Stellungnahme zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Stellungnahme des fzs zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes

Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist nicht nur ein Wortungetüm, sondern vor allem ein Ungetüm für die Beschäftigten. Es erlaubt den Hochschulen, viel härter zu befristen als es sonst überall üblich ist. Außerhalb der Hochschulen wirkt das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Hier muss nach einem (sachgrundlos) befristeten Arbeitsverhältnis von zwei Jahren bei dem*der gleichen Arbeitgeber*in eine unbefristete Stelle folgen. In der Wissenschaft hingegen darf viel stärker sachgrundlos befristet werden. Stellen dürfen für insgesamt sechs (statt zwei) Jahre befristet werden – und innerhalb dieser sechs Jahre sind Monats- und Jahresverträge eher die Regel als die Ausnahme. 53% der Befristungen an Hochschulen haben eine Dauer von unter einem Jahr.

Im Wissenschaftssystem sind unbefristete Verträge außerhalb der Professur in der Folge so undenkbar, dass nachdem Menschen sechs Jahre (die Maximalbefristungsdauer) gearbeitet haben, ihnen praktisch keine Stellen mehr zur Verfügung stehen. Dadurch wird die Maximalbefristungszeit zur „Lebenszeit“ von akademischen Mitarbeiter*innen – wer nach den sechs Jahren keine Chance auf eine Professur, Verwaltungsstelle oder eine der sehr wenigen Ratsstellen hat, ist raus; oft war die Anstrengung für die wissenschaftliche „Karriere“ vergeblich. An diesem System möchte der Gesetzgeber aber nichts ändern. Die bekundete Absicht ist lediglich, allzu kurze Befristungen zu vermeiden. Grundsätzlich lehnen wir die Bearbeitung von Daueraufgaben durch befristete Stellen ab, stattdessen sollten Daueraufgaben von Dauerstellen übernommen werden.

Unsere Forderungen beziehen sich daher auf den Fall, dass nur Verbesserungen am bestehenden System der Befristung vorgenommen werden, ohne die oben beschriebenen Probleme nachhaltig zu lösen. Im Prinzip fordern wir das bestehende Befristungsunwesen, welches mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz geschaffen wurde, zu beenden.

Dabei gibt es im Gesetz sieben Kernpunkte, die im Folgenden aufgeführt und kommentiert sind.

1. Bindung der Befristung an die Qualifizierung

Der Gesetzentwurf führt eine Bindung der Befristung daran ein, dass „die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt“ (§2 Abs.1 Satz 1 neu). Dies klingt zunächst gut, weil nicht mehr wahllos Befristungen im wissenschaftlichen und künstlerischen Bereich möglich sein sollen. Allerdings führt die Begründung aus, dass es weiterhin keinen „Sachgrund“ im rechtlichen Sinne benötigt, um zu befristen. Außerdem wird „Qualifizierung“ weder im Text noch in der Begründung fest definiert und schließt im Wesentlichen alles ein, was die Hochschule als Qualifizierung definiert. Somit entpuppt sich die Regelung als Gummiparagraph.

2. „Angemessenheit“ der Befristungsdauer

In §2 Abs. 1 neu steht „Die vereinbarte Befristungsdauer ist jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist.“ Statt dieser schwammigen Formulierung fordern wir eine klare Definition der jeweiligen Mindestbefristungsdauer. Bspw. Mindestvertragslaufzeiten für die verschiedenen Qualifizierungen an den Hochschulen. Wir fordern einen gesetzlichen Katalog, der sowohl die möglichen Qualifizierungen an Hochschulen festlegt (Promotion, Habilitation, Post-Doc-Phase etc.) als auch für diese jeweils verbindliche Mindestbefristungszeiten festschreibt.

3. Tarifsperre

Der Sonderrechtsraum, den das Wissenschaftszeitvertragsgesetz schafft, zeigt sich nirgendwo deutlicher als in der sogenannten „Tarifsperre“. Diese schreibt vor, dass Befristungen kein Teil von Tarifverhandlungen sein dürfen – somit wird Arbeiter*innen jeglicher Spielraum genommen, über ihre Arbeitsverhältnisse selbst zu bestimmen. Denn Befristungen sind nicht nur tödlich für die Planbarkeit von Lebensverhältnissen, sondern auch für gewerkschaftliche Organisierung. Wer stets den Rausschmiss am Ende eines befristeten Vertrages fürchten muss, dem ist der Weg zur selbstbewussten Interessensvertretung versperrt. Deshalb fordern wir eindeutig: die Tarifsperre in § 1 Abs. 1 muss fallen.

4. Bindung der Befristungsdauer bei Drittmitteln an die Mittelbewilligungsdauer

Stellen, die durch Drittmittel finanziert werden, durften bisher auch beliebig befristet werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hatte gefordert, dass diese Befristung mindestens der Mittelbewilligungsdauer entsprechen muss. Dies scheint die Bundesregierung aufzugreifen, macht aber aus dem „muss“ ein „soll“ und öffnet damit Tür und Tor für Ausnahmen, bei denen weiterhin auch knapper befristet werden kann. Warum das nötig sein soll, bleibt rätselhaft – sollte es doch den Angestellten zumindest möglich sein, das Projekt, für das sie angestellt sind, auch bis zum Ende zu begleiten.

5. Wegfall Befristungsmöglichkeit bei Drittmitteln für nichtakademisches Personal

Der einzige Punkt, der im Gesetzentwurf uneingeschränkt zu begrüßen ist, ist der Wegfall der Klausel, dass auch nichtakademische Beschäftigte sachgrundlos befristet beschäftigt werden können, wenn ihre Stellen durch Drittmittel finanziert sind. Hier muss nun nach dem wesentlich besseren Teilzeit- und Befristungsgesetz gehandelt werden, das auch außerhalb der Hochschulen gilt. Die weggefallene Klausel war auch nicht zu erklären, da alle Argumente, die für Befristungen in der Wissenschaft sprechen sollen, hier nicht anwendbar sind.

6. 4-Jahres-Höchstbefristung studentischer Hilfskräfte

Der dickste Brocken für Studierende zum Schluss: §6 neu fügt einen neuen Abschnitt über studentische Hilfskräfte in das Gesetz ein. Hier wird eine maximale Befristungsdauer von 4 Jahren für Studierende in Studium das zu „einem ersten oder einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führt“ eingeführt. Da Hilfskräfte nie unbefristet eingestellt werden, bedeutet das de facto, dass Studierende nur vier Jahre ihres Studiums als Hilfskräfte arbeiten können. Für Studierende, die darauf angewiesen sind, ihren Lebensunterhalt mit Hilfskraft-Jobs zu verdienen, ist das fatal. In einigen Fächern ist es nicht mit dem Studium vereinbar, nebenbei noch außerhalb der Hochschule zu jobben – wenn dann der Hilfskraft-Job weg fällt, der sich in den Studienplan einbauen ließ, bekommen diese Studierenden existentielle Probleme. Auch gibt es keinen vernünftigen Grund, hier gesetzlich einzugreifen; die Verweise auf EU-Richtlinien gegen Befristung sollte die Bundesregierung stattdessen an anderen Punkten anwenden (s.o.). Diese gängelnde Regelung muss dringend wieder aus dem Gesetzentwurf gestrichen werden.

7. Gleichstellungsaspekte

§2 Abs. 1 Satz 4 (neu) der Gesetzesnovelle legt fest, dass die „…insgesamt zulässige Befristungsdauer […] sich bei Betreuung eines oder mehrerer Kinder unter 18 Jahren um zwei Jahre je Kind“ verlängert. Damit wurde verpasst, eine klare und eindeutige Regelung zur Befristungsdauer festzuschreiben. Faktisch gibt es damit keinen Anspruch auf automatische Verlängerung der Befristung, sondern eine Abhängigkeit von willkürlichen Entscheidungen der Wissenschaftseinrichtungen. Es ist bezeichnend, dass von den wenigen Arbeitsverträgen, deren Verlängerung auf dieser Regelung beruht, ein Großteil mit männlichen Beschäftigte besteht.

Weiterhin wird daran festgehalten, dass Drittmittelstellen nicht der individuellen Qualifizierung dienen. Dies hat zur Folge, dass Zeiten der Beurlaubung und Arbeitsverbotes, z. B. durch Mutterschutz, nicht auf die Vertragslaufzeit angerechnet werden. Gleichzeitig steigt die Zahl der Drittmittelbeschäftigten immer weiter. Somit wird eine Ungleichbehandlung, die auf fadenscheinigen Argumenten beruht, weiter vorangetrieben und wiederum werden vor allem Frauen* benachteiligt.

Ein dritter wesentlicher Aspekt, durch den Frauen* strukturell benachteiligt werden, ist die Anrechnung von Teilzeitarbeit auf die Befristungsdauer. Bereits ab 25% Teilzeitarbeit wird die Stelle voll auf die Befristung angerechnet. Damit wird den betroffenen Beschäftigten die Möglichkeit genommen, sich genauso umfänglich zu qualifizieren wie ihren Kolleg*innen in Vollzeit. Eine wesentliche Verbesserung würde eintreten, sollte die Anrechnung auf die Befristungsdauer nur im selben Maße wie der Beschäftigungsumfang erfolgen.