Bildung nicht gegen Soziales ausspielen – und umgekehrt!

Die neoliberale Steuerpolitik des letzten Jahrzehnts, die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten zwei Jahre und die in den letzten Zügen der „großen“ Koalition beschlossene so genannte Schuldenbremse, hat das gesamte Staatsgebilde BRD an den Rand der Handlungsunfähigkeit gebracht. Der fzs betont angesichts angeblich knapper Kassen und der sich anbahnenden Verteilungskämpfe ausdrücklich, dass es nicht darum gehen kann, das Bildungssystem etwa auf Kosten der Arbeitssuchenden, RentnerInnen oder anderer benachteiligter Gruppen zu sanieren. Vielmehr muss es darum gehen, Mehreinnahmen gerecht zu generieren und auf der anderen Seite unverständige Ausgaben zu kürzen. Es muss darum gehen, Menschen, welche über hohe Einkommen, Erbschaften oder Vermögen verfügen sowie Unternehmen stärker oder überhaupt erst zu besteuern und Staatsausgaben an anderer Stelle aufzulösen, etwa im Fall des Verteidigungshaushalts. Denn letztendlich ist genug für alle da!

Am 27. September 2009 wurde ein neuer Bundestag gewählt. Durch Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse stellen CDU und FDP die neue Regierung. Der Koalitionsvertrag zeigt deutlich einen Politikwechsel in der Bildungspolitik. Aus Sicht des freien zusammenschluss von studentInnenschaften werden aktuell bestehende Probleme im Hochschulsektor nicht beseitigt sondern verschlimmert. Die Defizite kommuniziert der fzs der Bundesregierung in Form eines Anforderungskatalogs.

Der fzs fordert von der neuen Regierung:

Föderalismusreform und Hochschulrahmengesetz (HRG)

Die Föderalismusreformen der vergangenen Jahre haben zu Kleinstaaterei mit großer Intransparenz geführt. Mangelnde Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit führen zu einem Chaos im Hochschulsystem. Hierdurch wird insbesondere auch die Mobilität der StudentInnenen erheblich eingeschränkt. Auch die Bologna-Reformen, die das Ziel eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes verfolgen, sind bisher in ihrer Umsetzung bundesweit sehr unterschiedlich ausgestaltet worden. Der fzs fordert daher bundesweit einheitliche Regelungen im gesamten Bildungssektor. Das Hochschulrahmengesetz muss in diesem Sinne beibehalten und ausgebaut werden. Deshalb verurteilt der fzs die geplante Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes scharf. Denn mehr Wettbewerb zwischen den Ländern und zwischen den Hochschulen und vorgebliche Autonomie widersprechen klar der Forderung der Koalitionsparteien, Bildung als gesamtstaatliche Aufgabe (Z. 2552 Koalitionsvertrag) zu betrachten. Es muss in allen Bundesländern eine Verfasste StudentInnenschaft geben. Dies ist nicht nur der Selbstorganisation und Selbstbestimmung dienlich, sondern auch ein grundlegendes Mittel zur Partizipation in der Gesellschaft. Des weiteren bedarf es gesetzlicher Regelungen, die soziales und politisches Engagement fördern und Restriktionen verhindern. Darauf muss die Bundesregierung hinwirken.

Studienfinanzierung

Das BAföG ist für viele StudentInnen neben der Unterstützung durch die Eltern eine wichtige Finanzierungsquelle. Insbesondere StudentInnen aus finanziell schwächer gestellten Familien sind auf die staatliche Studienfinanzierung angewiesen. Die finanziellen Möglichkeiten der Eltern dürfen keinen Einfluss auf den Bildungserfolg der StudentInnen haben. Deshalb muss das BAföG nicht nur ausgebaut, sondern auch reformiert werden. Die Studienfinanzierung muss herkunftsunabhängig und bedarfsgerecht gestaltet werden. Die Studierenden dürfen nach Abschluss des Studiums nicht vor einem Schuldenberg stehen. Das BAföG wurde bei seiner Einführung als Vollzuschuss konzipiert. Ziel war die Erhöhung der Bildungsbeteiligung. Um der Abschreckungswirkung durch Verschuldung entgegenzuwirken, muss das BAföG wieder als Vollzuschuss, d.h. ohne Darlehensanteil, gewährt werden. Nur so ist gewährleistet, dass jede/r unabhängig vom finanziellen Hintergrund ein den individuellen Neigungen und Fähigkeiten entsprechendes Studium beginnen und erfolgreich abschließen kann. Dies war bereits 1971 bei seiner Einführung die Zielsetzung des BAföGs. Auch das Stipendiensystem ist kein Ersatz für BAföG. Es fördert nur eine bestimmte Zielgruppe, und wirkt somit sozial selektiv. Studienfinanzierung ist eine staatliche Aufgabe und kann nicht durch Stipendien aus Industrie und Wirtschaft und auch nicht durch selektive staatliche Stipendien sowie durch Studienkredite ersetzt werden. Der fzs setzt sich dafür ein, die durch ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung entstandenen unterschiedlichen Bedingungen der Einzelnen durch gezielte Förderungen benachteiligter Gruppen auszugleichen. Dies kann nur eine gesicherte staatliche Studienfinanzierung mit Rechtsanspruch leisten, die nicht auf besonderen Leistungen und Konkurrenzdruck beruht.

Studentische Erwerbstätigkeit

Allein der Blick auf die Unterbezahlung studentischer Beschäftigter an den Hochschulen einerseits, die Divergenz von Land zu Land sowie von Universitäten zu Fachhochschule anderseits, führt uns vor Augen, dass ein flächendeckender und branchenunabhängiger Mindestlohn unumgänglich ist. Nach Auffassung des fzs muss dieser mit 11,37 €/Stunde sowie weiteren 1,50 €/Stunde Zulage für Ballungsräume festgelegt werden. Weiter müssen Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ausgebaut und ihre korrekte Anwendung forciert werden. Gerade StudentInnen werden häufig in geringfügige Beschäftigungsverhältnisse mit Vergütung unter 400 € pro Monat gedrängt. Begünstigt wird dies durch die Neuregelgung des anrechnungsfreien Einkommens der Auszubildenden im Zuge der BAföG-Novelle von 2007. Arbeitsrechte gelten – auf dem Papier – auch in diesen Beschäftigungsverhältnissen, doch sie werden viel zu oft nicht umgesetzt. Die damit einhergehende Prekarisierung wirkt sich als massiver Stressfaktor negativ auf Studienleistungen Betroffener aus und gefährdet deren Bildungserfolg. Sie muss deshalb durch genannte Maßnahmen unterbunden werden.

Hochschulpakt II

Der Hochschulpakt II ist unzureichend. Es muss viel mehr Geld für den Erhalt und den Bau neuer Hochschulen bereitgestellt werden. Genauso wichtig ist aber auch die Ausstattung. Jedoch ist nicht nur die Quantität wichtig, auch die Qualität der Lehre muss deutlich verbessert werden. Hierzu muss viel mehr Personal, vor allem Lehrpersonal eingestellt werden. Nur so können die Studienbedingungen verbessert werden.

Diskriminierung verhindern

Der Diskriminierung von AusländerInnen, Behinderten und chronisch Kranken, Homo-, Bi-, Transsexuellen und Frauen muss weiter energisch entgegengewirkt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, bietet sich eine Vielzahl an Möglichkeiten. Dazu gehören unter anderem die Änderung von rechtlichen Grundlagen und die finanzielle Unterstützung von Projekten, die sich dieses Themas annehmen. Darüber hinaus sollte es selbstverständlich sein, dass diese Gruppierungen gezielt gefördert und unterstützt werden, um die Grundlage der Diskriminierung abzubauen. Die Landesregierungen von Berlin, Hamburg und Bremen sind bei den rechtlichen Grundlagen bereits mit gutem Vorbild vorangegangen: Sie haben eine Bundesratsinitiative zur Ergänzung der Diskriminierungsverbote in Art. 3 Abs. 3 GG um das Diskriminierungsverbot für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender auf den Weg gebracht. Es ist wichtig, dass auch auf Bundesebene ein Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt wird. Eine Vorlage hierfür wurde bereits durch die Länder geliefert. Das Diskriminierungsverbot muss aus diesem Grund bundesweit vorgeschrieben und umgesetzt werden.

Für eine ökologische Forschungspolitik

Unter dem Mantel der Forschungspolitik wurde über Jahrzehnte das Atommüll-Skandal-Lager Asse betrieben. Milliarden und Abermilliarden wurden für diese von der Bevölkerung unerwünschte, friedens- und lebensgefährdende Technologie ausgegeben, um Konzernen Profite zu ermöglichen. Für eine grundlegende Wende ist jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen: Die Atommeiler Brunsbüttel, Krümmel, Biblis A + B, Grundremmingen B+C und Neckarwestheim I sind bereits über Wochen hinweg wegen Störfällen oder Wartungsarbeiten vom Netz genommen gewesen. Sie konnten und können ad hoc abgeschaltet werden, weil sie nicht benötigt wurden und werden. Im selben Zug können und müssen die gesellschaftlichen Ressourcen für eine forschungspolitische Wende hin zu erneuerbaren Energien mobilisiert werden. Im Bereich der „grünen Gentechnik“ mussten wir in den letzten Monaten bedenkliche Äußerungen des BMBF wahrnehmen. Als studentischer Dachverband fordern wir das Verbot gentechnisch veränderten Saatguts, denn niemand kann im Moment die gesellschaftlichen und biologischen Folgewirkungen des Einsatzes abschätzen. Dort, wo solches bereits zum Einsatz kommt, konnten bislang keinerlei Verbesserung in der Versorgungslage der Bevölkerung festgestellt werden. Im Gegenteil: Lediglich eine massive ökonomische Abhängigkeit der LandwirtInnen von Großkonzernen wie Monsanto ist die Folge, was beispielsweise Kleinbauern und -bäuerinnen in Indien reihenweise in den Selbstmord treibt.

Anforderungen an die Bundesregierung.pdf (PDF, 55 kb)