Barrierefreies Studium

Auf der Mitgliederversammlung der HRK wurde am 21.04.2009 die Empfehlung „Eine Hochschule für Alle“ einstimmig beschlossen. Es sollten Maßnahmen zur Realisierung von Chancengerechtigkeit für Studierende mit Behinderung oder chronischer Krankheit getroffen werden. Daher sollte an jeder Hochschule der aktuelle Stand des Unterstützungs- und Beratungsangebotes für behinderte und chronisch kranke Studierende festgehalten werden. Den Fragenkatalog hierfür wurde bereits durch die Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung des Deutschen Studentenwerks erstellt. Nach derzeitigem Stand ist eine Evaluation der Umsetzung der Empfehlung der HRK jedoch nicht vor 2012 geplant.

Organisation des Studiums/ Auswirkungen der Bologna Reform

Problematik vor Studienbeginn

Parallel mit der Umstellung auf das Ba/Ma System wurde die Verantwortung für die Studienplatzvergabe von der ZVS auf die Hochschulen übertragen. Dies bedeutete für die zukünftigen Studierenden jedoch keine Vereinfachung. Mussten sie sich früher nur bei der ZVS um einen Studienplatz bewerben, muss sich jetzt auf die verschiedenen Bedingungen der Hochschulen eingestellt werden. Dies erhöht das Risiko für die Bewerber_innen leer auszugehen. Da außerdem viele Studiengänge hinzugekommen sind, hat das zur Folge, das sich die Zahl der Studienplätze pro Studiengang minimiert. Anerkannte Härtefälle haben so nicht mehr die Sicherheit, einen Studienplatz zu erhalten. Da im Durchschnitt nur 2% der Plätze pro Studiengang für Härtefälle freigehalten werden, wird bereits zu Losverfahren zurückgegriffen, um bei mehreren Bewerber_innen den Platz an einen von ihnen vergeben zu können. Doch das kann nicht die Lösung sein. Während in einigen Studiengängen die Plätze unbesetzt bleiben, können in anderen Studiengängen aufgrund der 2% Grenze nicht alle Bewerber_innen aufgenommen werden. Solange Bund und Länder sich nicht für eine höhere Prozent-Grenze einsetzen, wird sich daran auch nichts ändern.

Problematiken während des Studiums

Eine andere Problematik sind die straffen Stundenpläne. Diese erschweren es besonders chronisch kranken Studierenden, ihren Alltag zu bewältigen, da bei Ihnen die Behinderung nicht als solche gesehen wird. Im Gegensatz zu Behinderungen, die von außen erkennbar sind, sind gerade chronisch kranke Studierende – und andere nicht sichtbare Behinderungsformen – bei Nachteilsausgleichen bzw. veränderten Prüfungsbedingungen einem erhöhten Begründungsaufwand und Rechfertigungszwang ausgesetzt. An vielen Hochschulen gibt es noch Pflichtveranstaltungen. Diese ermöglichen es den Studierenden nicht, Ihren Studienplan im vollen Umfang selbst zu gestalten. Gerade Studierende, die aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie auf Assistenz angewiesen sind, werden aufgrund der Fehlzeiten schnell mal aus solch einem Kurs ausgeschlossen. Mit Einführung des Bachelor/ Mastersystems wurden oftmals die Fristen für das Abschließen von Fächern verschärft. Dies führt bei vielen Studierenden neben den so schon großen Problemen zu zusätzlichem Druck, so dass sich bei chronisch kranken Studierenden die Symptome verstärken können. Für viele Studierende beginnt so ein sogenannter Teufelskreis, so dass die Quote der Studienabbrecher_innen in die Höhe schnellt.

Vorschriften für Barrierefreie Hochschulen/ Problematiken

„Die zentralen Regelungen der Gleichstellungsgesetze auf Bundes- und Länderebene beziehen sich auf die Herstellung von Barrierefreiheit, die nach § 4 BGG wie folgt definiert wird: „Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“ Das DSW hatte 1998 letztmalig einen detaillierten Maßnahmenkatalog den deutschen Hochschulen vorgelegt. Dieser Katalog umfasst folgende erforderliche Maßnahmen:- die studienvorbereitende, studienbegleitende und berufsvorbereitende Beratung, – bauliche und technische Maßnahmen wie die Zugänglichkeit und behindertengerechte Ausstattung der Hochschulen, – ein ausreichendes Angebot an behindertengerechten Wohnheimplätzen und Wohnungen, zugängliche Mensen und Cafeterien, – technische Hilfen wie Mikroportanlagen für Hörbehinderte, sehbehinderten- und blindengerechte Computerarbeitsplätze in Rechenzentren und Bibliotheken, – die Bereitstellung von Assistenzkräften für mobilitätsbehinderte, blinde oder gehörlose Studierende, – nachteilsausgleichende Regelungen bei Studien- und Prüfungsleistungen (Zulassung inhaltlich gleichwertiger Prüfungsleistungen in einer anderen Form, Gewährung verlängerter Prüfungszeiten, modifizierte Anwesenheitsregelungen in Lehrveranstaltungen, erforderlichenfalls Modifikationen bei Praktika, usw.), und – Informationsangebote und -veranstaltungen für behinderte Studieninteressierte, Studienanfänger und für Absolventen, die Förderung studentischer Selbsthilfegruppen und Initiativen Behinderter und Nichtbehinderter, sowie integrative Angebote im Rahmen des Hochschulsports.

Vergleicht man den Maßnahmenkatalog von von 1998 mit den Angeboten der einzelnen Hochschulen, ist klar zu erkennen, dass sich einige Hochschulen auf bestimmte Behinderungsformen spezialisiert haben und so die Bewerber_innen oftmals dazu gezwungen werden, ihr gewohntes Umfeld zu verlassen, damit Sie ein Studium aufnehmen können. Diese Spezialisierung ist zum Teil nicht schlecht, da die Hochschulen dadurch an die Bedürfnisse der Studierenden mit Handicap angepasst sind. Doch führt sie außerdem dazu, dass die Bewerber_innen nicht immer ihr Wunschstudium aufnehmen können. Andere Hochschulen schaffen leider nicht einmal, den Campus Rollstuhlgerecht zu gestalten oder in den Vorlesungen auf die Bedürfnisse von Studierenden mit einer Sehschwäche einzugehen. Wo bleibt da die Gleichberechtigung. Studierende ohne Handicap sind frei in ihrer Studienwahl, während Studierende mit Behinderung oder einer chronischen Krankheit auf die Unterstützungs- und Beratungsangebote an den Hochschulen angewiesen sind. Gerade deren Nicht- bzw. nur in geringem Maße Vorhandensein sowie der architektonische Aufbau der Hochschulen schränken das Studienangebot für die Studierenden mit Handicap ein. Es besteht noch großer Handlungsbedarf auf allen Seiten. Allein die Homepagegestaltung vieler Hochschulen ist nicht immer behindertengerecht, so dass Bewerber_innen bzw. Studierenden die Informationsaufnahme erschwert wird. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten sollte reibungsloser verlaufen und vor allem die Augen geöffnet werden. Ein Fahrstuhl macht noch keine Barrierefreie Hochschule. „Kein einziges Bundesland sieht eine Verpflichtung der Kommunen zur Schaffung von Barrierefreiheit vor (was die Bundes- und Landesgesetzgebungen weitgehend entwertet, sind doch z.B. die meisten baulichen wie verkehrlichen Anlagen in kommunaler Hand)“

Schon mit kleinen Dingen von Seiten der Hochschulen und Länder kann den Studierenden mit Behinderung oder chronischer Krankheit weitergeholfen werden.

Daher ist es wichtig, dass die Umfrage der HRK und die Auswertung dieser nicht zu lange hinausgezögert werden.

Forderungen des fzs:
– Erhöhung der Härtefallgrenze von min. 2% auf min. 5%
– Lockerung der Fristen für das Abschließen von Kursen für Studierende mit Behinderung bzw. einer chronischen Krankheit
– Umsetzung der HRK Umfrage und Auswertung bis Ende 2010 sowie Beginn der Umsetzungen von Maßnahmen, die durch die Auswertung entstanden sind