gesiegt. Das Dresdener Treffen ist leider ein Gipfel der Unverbindlichkeiten. Von einer nationalen Strategie zur Weiterentwicklung des Bildungswesens, bei der Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen, kann keine Rede sein“, sagte etwa Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel, reagierte ebenfalls enttäuscht: „Die Hochschulen haben erwartet, dass der Bildungsgipfel verbindliche zukunftsweisende Aussagen zur Hochschulfinanzierung der nächsten Jahre trifft. Sie wurden enttäuscht. Bund und Länder weisen den Hochschulen zusätzliche Aufgaben zu, ohne deren Finanzierung zu sichern.“ Der fzs äußerte sich entsetzt über die Ergebnisse. Vorstandsmitglied Bianka Hilfrich forderte die Bildungsministerin zum Rücktritt auf: „Heute hat sich gezeigt, dass der durch die Föderalismusreform beschrittene Weg falsch war. Einige Ministerpräsidenten der CDU hatten bereits im Vorfeld ihre Blockadebereitschaft durchblicken lassen und haben ihre Macht offenkundig auch ausgespielt.“

Wiedersehen in einem Jahr…

In einem Jahr, im Oktober 2009 also, soll die neue Arbeitsgruppe ihre Vorschläge zur Finanzierung der „Bildungsrepublik“ vorlegen. Bis dahin werden 80.000 zusätzliche Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen haben, weitere 20.000 Studienberechtigte von Studiengebühren abgeschreckt sein und Studien von OECD bis PISA einmal mehr herausfinden, dass in Deutschland mehr und mehr die soziale Herkunft über Bildungschancen entscheidet. Spätestens dann wird es wohl Zeit für einen Bildungsgipfel, um die bis dahin verstaubten Absichtserklärungen nochmals zu bekräftigen…