Online-Prüfungen: Datenschutz und Kompetenzorientierung verbinden

1. Prüfungswandel während Pandemiezeiten

Durch die aktuelle Covid-19 Pandemie ist gibt es schon seit Beginn im März 2020 Probleme bei der Durchführung von Prüfungen. Über die Sommermonate war es mit gutem Hygienekonzept und niedrigen Fallzahlen möglich Präsenzprüfungen durchzuführen. Die Prüfungsphase des Wintersemesters 20/21 sieht anders aus. Sie findet zumindest teilweise unter gesetzlichen Einschränkungen und einem erhöhten Infektionsrisiko statt.

Die Durchführung von Präsenzprüfungen bei hohen Fallzahlen und einschränkenden Schutzverordnungen sind zutiefst unverantwortlich gegenüber allen Beteiligten, sowie der Gesellschaft.

Es war durchaus abzusehen, dass für diese Prüfungsphase andere Prüfungsformate notwendig sein werden. Hier wurde sich nicht früh genug Gedanken gemacht und von den Ländern nicht genügend finanzielle Mittel für die hochschuldidaktische Entwicklung neuer Prüfungsformate zur Verfügung gestellt.

2. Online-Prüfungen

2.1 Prüfungsbedingungen

Spätestens jetzt also müssen Grundlagen für Online-Prüfungen geschaffen werden – kurzfristig, aber auch langfristig. Denn mit Onlineprüfungen wird im Idealfall ein weiteres Angebot zur Wahrnehmung von Prüfungen geschaffen, eines, das sich vom physischen Hochschulraum emanzipiert und somit auch hinsichtlich der Mobilität, z.B. (endenden) Aufenthalten VISAabhängiger Studierender, und individuellen Faktoren wie der Prüfungsangst, Lösungen präsentiert. Dies sollte als Angebot insofern geschaffen werden, dass Studierende ein Recht auf Prüfung in Präsenz behalten. Darüber hinaus müssen Regelungen der Online-Prüfungen mögliche technischen Störungen beachten. Diese dürfen über ihr Aufkommen hinaus keine Nachteile für die Prüflinge ergeben, sondern müssen angemessen ausgeglichen werden können (z. B. neuer Prüfungstermin oder mehr Prüfungszeit). Daher sollten Prüfungen auch so gestaltet werden, dass eine Störung nicht zum Verlust der ganzen bisherigen Prüfungsleistung führt und Prüfer*innen keine nachträglichen Änderungen der Prüfung vornehmen können (Datensicherheit).

Insgesamt sollten die Regelungen für Online-Prüfungen nicht derartig gestaltet werden, dass Closed Book Formate gefördert und Open Book Formate erschwert werden. Ganz im Gegenteil sollten Ressourcen eher in die didaktische Weiterentwicklung statt der Aufrechterhaltung des status quo fließen.

Bei Onlineprüfungen (insbesondere Klausuren im Closed Book Format) erkennen wir weiterhin eine besondere Belastung durch einen Generalverdacht gegenüber den Studierenden und davon beeinflussten, nämlich umso strengeren Authentifizierungsmaßnahmen (Identitätsprüfung, Klausurbedingung bzw. digitale Isolation der Prüflinge). Den daraus entstehenden Schub für sogenannte Aufsichtsprüfungen (Proctoring) betrachten wir mit Besorgnis, denn es ist zu erwarten, dass dabei rechtliche Grenzen tangiert oder überschritten werden.
Grundsätzlich sollte gelten, dass Online-Prüfungen (1) den Persönlichkeitsschutz und die Privatsphäre der Betroffenen nicht bzw. nicht über das für Prüfungen übliche notwendige Maß einschränkt (z. B. keine Prüfungsaufzeichung, keine Speicherung ID- relevanter Daten, keine ausufernde Analyse des Prüfungsverhaltens inkl. Eye-Tracking) und eine angemessene Verhältnismäßigkeit wahrt (z.B. eine Vergleichbarkeit der Identitätsfeststellung mit der Präsenzsituation), (2) geltende Datenschutzbestimmungen nicht verletzen und (3) so barrierefrei wie möglich gestaltet werden (z. B. Recht auf zuvorigen Techniktest, Adaption von Nachteilsausgleichen). In diesen Diskurs sind Studierendenvertretungen so früh wie möglich zu involvieren statt, dass unbeteiligt z. B. Proctoring-Pilotprojekte beginnen.

Besonders aktuell sei darauf hingewiesen, dass sowohl das Recht auf Prüfung als auch die Gesundheit der Studierenden und ihrer Angehörigen zu beachten und gegenüber der Lehrfreiheit zu priorisieren ist. Daher müssen unter pandemischen Bedingungen so viele Prüfungen wie möglich ohne Präsenznotwendigkeit stattfinden. Alle Prüfungen, die dennoch in Präsenz stattfinden sollen, sollen gegenüber den Studierenden angemessen begründet werden (z. B. Prüfungen im Labor).

Infolgedessen sollen die Hochschulen darauf achten, dass von Präsenzprüfungen betroffene Studierende nicht am gleichen Tag online geprüft werden, um Kollisionen oder Abhängigkeit vom Campus zu vermeiden. Diesbezüglich gilt aktuell auch, dass die Hochschulen intern überprüfen sollten, wie viele an Prüfungen Teilnehmende zum Prüfungsort reisen und wie sehr dadurch der Verkehr am Campus belastet/gefährdet wird.

Schließlich sollen die Hochschulen ihre Webpräsenzen über Regelungen hinaus so gestalten, dass Studierende sich gut über ihre (Prüfungs-)Rechte informieren können.

2.2 Nachteilsausgleich

 Damit Studierende auch am digitalen Prüfungsablauf ohne Einschränkungen teilnehmen
 können, muss der Nachteilsausgleich an die Rahmenbedingungen von Online-
 Prüfungssituationen angepasst werden. Einerseits soll der Nachteilsausgleich die
 neuen Prüfungsmodalitäten berücksichtigen, die durch digitale Formate zustande
 kommen, wie zum Beispiel auf Studierende Rücksicht nehmen, die am Computer nur
 eingeschränkt arbeiten können, beispielsweise beim Bedienen der Computer-Tastatur.
 Auch technische Probleme sowie Unverfügbarkeiten von technischen Geräten, wie zum
 Beispiel Webcams, Mikrofone, Computer oder auch Drucker, dürfen nicht zu Lasten der
 Studierenden gehen.

Hier muss der Nachteilsausgleich gewährleisten, dass solche Anliegen beachtet werden. Allerdings ist es durch die pandemisch bedingte Planungsunsicherheit gerade für nachteilsausgleichsberechtigte Studierende schwierig, im Voraus zu planen und eine Prüfung in der Hoffnung auf bessere Bedingungen zu verschieben. Außerdem besteht so die Gefahr, dass es im Sommersemester zu einem erhöhten Prüfungsaufkommen kommt. Hier sind individuelle Absprachen und eine Berücksichtigung der jeweiligen Situation der studentischen Person gefordert.

2.3 Innovative Prüfungsformate

Die Beantragung der Anmeldung von alternativen Prüfungsformaten muss möglich sein, um Studierenden, die nicht an Präsenzprüfungen teilnehmen können, gerecht zu werden. Neben der Übersetzung analoger in digitale Klausuren können auch Hausarbeiten oder mündliche Prüfungen angeboten werden. Hier gilt allerdings auch, dass die Prüfungen den gleichen Aufwand benötigen müssen wie in vergangenen Jahren und nicht mehr, um z.B. Täuschungsversuche zu minimieren.

Neben den genannten alternativen Formaten bieten innovative Umsetzungen wie beispielsweise E-Portfolios (basierend auf im Semester laufenden Feedbackprozessen, beispielsweise durch Audience Response Tools oder Quizze auf Learning Management Plattformen), Take-Home-Exams, Open- Book-Klausuren oder Gamification-Ansätze (game-based assessments) die Chance, Online-Prüfungsszenarien langfristig zu erweitern. Dies sind jedoch nur einige Beispiele, welche Prüfungsformen Online möglich sind. Oftmals ist es der Fall, dass in Prüfungen nur das Ergebnis eines Lernprozesses abgebildet, wie beispielsweise in Hausarbeiten oder Klausuren.

Die Wahl der Prüfungsform muss sich immer nach den Kompetenzen richten. Das gilt unabhängig davon, ob die Prüfung Online, in Präsenz oder anderweitig stattfindet. Jedes Modul hat eine eigene, angemessene, kompetenzorientierte Prüfungsform. Diese sollte auch genutzt werden. Keinesfalls sollte eine Online-Prüfung nur um ihrer selbst Willen genutzt werden.

Lehrende können nicht erkennen, welche Entwicklung die Lernenden während einer Lehrveranstaltung durchlaufen haben. Durch angeleitete Reflexionen, beispielsweise im Rahmen eines Portfolios, kann den Studierende ermöglicht werden, den eigenen Lernfortschritt kritisch zu hinterfragen und sichtbar zu machen. Durch die Verwendung digitaler Medien kann ein solches E-Portfolio niedrigschwellig gefüllt werden. Auch Take Home-Exams oder Open-Book-Klausuren bieten Studierenden die Chance, sich mit komplexen Problemenstellungen oder Rechercheaufträgen auseinanderzusetzen, die zu einem nachhaltigen Kompetenzzuwachs führen. Ebenso wie in der analogen Prüfungssituation, muss es hochschuldidaktische und technische Unterstützungsangebote für die Lehrenden geben, um die Sinnhaftigkeit und Relevanz der Prüfung kritisch zu reflektieren und auf diese Weise langfristig faire, kompetenzorientierte und nachhaltige Prüfungen zu gestalten.

Falls für die Durchführung der Prüfungen Software benötigt wird, sollten die Hochschulen auf Open Source Software setzen und sich nicht von Drittanbieter*innen abhängig machen.

3. Vor- und Nachteile der Prüfungsentwicklungen für weitere

Studienfaktoren

Die Möglichkeiten digital zu prüfen bringen daher nicht nur Probleme. Für die Zukunft sollte es zum Beispiel weiterhin möglich bleiben mündliche Prüfungen digital abzunehmen, solang das im Einvernehmen geschieht. Auch für die Internationalisierung und Mobilität im Studium kann die digitale Durchführung von Prüfungen neue Möglichkeiten eröffnen und viele Dinge vereinfachen.

Beschlossen auf der 66. Mitgliederversammlung des fzs