Qualitätspakt Lehre weiterentwickeln, Lehre stärker wertschätzen

Mit dem Hochschulpakt finanzieren Bund und Länder seit 2007 den Aufwuchs an Studienplätzen gemeinschaftlich je zur Hälfte. Mit dem Qualitätspakt Lehre hat der Bund seit 2011 ein Förderprogramm aufgelegt, das die Aufgabe hat, darüber hinaus auch die Studienqualität zu verbessern. In der ersten Förderperiode wurden immerhin 186 von heute 240 öffentlichen Hochschulen gefördert, in der zweite Phase werden noch 156 Hochschulen gefördert. Der Qualitätspakt wurde war ein Element, das der Diskussion über und die Entwicklung der Lehre in den vergangenen Jahren viele sinnvolle Impulse gegeben hat. Doch wie auch beim Hochschulpakt läuft die Förderung Ende 2020 aus und über die Nachfolge wird bereits rege diskutiert und auch verhandelt. Folgende Vorschläge sollen die Stärken des Qualitätspakt Lehre weiterentwickeln und einige Schwächen ausbessern.

Als Voraussetzung für gute Qualität: die Grundfinanzierung der Hochschulen verbessern

Die Ausgaben der Hochschulen sind in den vergangenen 20 Jahren preisbereinigt und pro Student*in gerechnet um mehr als ein Prozent pro Jahr gesunken, was verschiedene Studien errechnet haben. Der Hochschulpakt soll die Grundfinanzierung der Hochschulen unterstützen und finanziert jeden zusätzlichen Studienplatz seit 2007 mit trotz Inflation bis heute unverändert 26.000 Euro. Das waren bereits 2015 mehr als 10.000 Euro weniger als ein durchschnittlicher Studienplatz in Deutschland kostet, wodurch der Hochschulpakt die weitere Abnahme der Finanzierung der Hochschulen nur abmildern konnte. Über den Qualitätspakt werden von 2011 bis 2020 pro Jahr ca. 200 Millionen Euro an die Hochschulen vergeben, was nur als anreizsetzende Finanzierung zum Entwickeln und Ausprobieren lehrunterstützender Maßnahmen und Strukturen on top gedacht, aber keineswegs geeignet ist, die Finanzierung der Lehre grundsätzlich sicherzustellen. Durch die langjährig real abnehmenden Mittel werden die Hochschulen gezwungen, Lehre immer günstiger zu organisieren, wodurch jegliche Versuche, die Qualität zu verbessern, konterkariert werden.
Oftmals zeichnen sich diese Versuche durch eine Projektlogik aus, bei der, anstatt sich mit den grundlegenden Interessenskonflikten und Problemen der Lehre auseinanderzusetzen  das nächste Allheilmittel in Form eines „innovativen Konzept“ erwartetet wird, dass dann nur noch als „Projekt“ in allen Universitäten implementiert werden müsste. Lehrverbesserungen mit Projektcharakter sind selten wirklich wirksam, in den meisten Fällen bedeutet die durch sie verursachte Mühe sogar eher eine Verschlechterung der Lehre. Auch wenn diese Projekte erfolgreich sind, werden sie Ausnahmen bleiben, solange „Spitzen-Lehre“ nur als optionales Profilmerkmal verstanden wird. Um die Qualität der Lehre langfristig und nachhaltig sicher oder gar steigern zu können, muss deshalb die Grundfinanzierung der Hochschulen dringend deutlich angehoben werden.

Eine neue Organisation für die Lehre braucht viele Perspektiven

Bei der Diskussion über die Nachfolgevereinbarung zum Qualitätspakt Lehre wird intensiv über die Errichtung einer neuen Organisation für die Lehre debattiert, die ursprünglich der Wissenschaftsrat 2017 vorgeschlagen hat. Diese Organisation soll (je nach Perspektive variierend) einerseits die weitere finanzielle Förderung von innovativen Ideen, Projekten, Konzepten, Strukturen o.ä. zur Weiterentwicklung und Verbesserung der Lehre übernehmen und andererseits darüber hinaus die Akteur*innen der Lehre vernetzen, Austausch über Lehre organisieren und die geförderten Projekte analysieren, evaluieren und deren Nachhaltigkeit und Transfer unterstützen. Eine neue Organisation mit diesen Aufgaben im Bereich der Lehre (wie sie in etwa analog die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Forschung übernimmt) könnte den Stellenwert der Lehre erhöhen und die Qualitätsentwicklung voranbringen. Eine solche Organisation muss die Perspektiven vieler Involvierter im Bereich der Lehre gleichberechtigt integrieren. Mindestens vertreten sein sollten die Lehrenden, die Studierenden, die Lehr-Lern-Forschung und das Hochschulmanagement bzw. die Hochschulleitungen. Alle Beteiligten haben ihre eigene Perspektive auf die Lehre, die nur gemeinsam ein Gesamtbild ergeben. Eine tatsächliche Neuerung wäre eine Organisation für die Lehre, in der Lehrende und Lernende auf Augenhöhe einen gemeinsamen Begriff von guter Lehre entwickeln und die grundlegenden Probleme zu diskutieren, die dieser in der jetzigen Art und Weise, in der Lehre organisiert ist, entgegenstehen.

Wir brauchen eine nachholende Förderung aller Hochschulen 

In der ersten Förderperiode des Qualitätspakt Lehre wurden gut drei Viertel, in der zweiten werden noch knapp zwei Drittel aller öffentlichen Hochschulen antragsbasiert gefördert. Damit ist das Programm im Vergleich zu anderen Förderprogrammen und z.B. im Kontrast zur Exzellentinitiative/-strategie zwar deutlich stärker auf die Förderung der Hochschulen in der Breite angelegt. Ein Fördermodus, bei dem die Lehre an über einem Drittel aller Hochschulen nicht gefördert wird, ist aber trotzdem nicht angemessen. Keine Hochschule und kein Studiengang dürfen unter den Tisch fallen, wenn es um die Weiterentwicklung und Verbesserung der Lehre geht. Neben einer Weiterführung der Förderung brauchen wir künftig eine nachholende Förderung aller Hochschulen, damit die bisher Nicht-Geförderten aufholen können, was die anderen in zehn Jahren Projektlaufzeit vorlegen konnten. Unter der Prämisse, dass die geförderten Hochschulen schon vor knapp zehn Jahren die besseren Ideen hatten, für die sie seitdem Geld erhalten, hat das Programm die Qualitätsunterschiede zwischen den Hochschulen in der Lehre vergrößert. Die bisher nicht geförderten Hochschulen müssen deshalb dringend in die Lage versetzt werden, nachzuziehen. Hierfür könnte speziell fach- und hochschulübergreifender Transfer und Implementation positiv evaluierter Maßnahmen finanziert werden. Ebenso sollten erfolgreich evaluierte Maßnahmen lückenlos weitergeführt werden können.

Institutionelle Förderung statt Einzelförderung 

Die Lehre in einem Studiengang ist stets die gemeinschaftliche Aufgabe vieler (und heute regelmäßig wechselnder) Lehrender. Ein Studiengang kann zwar von der besonders guten Lehre Einzelner profitieren, dadurch kann, wenn nötig, die schlechte Lehre anderer jedoch nicht kompensiert werden. Es hilft in der Lehre also wenig, exzellenzorientiert wenige zu fördern, sondern es kommt darauf an, Konzepte und Strukturen an Hochschulen zu fördern, die geeignet sind, ein positives, unterstützendes Lehrumfeld zu etablieren, von dem die Lehrenden dauerhaft profitieren können. Es müssen also weiterhin vor allem strukturelle Konzepte und Maßnahmen gefördert werden, welche die ganze Hochschule adressieren und langfristig angelegt sind. Es bringt gerade angesichts der hohen Personalfluktuation wenig, wenn das Know-How zu guter Lehre bei Einzelnen verbleibt und den Hochschule mit diesen Leuten verloren gehen kann. Wir müssen dafür sorgen, dass die Voraussetzungen und Kompetenzen für gute Lehre an der Hochschule institutionell verankert werden.

Lehre stärken

Lehre muss an Hochschulen stärker wertgeschätzt und strukturell gefördert werden, monetär, aber auch nicht-monetär. Viele Wissenschaftler*innen lehren grundsätzlich gerne, müssen aber früher oder später feststellen, dass Lehre immer noch ein Karrierehindernis darstellt. Die einzige absichernde berufliche Perspektive für Wissenschaftler*innen an Hochschulen ist weiterhin, eine Professur zu erlangen. Jene wissenschaftliche Erfolge, die nötig sind auf dem Weg dahin, können aber weiterhin vor allem nur in der Forschung gesammelt werden. Das bedeutet, dass die Zeit, die Wissenschafter*innen in Lehre und Lehrentwicklung stecken, ihnen tendenziell dabei fehlt, dringend benötigte Erfolge in der Forschung zu sammeln. Als wichtigen Punkt, um die Qualität der Lehre zu verbessern, muss diese vor allem stärker wertgeschätzt und honoriert werden. Hierzu zählen z. B. die stärkere Gewichtung von Lehrerfahrungen, -qualifikationen und -leistungen bei Berufungsverfahren, die Anrechnung der (Weiter-)Entwicklung von Studiengängen und Lehrformaten (didaktisch wie digital) auf das Lehrdeputat gemäß der Lehrverpflichtungsverordnungen wie auch die Anpassung des Kapazitätsrechts.

Beschlossen durch den 61. AS am 7. April 2019.