Wohnungsnot beseitigen – langfristig planen

Das Positionspapier soll eine erste grundsätzliche Positionierung des fzs zu studentischem Wohnraum bilden und einen Ausgangspunkt für die politische Außenvertretung sowie detailliertere Positionierungen des Dachverbandes und der StudentInnenvertretungen bilden. Wohnraumengpässe spitzen sich zu

Die Wohnraumengpässe an deutschen Hochschulstandorten haben sich in den letzten Jahren immer weiter zugespitzt. Insbesondere zu Beginn des Wintersemesters herrschen alljährlich vielerorts katastrophale Zustände. Betroffen sind überwiegend StudienanfängerInnen, ausländische StudentInnen sowie innerhalb Deutschlands mobile StudentInnen. Immer häufiger werden Notunterkünfte angeboten, viele StudienanfängerInnen sind auch über längere Entfernungen hinweg zum Pendeln gezwungen. Das zunächst in westdeutschen Ballungsräumen zu verzeichnende Problem dehnt sich mittlerweile auch in kleinere sowie ostdeutsche Studienstandorte aus. Generell fehlt angemessener, den verschiedenen Bedürfnissen der Betroffenen genügender, für den studentischen Geldbeutel bezahlbarer Wohnraum. Die Studie „Euro Student 2000“ (hrsg. von Hochschulinformationssysteme (HIS) Hannover) weist darauf hin, dass nirgendwo in den verglichenen europäischen Staaten die Unzufriedenheit mit studentischem Wohnraum so groß ist wie in Deutschland.

Die Verantwortlichen werden der Problemlage nicht gerecht

Verantwortlich für das Problem sind in erster Linie Kommunen, Studentenwerke und private InvestorInnen; für die Finanzierungsseite zusätzlich Bund und Länder. Die Investitionen in (Miet-)Wohnungsneubau sind ebenso wie die öffentlichen Zuschüsse für diese Investitionsmaßnahmen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Durch Steuerabbau, Steuergeschenke und falsche Prioritätensetzung haben Bund und Länder sich selbst sowie die Kommunen in eine allgemeine finanzpolitische Handlungsunfähigkeit manövriert. Viele Kommunen sind sich der besonderen Verantwortung, die aus ihrer Stellung als Hochschulstandort erwächst, nicht bewusst. Viele Studentenwerke sowie das Deutsche Studentenwerk (DSW) arbeiten kaum an einer allgemeinen Lösung des Wohnraumproblems. Der geforderte Neubau von 20.000 Wohnheimplätzen für ausländische StudentInnen wird die allgemeine Wohnungsnot nicht beseitigen. Eine Konzentration auf Wohnheimbau bei Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus kann zudem zu weiteren sozialen Spannungen führen und die Integration der StudentInnen in das kommunale Leben behindern.

Die Verantwortlichen für die gravierende Wohnungsnot ausländischer StudentInnen sind vor allem die Mitglieder der „Konzertierten Aktion ´Internationales Marketing für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland`“, welche mit massiven finanziellen Mitteln ausländische StudentInnen nach Deutschland anwirbt, ohne dass die sozialen Voraussetzungen für die grundsätzlich wünschenswerte Erhöhung des Anteils ausländischer StudentInnen gegeben sind. Unter den Mitgliedern der „Konzertierten Aktion“ sind neben den Fachressorts für Bildung und Wissenschaft des Bundes und der Länder auch DSW, Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Deutscher Städtetag.

Letztlich trifft aber auch einen Teil der StudentInnenvertretungen eine Mitschuld an der Misere, da häufig das (bundesweite) Ausmaß der Wohnungsnot verkannt und zu spät auf das Problem aufmerksam gemacht wurde. Vielfach werden auch die Verantwortlichen zu spät informiert, gemeinsame Lösungsansätze wurden versäumt. Grundsätzlich besteht ein Problem der Kommunikation zwischen den mit der Wohnraumproblematik befassten Institutionen, welches einer grundlegenden Lösung bedarf.

Generelle Zielvorstellungen

Ausreichend bedarfsgerechter, finanzierbarer Wohnraum ist eine wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Studiums. Wer keine angemessene Wohnung hat, über weitere Entfernungen pendeln muss oder aufgrund überhöhter Preise zusätzlich jobben muss, kann sich nicht auf das Studium konzentrieren. Dies führt zu unnötigen und ungewollten Studienzeitverlängerungen sowie zu Einbußen bei Studien- und Lebensqualität.

StudentInnen wohnen weitestgehend in ähnlichen Wohnungen wie Alleinstehende und Kleinfamilien. Die beliebtesten Wohnungen sind Einzel- und Doppel-Appartements sowie für Wohngemeinschaften geeignete Mehrzimmerwohnungen.

Beruflich bedingt existieren jedoch einige allgemeine Voraussetzungen für studentischen Wohnraum, die eine Unterscheidung von anderen gesellschaftlichen Gruppen notwendig machen:

  • Erstens herrscht eine große Fluktuation; Eigentumswohnungen und auf Dauer angelegte Wohnformen stellen eine seltene Ausnahme dar. Die Wohnungssuche gestaltet sich insbesondere für StudienanfängerInnen und ausländische StudentInnen wegen der Struktur der Studienplatzvergabe und fehlender zeitlicher und finanzieller Ressourcen ausgesprochen schwierig. Sie erfolgt zudem schubartig; insbesondere vor Semesterbeginn muss daher regelmäßig ausreichend freier Wohnraum vorhanden sein.
  • Zweitens sind studentische Wohnungen regelmäßig zugleich Wohn- und Arbeitsstätte. Etwa die Hälfte der studienbedingten Arbeitszeit wird außerhalb der Hochschulveranstaltungen verbracht, zu einem bedeutenden Anteil nicht nur in Bibliotheken, sondern auch in der Wohnung. Studentischer Wohnraum muss daher generell Anforderungen an einen Heimarbeitsplatz genügen.
  • Drittens muss studentischer Wohnraum aufgrund der finanziellen Situation der StudentInnen preiswert sein. Mietzahlungen stellen einen überdurchschnittlich hohen Prozentsatz der regelmäßigen Ausgaben dar. Sowohl bei der Studienfinanzierung als auch bei Gestaltung der Mietpreise muss auf diese besondere Situation Rücksicht genommen werden.
  • Viertens suchen viele StudentInnen eine Wohnung sowohl in der Nähe der jeweiligen Hochschule als auch eingebunden in die jeweilige Kommune und das kulturelle Leben. Ausschließlich an den Campus gebundene studentische Wohnsiedlungen und ein Leben in rein studentischen Kommunen lehnt ein überwiegender Anteil der StudentInnen ab. Hinzu kommt, dass die übergroße Mehrheit nicht am motorisierten Individualverkehr teilnimmt und daher auf eine gute ÖPNV-Anbindung oder kurze Wege mit Fahrrad oder zu Fuß angewiesen ist. Entsprechend sind ausreichende Wohnangebote insbesondere in den Innenstädten notwendig.

Der fzs ist überzeugt, dass eine enge Kooperation von StudentInnenvertretungen, Kommunen, Studentenwerken und Hochschulen eine Voraussetzung für eine gute Versorgung mit bedarfsgerechtem Wohnraum darstellt. Ferner müssen die Kommunen mit finanzieller Unterstützung der Länder und des Bundes, besonders in Gebieten mit Wohnraummangel, dafür Sorge tragen, dass ausreichend in den öffentlichen Wohnungsbau investiert und StudentInnen ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.

Konkrete Maßnahmen zur Behebung der Wohnungsnot

  1. 1. Der fzs fordert den Deutschen Städtetag auf, sich ernsthaft des Themas Wohnungsnot in Hochschulstädten anzunehmen. Bereits kurzfristig sollten gemeinsam mit VertreterInnen der StudentInnen Leitlinien und Arbeitshinweise zur Behebung konkreter Wohnraumprobleme erarbeitet werden. Diese sollten Kommunen, StudentInnenvertretungen, Hochschulen und Studentenwerken als Empfehlung an die Hand gegeben werden.
  1. 2. Zur Erarbeitung einer langfristigen Strategie fordert der fzs den Deutschen Städtetag auf, gemeinsam mit VertreterInnen des Bundes, der Länder, der Studentenwerke sowie der StudentInnen eine Arbeitsgruppe einzurichten. Die Wohnraumprobleme und Erwartungen von StudentInnen in Deutschland sollen einer genauen Analyse unterzogen werden, welche besonders zukünftige Entwicklungen der StudentInnenzahlen, die Vergrößerung des Anteils ausländischer StudentInnen sowie die gesamtgesellschaftliche Entwicklung berücksichtigt. Die Arbeitsgruppe sollte ihre Arbeit innerhalb der nächsten zwei Jahre abgeschlossen haben, eine Umsetzung der Vorschläge innerhalb dieser Legislaturperiode beginnen.
  1. 3. Der fzs fordert Bund und Länder auf, die Investitionen in den öffentlichen Wohnungsbau bereits kurzfristig stark zu erhöhen, um spätestens mit Beginn des WS 04/05 eine deutliche Entlastung der Wohnungsnot in Hochschulstädten zu bewirken.
  1. 4. Der fzs fordert alle Beteiligten an der „Konzertierten Aktion ´Hochschulmarketing für den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland`“ auf, aus Verantwortung für die StudentInnen und die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Institutionen die „Konzertierte Aktion“ zu beenden bzw. zu verlassen.

Bis zur Entspannung der Wohnraumsituation in Hochschulstädten wird der fzs mit Hilfe von Kampagnen, Tagungen, Seminaren, Arbeitsgruppen und weiteren Maßnahmen auf eine Lösung des Problems hinarbeiten und die lokalen StudentInnenvertretungen in ihrer Arbeit unterstützen.

Beschlossen auf der 22. MV in Münster, November 2002