Die Beschäftigten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen leiden seit Jahren unter einer hohen Befristungsquote. Derzeit sind an deutschen Hochschulen lediglich 18 Prozent der Arbeitnehmer*innen festangestellt, unter den wissenschaftlichen Angestellten an Universitäten sogar nur elf Prozent. Durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dürfen wissenschaftliche Mitarbeiter*innen bis zu 12 Jahren ohne Begründung befristet angestellt werden, in der Medizin sogar bis zu 15 Jahren. Das führt dazu, dass die Betroffenen konstant mit der Gefahr leben, dass sie plötzlich arbeitslos sind, da ihr Arbeitsvertrag nicht verlängert wird. Folglich lastet auf den Betroffenen ein großer Leistungs- und Konkurrenzdruck, um zu den wenigen zu gehören, die mit Glück eine Festanstellung ergattern können. Das prekäre Beschäftigungsverhältnis und die permanente Überarbeitung führen zu Selektionsprozessen. Personen mit Kindern bzw. Kinderwunsch überlegen sich zweimal, ob sie tatsächlich eine unsichere Karriere im Wissenschaftsbetrieb anstreben wollen. Die schlechten Arbeitsbedingungen an Hochschulen haben somit unmittelbare Folgen für die Diversität in der Wissenschaft und Lehre. Wissenschaftler*innen, ob mit Familie bzw. Pflegeaufgaben oder ohne benötigen mehr Planbarkeit.
Doch nicht nur die Angestellten selbst leiden unter den prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen. Auch das Niveau von Forschung und Lehre sinkt aufgrund der extremen Fluktuation. Durch den dauernden Wechsel des Lehrpersonals fehlt es an Konstanz und erfahrenem Lehrpersonal. Sicherlich ist es bis zu einem gewissen Grad auch ein Zugewinn, wenn immer wieder neuer Input durch neue Wissenschaftler*innen entsteht. Doch das Ausmaß ständig wechselnden Personals hat mit punktuellem Input nichts mehr zu tun. Studierende brauchen im Sinne qualitativ hochwertiger Lehre erfahrenes, dauerhaft an den Hochschulen tätiges und sich didaktisch weiterbildendes (Lehr-)Personal.
Auch die Forschung leidet unter der hohen Befristungsquote. Denn durch die Angst vor der drohenden Arbeitslosigkeit stecken Wissenschaftler*innen ihre Ressourcen in das Sichern der eigenen Stelle und haben so keine Kapazitäten mehr, gute Forschung zu betreiben.
Die Herausforderungen durch die rasant gewachsenen Studierendenzahlen sind in keiner Weise durch immer neue prekäre Projektstellen und „Nachwuchs“ ohne Perspektive zu bewältigen. Das Argument von Ländern und Hochschulen, dass die nur zeitlich begrenzt zur Verfügung stehenden Programmmittel unbefristete Arbeitsverträge verhinderten, gehört mit der Verstetigung des Zukunftsvertrags Studium und Lehre der Vergangenheit an.
Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten haben Folgen für Lehre und Diversität in der Wissenschaft. Durch die Coronakrise wurden die Defizite von Personalstruktur und Beschäftigungsbedingungen unübersehbar aufgedeckt.
Die deutsche Hochschullandsschaft braucht sofort eine umfassende Entfristungswelle. Wir fordern Dauerstellen für Daueraufgaben, eine Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, angemessene tarifliche Bezahlung und Mindestvertragslaufzeiten für studentische Hilfskräfte und eine Entfristungsquote von mindestens 50 % um eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Wissenschaftssystem und eine Verbesserung der Lehre zu gewährleisten.
Beschlossen auf der 66. Mitgliederversammlung des fzs