Studentische Mobilität erhöhen und sozial gerecht gestalten

Im Abbau zwischenstaatlicher und kultureller Barrieren und Grenzen, sieht der fzs dabei eine der größten Chancen. Voraussetzung dafür ist, dass Mobilität als gesamtgesellschaftlicher Nutzen begriffen und entsprechend gefördert wird. Aktuell jedoch ist die Mobilität der StudentInnen nach Ansicht des fzs weitaus zu gering, zudem stellen oftmals soziale bzw. finanzielle Hürden den Hinderungsgrund dar. Diese Situation kann nicht als befriedigend angesehen werden; soziale oder finanzielle Voraussetzungen dürfen keine und keinen daran hindern, mobil zu sein. Begriffsbestimmungen

Unter Mobilität wird hier das Verbringen von Studienzeiten im Ausland verstanden. Die folgenden Definitionen sollen Klarheit über die unterschiedlichen Modi von Mobilität bzw. mobilen StudentInnen verschaffen. Zunächst lässt sich Mobilität nach der Dauer des Auslandsaufenthalts und der angestrebten Studienziele klassifizieren:

  • vertikale Mobilität: Unter vertikaler Mobilität wird ein eher langfristiger, meist unter dem Ziel der Absolvierung eines kompletten Abschlusses stehender Auslandsaufenthalt einer/s Studentin/en verstanden.
  • horizontale Mobilität: Unter horizontaler Mobilität ist ein kurzfristiger, meist etwa ein bis zwei Semester währender, Auslandsaufenthalt zu verstehen, wobei hierbei lediglich einige Module bzw. einzelne Studienleistungen im Ausland erworben werden, jedoch kein vollständiger Abschluss.

Daneben ist ebenso die Unterscheidung nach der Art der Organisation des Auslandsaufenthalts hilfreich:- ProgrammstudentInnen: StudentInnen, die im Rahmen eines Mobilitätsprogramms, wie z.B. ERASMUS, einen Auslandsaufenthalt verbringen, werden im folgenden als ProgrammstudentInnen bezeichnet. Dies ist am häufigsten im Rahmen horizontaler Mobilität oder bei Masterprogrammen der Fall. – free mover: StudentInnen, die ohne Einbindung in ein Mobilitätsprogramm einen Auslandsaufenthalt verbringen, werden im folgenden als free mover bezeichnet. StudentInnen, die im Ausland ein komplettes grundständiges Studium absolvieren, sind meist free mover.

Warum StudentInnen mobil sein sollen

Durch den internationalen Austausch sowie neu entstehende internationale Verflechtungen – nicht nur im akademischen, sondern ebenso im kulturellen, individuellen und wirtschaftlichen Kontext – kann eine hohe Mobilität von StudentInnen erhebliche positive Auswirkungen sowohl für die bzw. den einzelneN als auch für die Hochschullandschaft und die gesamte Gesellschaft bewirken. Durch die umfangreichen Erfahrungen und hinzu gewonnenen Qualifikationen durch einen Auslandsaufenthalt haben mobile StudentInnen die Möglichkeit, sowohl kulturell und sozial, als auch wirtschaftlich durch verbesserte Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt, von Mobilität individuell zu profitieren. Ebenso eröffnet eine hohe Mobilität den StudentInnen im akademischen Kontext sehr weite Möglichkeiten. So wird z.B. ein Zugang zu einem weitaus größeren Angebot an Lehr- und Forschungsmöglichkeiten geschaffen als dies im nationalen Rahmen möglich ist. Darüber hinaus fördert Mobilität die Erfahrung von kultureller und wissenschaftlicher Vielfalt und damit die Toleranz mobiler StudentInnen sowie den Abbau von Rassismus und Xenophobie.

Bezogen auf die Hochschullandschaft bewirkt eine hohe Mobilität von StudentInnen, DozentInnen, Forschenden und Hochschulpersonal positive Impulse für Studium, Lehre und Forschung durch den Austausch von wissenschaftlichen und didaktischen Methoden, wissenschaftlichen Erkenntnissen, durch die Vermittlung umfangreicher Kompetenzen und Qualifikationen, sowie dem Austausch von ”best practice“.

Mobilität darf nicht brain drain bedeuten

Auch für die gesamte Gesellschaft – sowohl auf entsendender als auch auf empfangender Seite – kann und muss eine hohe Mobilität positive Entwicklungen erzielen. Der wissenschaftliche Austausch kann dem Zwecke der ”Entwicklungshilfe“[1] dienen, was insbesondere bei Mobilität zwischen stark unterschiedlich entwickelten Ländern eine große Chance darstellt. Dabei muss dieser ”Entwicklungshilfegedanke“ jedoch selbstlos verstanden werden und darf sich nicht lediglich auf dem Erhoffen eigener Vorteile, z.B. durch die Erschließung neuer Absatzmärkte, begründen. Ebenso wenig darf unter ”Entwicklungshilfe“ das Aufzwingen des eigenen Weltbilds, des eigenen politischen Systems oder der eigenen Kultur verstanden werden, sondern es muss ”schwächer entwickelten Ländern“ der Weg zu höherer wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und sozialer ”Entwicklung“ und somit zu höherem Wohlstand der gesamten Gesellschaft eröffnet werden, wobei dies auf Basis eines gleichberechtigten Austausches stattfinden sollte.

Besonders scharf zu kritisieren ist die teils höchst unverantwortliche Anwerbepolitik vieler westlicher Staaten, welche auf einem ”Wettbewerb um die besten Köpfe“ basiert und darauf ausgerichtet ist, möglichst die bestqualifizierten mobilen StudentInnen nach Absolvierung des Studiums bzw. möglichst lange im eigenen Land zu halten. Mobilität bewußt als Instrument im ”Wettbewerb um die besten Köpfe“ mißzuverstehen, so wie es angesichts von Aktivitäten, die auf Marketing für den und Profilierung des ”Forschungsstandorts Deutschland“ abzielen, der Trend zu sein scheint, lehnt der fzs entschieden ab. Insbesondere missbilligt der fzs Bestrebungen, einen einseitigen Strom ”erstklassiger“ WissenschaftlerInnen oder ausschließlich den ”Austausch“ aufstrebender Hoffnungsträger für Politik und Wirtschaft zu fördern. Projekte wie die deutsche Green Card oder das kürzlich beschlossene Mobilitätsprogramm ”ERASMUS Mundus“ können als eben diese einseitige Förderung von ausgewählten WissenschaftlerInnen und Fachkräften nach Europa bzw. Deutschland gesehen werden. Mittelzuweisungsmodelle für Hochschulen, die überdurchschnittliche Anteile ausländischer Studierender belohnen, wie das z.B. in Brandenburg der Fall ist, greifen ebenso zu kurz und sind gleich anderen finanziellen Anreizsystemen für/der Hochschulen, wie die Erhebung von Studiengebühren, abzulehnen. Die Erhöhung von Mobilität und die Schaffung gleicher Zugangsvoraussetzungen für alle Studierenden zu Mobilität kann nicht ohne den Abbau sozialer, wirtschaftlicher und damit auch wissenschaftlicher und akademischer Ungleichheiten innerhalb und zwischen Staaten erreicht werden. Eine hohe Mobilität darf nicht gleichzeitig einen massiven brain drain bedeuten. Dabei scheint derzeit eine besondere Aufmerksamkeit im EU-Osterweiterungsprozess und mit nicht-europäischen Staaten geboten. Jedoch darf der Gefahr von brain drain keinesfalls mit einer restriktiven Abschottungspolitik begegnet werden. Dies widerspricht dem Gedanken der Öffnung der Gesellschaft und des Abbaus staatlicher Grenzen.

Anerkennung und Transparenz verbessern

Eine vollständige Anerkennung von im Ausland erbrachten Studienleistungen und -abschlüssen ist eine elementare Voraussetzung zur Ermöglichung von Mobilität. An dieser Stelle sieht der fzs massiven Verbesserungsbedarf, wobei dieses Problem free mover besonders betrifft. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Anerkennung von im Ausland erworbenen Studienleistungen und -abschlüssen ist die umgehende Ratifizierung der ”Lisbon Convention of Recognition“, wozu der fzs die Bundesregierung und die Landesregierungen auffordert.

Um die Anerkennung und ”Lesbarkeit“ von Studienabschlüssen zu verbessern, ist eine flächendeckende Einführung des ”Diploma Supplement“[2], welches objektive Informationen über das jeweilige Hochschulsystem, die Einordnung der Hochschule in dieses sowie den inhaltlichen Aufbau des Studiums vermitteln soll, unabdingbar. Vor allem im Bereich der vertikalen Mobilität lässt dies merkbare Verbesserungen erwarten. Durch die Einführung des ”Diploma Supplement“ wird zudem die Transparenz von Studienabschlüssen, insbesondere für Institutionen und ArbeitgeberInnen die mit bestimmten Abschlüssen nicht vertraut sind, erhöht. Dadurch kann es AbsolventInnen erleichtert werden, mobil zu werden und auch außerhalb des Landes, in dem der Abschluß erlangt wurde, eine akademische oder berufliche Beschäftigung aufzunehmen. Darüber hinaus kann die Einführung eines ECTS-basierten Leistungspunktesystems die Anerkennung einzelner im Ausland erbrachter Studienleistungen bzw. Module ermöglichen, was insbesondere im Rahmen horizontaler Mobilität von hoher Bedeutung ist. Hierbei ist besonders eine sinnvolle und durchdachte Implementierung, welche sich tatsächlich an der Arbeitsbelastung orientiert und nicht lediglich darauf abzielt, möglichst schnell ECTS eingeführt zu haben, zwingend erforderlich.[3] Generell bedingt Anerkennung ein gegenseitiges Vertrauen zwischen Ländern, Hochschulen und Behörden.

Sowohl Hochschulen als auch Regierungen und Behörden müssen umfangreiche und zuverlässige Informationen über ihr jeweiliges Bildungssystem und ihre jeweiligen Programme und Abschlüsse bereithalten und diese sowohl anderen mit der Anerkennung betrauten Institutionen als auch potentiellen mobilen StudentInnen kostenfrei zur Verfügung stellen. Zwar besteht durch das Internet eine kostengünstige und einfache Möglichkeit, den Zugang zu solchen Informationen zu ermöglichen, dieser muss dennoch auch auf traditionellemWeg zu gleichen Bedingungen möglich sein. Neben der Erleichterung der Anerkennung hilft dies potentiell mobilen StudentInnen bei ihrer Planung und Entscheidungsfindung und bewahrt darüber hinaus vor falschen Erwartungen an Institutionen oder Programme durch Informationsdefizite.

Sprachliche Barrieren abbauen

Eine besondere Voraussetzung für Mobilität stellen umfangreiche Sprachkenntnisse dar. Dabei müssen entsprechende Kurse an der Heimathochschule der/dem mobilen StudentIn im Vorfeld eines Auslandsaufenthalts ermöglichen, entsprechende Kenntnisse zu erwerben. Ebenso muß auch die empfangende Hochschule entsprechende Kurse anbieten, damit die/der mobile StudentIn während des Aufenthalts dort begleitend Sprachkenntnisse erwerben bzw. vertiefen kann. Diese Kurse müssen für die gesamte Dauer des Auslandsaufenthalts zur Verfügung stehen. Der fzs betrachtet ein breites Angebot von Sprachkursen als Grundlage einer sich als international verstehenden Hochschule. Die Möglichkeit zum Erwerb umfangreicher Sprachkenntnisse – egal ob als Vorbereitung auf einen Auslandsaufenthalt oder aus anderweitigem Interesse – darf nicht von sozialen oder finanziellen Gründen abhängen. Daher fordert der fzs, dass Sprachkurse grundsätzlich gebührenfrei durch die Hochschulen angeboten werden und ebenso spezielle Sprachtests (z.B. TOEFL oder TestDaF) ohne die Entrichtung von Gebühren abgelegt werden können. Weiterhin ist eine Integration landeskundlicher Informationen in Sprachkurse zur Vorbereitung von mobilen StudentInnen auf einen Auslandsaufenthalt sinnvoll.

Abschlusssysteme sinnvoll nutzen

Die Einführung zweistufiger Abschlüsse im Rahmen des Bologna-Prozesses kann zu einer Förderung vertikaler Mobilität beitragen. So ist es denkbar, dass StudentInnen nach der Absolvierung der ersten Stufe ohne große Anerkennungsschwierigkeiten für das Studium zur Absolvierung der zweiten Stufe ins Ausland wechseln können. Jedoch reicht die alleinige Umetikettierung von Studiengängen in ”Bachelor“ und ”Master“ nicht aus; andere Namen allein schaffen keine Vergleichbarkeit oder höhere Transparenz. Vielmehr dürfen Instrumente wie das Diploma Supplement oder das ECTS (s.o.) bei der Einführung zweistufiger Abschlüsse nicht außer Acht gelassen werden, sondern müssen mit gleicher Priorität sinnvoll implementiert werden. Die Förderung horizontaler Mobilität darf zudem nicht weniger prioritär behandelt werden. Dabei müssen bestehende Mobilitätsprogramme, wie z.B. ERASMUS, weiter ausgebaut sowie neue geschaffen werden. Ebenso darf die Einführung zweistufiger Abschlüsse die Möglichkeiten horizontaler Mobilität nicht einschr änken, diese muss in beiden Stufen gleichermaßen flexibel möglich sein. Des Weiteren können Joint Degrees [4] ein wirksames Instrument zur Förderung der Mobilität von StudentInnen wie auch von DozentInnen darstellen. Solche Programme bieten große Chancen für einen umfangreichen Austausch von wissenschaftlichen Inhalten, Erkenntnissen der Forschung und didaktischen Methoden, wobei Voraussetzung dafür eine gemeinsame und gleichberechtigte Erarbeitung solcher Programme durch zwei (oder mehr) Hochschulen ist. Ebenso sollten sich Joint-Degree-Programme nicht nur auf den europäischen Raum beschränken. Grundsätzlich lehnt der fzs ”virtuelle Mobilität“ als gleichwertigen Ersatz für physische Mobilität ab.

Während eines Auslandsaufenthaltes gewonnene akademische und persönliche Erfahrungen sind durch virtuelle Mobilität nicht ersetzbar. Somit existiert nach überzeugung des fzs keine ”e-mobility“ im üblichen Sinne von Mobilität, die insbesondere die Mobilität von StudentInnen und nicht die Mobilität von Programmen meint. Dennoch ist bei der Umsetzung verschiedener Programme ”e-Learning“ als Alternative für StudentInnen, welchen (physische) Mobilität aus persönlichen Gründen nicht möglich ist, zu berücksichtigen. Dabei dürfen die Hinderungsgründe an (physischer) Mobilität jedoch keinesfalls finanzieller oder sozialer Natur sein.

Rechtliche Rahmenbedingungen verbessern

Als besonders gravierendes Problem für mobile StudentInnen erweisen sich Bestimmungen über die Erteilung von Visa und Aufenthaltsgenehmigungen. Restriktive und höchst bürokratische Bestimmungen des ”AusländerInnenrechts“ stellen mobile StudentInnen vor erhebliche organisatorische Probleme sowie setzen diese oftmals einem erheblichen psychologischen Leistungsdruck aus. Letzteres wird zu einem erheblichen Teil durch Behörden vor Ort verursacht, indem Ermessensspielräume von Regelungen im negativen Sinne ausgereizt werden. Auch wesentlich schärfere Zugangsregelungen der Hochschulen für mobile StudentInnen im Vergleich zu inländischen StudentInnen verhindern eine hohe Mobilität. Sämtliche zuvor genannten Probleme treffen dabei insbesondere mobile StudentInnen aus Nicht-EU-Staaten sowie free mover. Der fzs fordert eine Gleichbehandlung mobiler StudentInnen mit inländischen StudentInnen hinsichtlich sämtlicher administrativer Angelegenheiten.

Der fzs fordert grundsätzlich, dass sich für StudentInnen kein Zwang zur Erwerbstätigkeit zwecks der Finanzierung des Studiums ergeben darf. Ebenso grundsätzlich jedoch ist es abzulehnen, dass sich die Rechtslage in Bezug auf Erwerbstätigkeit zwischen inländischen und mobilen StudentInnen massiv unterscheidet. Auch hier ist die Benachteiligung von StudentInnen aus Nicht-EU-Ländern besonders massiv. Der fzs ist der Überzeugung, dass sowohl für mobile als auch für inländische StudentInnen die gleichen arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen gelten müssen. Neben der Möglichkeit, hierdurch übergangsweise – also bis zum Vorhandensein ausreichender staatlicher Studienfinanzierung, was die einzige langfristig akzeptable Regelung darstellt – auch finanzielle Hürden beim Zugang zu Mobilität verringern, muss es mobilen StudentInnen in gleicher Weise wie inländischen StudentInnen möglich sein, studienbegleitend fachverwandte Tätigkeit, z.B. als studentischeR BeschäftigteR an der Hochschule, auszuüben.

Insbesondere die Regierungen, jedoch auch die EU und einzelne Behörden vor Ort, fordert der fzs auf, im Bereich des Aufenthalts- und Arbeitsrechts die vorhandenen massiven Hürden und Benachteiligungen für mobile StudentInnen, DozentInnen, wissenschaftliche MitarbeiterInnen und administratives Personal zu beseitigen. Daneben hält der fzs eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den AusländerInnenbehörden und den Hochschulen im Sinne der mobilen StudentInnen für sinnvoll. Dies kann z.B. regelmäßige Treffen zwischen der Behörde und entsprechenden Abteilungen der Hochschule, eine mehrsprachige Öffentlichmachung der Vorschriften und Regelungen der örtlichen AusländerInnenbehörde im Internet sowie in Papierform und gemeinsame Informationsveranstaltungen für StudentInnen bedeuten. Vielfach sind MitarbeiterInnen der kommunalen Behörden über Abläufe an den Hochschulen schlicht nicht informiert, was sich zum Nachteil mobiler StudentInnen auswirkt.

Soziale Barrieren beseitigen

Sowohl nationale als auch europäische Erhebungen zeigen, dass die Möglichkeit eines Auslandsaufenthalts stark an die finanzielle Leistungsfähigkeit von StudentInnen gekoppelt ist. Unter StudentInnen aus sozial schwachen Schichten ist der Anteil derer, die während des Studiums einen Aufenthalt im Ausland verbringen, wesentlich geringer als bei StudentInnen aus sozial besser gestellten Schichten. Die Kopplung des Zugangs zu Mobilität an finanzielle und soziale Bedingungen betrachtet der fzs als besonders prekäres Problem und die Beseitigung dieser Barrieren muss höchste Priorität genießen.

Die staatlichen Studienfinanzierungssysteme sind oft insbesondere im Kontext mobiler StudentInnen völlig unzureichend. Staatliche Darlehen und Zuschüsse müssen von mobilen StudentInnen während eines Auslandsaufenthalts in voller Höhe weiter bezogen werden können. Ebenso muss die Studienfinanzierung unabhängig davon, ob sich die/der StudentIn nur für ein Semester oder aber zur Erlangung eines kompletten Abschlusses im Ausland aufhält, sichergestellt sein. Generell sollten zudem mittelfristig alle Darlehenssysteme in Zuschusssysteme umgewandelt werden, da die Angst vor Verschuldung gerade StudentInnen aus bildungsfernen Schichten vom Studium generell und insbesondere davor, mobil zu sein, abschreckt. Zudem fördern Darlehenssysteme die Gefahr von ”brain drain“, da StudentInnen aufgrund besserer Verdienstmöglichkeiten bevorzugt in einem wirtschaftlich ”besser entwickelten Land“ verbleiben. Da die Lebenshaltungskosten – selbst innerhalb der Europäischen Union – sowohl zwischen Staaten als auch Regionen teilweise massiv differieren, müssen für entsprechende Fälle hinreichende spezielle Zuschüsse für mobile StudentInnen gewährt werden; dies muss insbesondere im Rahmen der Mobilität zwischen Ost und West sowie Süd und Nord stark berücksichtigt werden. Das Fehlen ausreichender finanzieller Ausgleiche für stark unterschiedliche Lebenshaltungskosten verhindert derzeit insbesondere die Mobilität von osteuropäischen Ländern in EU-Staaten. Auch kann nicht – wie derzeit beim BAföG – uneingeschränkt vorausgesetzt werden, dass Lebenshaltungskosten innerhalb der EU völlig homogen sind. Neben unterschiedlichen Lebenshaltungskosten müssen auch andere durch die Mobilität von StudentInnen entstehenden Mehrkosten, z.B. Fahrtkosten, hinreichende Berücksichtigung in Studienfinanzierungssystemen finden.

Der fzs betrachtet Bildung als ein öffentliches Gut und lehnt daher die Erhebung von Studiengebühren generell ab. Wo Studiengebühren jedoch bereits eingeführt sind, erweisen sich diese als weiteres Mobilitätshindernis insbesondere für sozial schwächer gestellte Studierende. Bei Mobilität in ein Land oder an eine Hochschule, welche(s) Studiengebühren erhebt, müssen diese ebenfalls durch spezielle Zuschüsse im Studienfinanzierungssystem des entsendenden Landes gedeckt werden oder für mobile StudentInnen erlassen werden. Insbesondere erweisen sich höhere Gebühren für mobile StudentInnen im Gegensatz zu Gebühren für inländische StudentInnen als besonderes Mobilitätshemmnis.

An sämtlichen Aufwendungen, die zur Ermöglichung einer hohen und für alle zugänglichen Mobilität entstehen, müssen alle Länder gleichberechtigt und ihren jeweiligen finanziellen Möglichkeiten nach angemessen beteiligt werden. Alle Staaten und dabei insbesondere jene, die einen hohen Anteil mobiler StudentInnen immer wieder gerne als ”Wettbewerbsvorteil“ hervorheben, fordert der fzs auf, gemeinsam gerechte Lösungen zum Aufbringen der erforderlichen finanziellen Mittel für eine sozial gerechte und allen zugängliche Mobilität zu finden. Dies könnte im Rahmen des Bologna-Prozesses beispielsweise durch einen europäischer Mobilitätsfonds, in den alle Länder ihrer Leistungsfähigkeit nach angemessen einzahlen und welcher entstehende Mehrkosten auffängt, geleistet werden. So würden die Regierungen der im ”Prague communiqué“ vereinbarten Berücksichtigung der sozialen Dimension von Mobilität näher kommen. Mobile StudentInnen akademisch und sozial integrieren

Der vollständigen akademischen und sozialen Integration mobiler StudentInnen müssen sowohl die Hochschulen als auch die Studentenwerke und StudentInnenschaften bzw. vergleichbare Einrichtungen große Aufmerksamkeit widmen. Dabei darf Integration jedoch nicht als zwanghafte kulturelle und soziale Anpassung mobiler StudentInnen verstanden werden, d.h. kulturelle und soziale Unterschiede und Besonderheiten müssen vollen Respekt genießen. Die vollständige Integration mobiler StudentInnen in das Hochschulumfeld erfordert eine angemessene Beteiligung mobiler StudentInnen sowohl an der studentischen als auch an der akademischen Selbstverwaltung. Insbesondere in Entscheidungen, welche die besonderen Interessen mobiler StudentInnen betreffen, müssen diese vollständig und gleichberechtigt eingebunden sein. Dabei sind die StudentInnenschaften aufgefordert, diese Ziele zu fördern und die besonderen Interessen mobiler StudentInnen bei ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Die Arbeit von Autonomen AusländerInnenreferaten oder vergleichbaren institutionalisierten Interessenvertretungen sollte dazu durch die StudentInnenschaften ermöglicht und unterstützt werden.

Zur Integration mobiler StudentInnen nicht nur in das akademische, sondern auch in das soziale und kulturelle Umfeld der Hochschule sollten die Hochschulen, die StudentInnenschaften und andere studentische Organisationen geeignete Projekte und Maßnahmen durchführen und unterstützen. Besonders in der Studienanfangsphase muss eine ausreichende Betreuung mobiler StudentInnen sichergestellt werden; dies beinhaltet neben einer Betreuung z.B. durch TutorInnen auch die Bereitstellung von umfangreichen und qualitativ hochwertigen Informationen über das akademische, kulturelle und soziale Leben in adäquater Weise, d.h. ggf. in mehreren Sprachen. Im Rahmen solcher Maßnahmen müssen free mover besonders berücksichtigt werden, da diese meist keine mit ProgrammstudentInnen vergleichbare Betreuung genießen.

Die Bereitstellung von Wohnraum für mobile StudentInnen, welcher der Nachfrage entspricht und die finanziellen Möglichkeiten von StudentInnen berücksichtigt, ist eine elementare Voraussetzung zur Ermöglichung von Mobilität. Aufgrund der häufig schlechten finanziellen Lage mobiler StudentInnen stellen Wohnheime der Studentenwerke ein wichtiges Instrument zur Förderung von Mobilität dar. Wohnheime sind für mobile StudentInnen häufig die einzige Möglichkeit, da der private Wohnungsmarkt aufgrund der finanziellen Lage faktisch nicht zugänglich ist. Sowohl Bund und Länder als auch die Studentenwerke sind daher aufgefordert, den Bau neuer und den Erhalt vorhandener Wohnheime sicherzustellen bzw. zu forcieren. Zwar ist eine Garantie von vorhandenem Wohnraum durch spezielle Programme nicht grundsätzlich abzulehnen, jedoch müssen für free mover gleichberechtigte Möglichkeiten im Zugang zu adäquatem Wohnraum bestehen. In Wohnheimen ist die Gefahr einer Ghettoisierung besonders hoch, welcher sowohl von den Studentenwerken als auch von den – sofern vorhanden – Wohnheimsselbstverwaltungen entgegen gewirkt werden muss. Die Ghettoisierung mobiler StudentInnen läuft Bemühungen zur Integration dieser in das Hochschulumfeld zuwider. über das Wohnheimsangebot hinausgehend ist die Unterstützung von mobilen StudentInnen bei der Suche nach angemessenem Wohnraum auf dem privaten Wohnungsmarkt, z.B. durch die Einrichtung von Wohnungsbörsen, durch die StudentInnenschaften, die Studentenwerke oder durch andere Organisationen zu befürworten. Darüberhinaus sind mobile StudentInnen bei der Wohnungssuche häufig rassistischen Diskriminierungen ausgesetzt, da leider häufig VermieterInnen bewusst Wohnungen nicht an AusländerInnen vergeben.

Nicht zuletzt sind alle beteiligten AkteurInnen aufgefordert, vollen Respekt gegenüber kulturellen und sozialen Unterschieden zu zeigen und darüber hinaus sowohl in der Hochschule wie auch im gesamten Umfeld einen Raum frei von Rassismus und Xenophobie zu schaffen. Hochschulen, StudentInnenschaften, Studentenwerke, andere studentische Organisation sowie auch einzelne Hochschulangehörige müssen jeglichen Ansätzen von Rassismus und Xenophobie entschieden entgegen treten und die Bereitschaft zur aktiven Toleranz fördern.

Spezielle Bedürfnisse besonders berücksichtigen

Bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung von Mobilität und der Entwicklung von Mobilitätsprogrammen müssen StudentInnen mit speziellen Bedürfnissen, z.B. behinderte und chronisch kranke StudentInnen oder StudentInnen mit Kind(ern), besonders berücksichtigt werden. Für StudentInnen mit Kind(ern) müssen vor allem besonders geeignete Wohnmöglichkeiten in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen sowie Möglichkeiten zur Kinderbetreuung vorhanden sein. Für behinderte und chronisch kranke StudentInnen müssen Bedingungen geschaffen werden, die ihnen ermöglichen, ihr Studium ohne Hindernisse zu absolvieren und mobil zu sein. Dazu gehört die Bereitstellung von zuverlässigen Informationen über Studien- und Lebensbedingungen an der Hochschule und am Hochschulstandort unter Berücksichtigung der speziellen Bedürfnisse. Daneben muss auch medizinische oder psychologische Betreuung sowie eine evtl. notwendige Assistenz während eines Auslandsaufenthalts sichergestellt sein und eventuell auftretenden Mehrkosten mit speziellen Förderungsprogrammen begegnet werden. Hochschulen, StudentInnenschaften, Studentenwerke, Regierungen und Krankenversicherungen, sind aufgefordert, hierzu nötige Maßnahmen zu treffen.

Fazit

Eine hohe Mobilität von StudentInnen ist aus akademischer, kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Perspektive wertvoll und von allen beteiligten AkteurInnen und Institutionen anzustreben. Diese hohe Mobilität muss allen StudentInnen unabhängig von sozialer Herkunft und finanziellen Möglichkeiten in gleichem Maße zugänglich sein. Insbesondere in diesem Punkt sieht der fzs noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Die meist völlig unzureichenden Studienfinanzierungssysteme müssen dringend ausgebaut werden und insbesondere StudentInnen aus ”wirtschaftlich schwach entwickelten Staaten“ muss eine höhere Partizipation an Mobilität ermöglicht werden. Dazu ist eine gerechte Verteilung der vorhandenen Kosten auf alle Länder je nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ebenso unerlässlich, wie eine Abkehr von hegemonialen Interessen.

Jedoch gestalten sich auch im akademischen Bereich die Vorraussetzungen für Mobilität keinesfalls optimal. Der Lösung von Anerkennungsproblemen muss hohe Priorität zukommen, um den akademischen Wert eines Auslandsaufenthaltes auch tatsächlich zu realisieren. Nicht zuletzt müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere bezogen auf das Aufenthalts- und Arbeitsrecht, derart gestaltet werden, dass sie nicht weiter in gleichem Maße wie bisher eine hohe Mobilität verhindern und mobile StudentInnen gegenüber inländischen StudentInnen massiv benachteiligen.

[1] Die Begriffe „Entwicklungshilfe“, „schwach entwickelte Länder“ sowie ähnliche Ausdrücke haben einen unschönen Beiklang im Sinne einer ausgedrückten Abwertung der gemeinten Länder. Diese ist jedoch keinesfalls Intention des Autors und ebenso wenig des fzs, weshalb entsprechende Ausdrücke hier in Anführungszeichen stehen.

[2] Siehe auch: „Grundsätze zur Einführung des Diploma Supplement“, Positionspapier beschlossen von der 21. MV

[3] Siehe auch: „ECTS – Verbessern und Weiterentwickeln“, Positionspapier beschlossen von der 22. MV [4] Siehe auch: „Joint Degrees“, Positionspapier beschlossen von der 22. MV

Beschlossen auf der 23. MV in Karlsruhe, Mai 2003