Kein Rückzug aus der indirekten Studienfinanzierung

So wird in Nordrhein Westfalen, nachdem im vergangenen Sommer durch studentische Proteste eine Kürzung der staatlichen Zuschüsse für die Studentenwerke noch verhindert werden konnte, die öffentliche (Mit-) Finanzierung der Studentenwerke in diesem Jahr erneut in Frage gestellt. Bereits in den vergangenen Jahren ist ein stetiger Rückzug des Landes aus der Finanzierung der Studentenwerke zu beobachten: Wurden im Jahr 1996 noch rund 29 Prozent der Kosten durch das Land getragen, waren es 2001 nur noch rund 25 Prozent des Gesamtvolumens. Die Folge dieses Rückzugs ist für Studierende durch steigende Sozialbeiträge bereits deutlich bemerkbar. Der durchschnittliche Sozialbeitrag pro Semester ist seit 1994 von 25 auf jetzt 42 Euro angestiegen. Gerade in den vergangenen Monaten wurden in fast allen Studentenwerken erneut massive Beitragserhöhungen beschlossen. Zwar sind in einigen Standorten die Gründe für diese drastischen Erhöhungen auch in der internen Wirtschaftsführung des jeweiligen Studentenwerks zu suchen, hauptverantwortlich hierfür ist und bleibt jedoch das Land.

In Brandenburg sind den beiden Studentenwerken Frankfurt/O. und Potsdam im laufenden Haushaltsjahr bereits eine Million Euro gekürzt worden. Dies entspricht circa 15 Prozent der gesamten Landeszuschüsse. In Frankfurt/O. hatte dies eine hundertprozentige Steigerung des Sozialbeitrages und eine Erhöhung aller Wohnheimmieten zur Folge. In Potsdam steht die endgültige Entscheidung einer zu erwartenden 60 Prozent Erhöhung des Sozialbetrages noch aus. Gleichzeitig wird hier neben der Erhöhung der Wohnheimmieten auch eine Erhöhung der Essenspreise um durchschnittlich 50 Cent diskutiert. Dabei handelt es sich nur um die erste Welle der Kürzungen. Bis zum Jahre 2007 sollen die Landeszuschüsse um insgesamt 50 Prozent reduziert werden.

Nordrhein Westfalen und Brandenburg sind jedoch nur zwei Beispiele für eine bundesweite Tendenz: In den anderen Bundesländern gestaltet sich die Lage kaum besser. In Rheinland-Pfalz ist ab 2004 eine dauerhafte Absenkung der Landesmittel für die Studentenwerke um 30 Prozent, das entspricht 2,3 Mio. Euro, geplant. Bereits in diesem Jahr wurden in einem ersten Schritt die Zuschüsse um 770 000 Euro gekürzt. Ähnliches trifft auch für die Studentenwerke in Sachsen, Thüringen, Hessen und Schleswig-Holstein zu. In Niedersachsen wurden die Etats für Sanierungskosten gekürzt. In den meisten Fällen waren diese Kürzungen mit einem unmittelbaren Anstieg der Sozialbeiträge, Mensapreise und Wohnheimmieten verbunden. Sie wirken sich also unmittelbar negativ auf die Lebensführung und Studienplanung der Studierenden aus.

Neben den Kürzungen, die in vielen Ländern beschlossen wurden oder in den kommenden Jahren drohen, ergeben sich für viele Studentenwerke zusätzliche Belastungen. Da die Finanzierung der Studentenwerke in der Regel zu einem erheblich Teil von den Beiträgen der Studierenden abhängen, wirken sich Veränderungen der Studierendenzahlen stark auf die Finanzsituation der Studentenwerke aus. Solche Veränderungen werden zum Beispiel durch studentenwerksexterne Effekte, wie Schließung von Studiengängen oder die Einführung von Langzeitstudiengebühren oder Studienkonten mit faktisch gleicher Wirkung herbeigeführt. Zu beobachten war dies zum Beispiel bereits in Baden-Württemberg; befürchtet wird eine entsprechende Entwicklung auch in anderen Bundesländern, wie Thüringen und NRW. Der fzs lehnt solche Maßnahmen daher auch aus diesem Grund ab.

Bei einer Verringerung der Studierendenzahlen muss das finanzielle Gesamtvolumen, das Studierenden durch ihre Sozialbeiträge leisten, auf weniger Schultern verteilt werden. Eine dem Rückgang der Studierendenzahlen entsprechende Verringerung der Leistungen würde auf die Schwierigkeit stoßen, dass die betroffenen Studierenden, zum überwiegenden Teil nicht mehr EmpfängerInnen von Leistungen der Studentenwerke sind.

Dies zeigen die Ergebnisse der 16. Sozialerhebung zur Lage der Studierenden insbesondere für den Bereich der Wohnheime und Mensen.

So leben von 100 Studierenden der Altersgruppe bis 21 Jahre, 24 in Wohnheimen. Von 100 Studierenden der Altersgruppe von 28 – 29 Jahren sind es bereits nur 8, in der Gruppe der Studierenden von 30 Jahren und älter lediglich 3 Studierenden die in Wohnheimen leben. Da das Wohnrecht in den meisten Wohnheimen des Studentenwerkes nach 8-10 Semestern endet, ist weiterhin anzunehmen, dass in höheren Semestern ein höher Anteil auf Wohnheimplätzen in privater Trägerschaft entfällt und somit eine noch geringere Anspruchnahme von Leistungen des Studentenwerkes. [Vgl. 16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, S.347 ff.]

Zum Bereich der Mensen wird ausgeführt: „In den ersten Semestern gehen mehr Studierende zum Mittagessen in die Mensa als in den mittleren und höheren Semestern. In der Regelstudienzeit beträgt der Stammgästeanteil mehr als 40%. Danach sinkt er allmählich von Semester zu Semester und es erhöht sich der Anteil derer, die früher als Stammgäste in die Mensa kamen und sie nun nur noch gelegentlich aufsuchen. Unter den Studierenden in den höheren Semestern (ab 15. Semester) halten sich Nichtnutzer und Nutzer-Anteile die Waage.“ [16. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, S. 392ff]

Die Studentenwerke wurden einst von Studierenden geschaffen, um vor allem sozial schwachen Bevölkerungsschichten die Aufnahme und Durchführung eines Studiums zu ermöglichen. Studentenwerke nehmen auf dem Wohnungsmarkt eine marktregulierende Funktion wahr, sie sind insbesondere in Universitätsstädten dazu in der Lage, Marktpreise für Wohnungen durch ein soziales Angebot zu regulieren. Zur Integration von ausländischen Studierenden in das deutsche Hochschulsystem können Studentenwerke einen großen Beitrag leisten. Gleichfalls erbringen sie an vielen Hochschulstandorten soziale Leistungen wie zum Beispiel Beratung von behinderten Studierenden, psychologische Beratungen oder eine Rechtsberatung und ermöglichen Studierenden mit Kindern durch den Betrieb von Kindertagesstätten ein komplikationsfreieres und erfolgreiches Studium. Jeder Euro, der das Budget von Studierenden entlastet, muss von diesen nicht auf dem Arbeitsmarkt erwirtschaftet werden, sie müssen durch die reduzierten Preise in den Wohnheimen und Mensen also weniger arbeiten und können daher selbstbestimmter und effizienter studieren. Die Betrachtungsweise vieler Ministerien, Studentenwerke wären einzig und allein Betreiber von Wohnheimen und Mensen, ist grundsätzlich falsch. Studentenwerke haben einen sozialen Auftrag, nämlich Studierende sozial zu mobilisieren. Es besteht jedoch bei den aufgezeigten Entwicklungen insgesamt die Gefahr, dass die Studentenwerke diesen sozialen Auftrag zukünftig nicht mehr erfüllen können. Daher ist eine grundsätzliche Debatte zur Zukunft der Studentenwerke notwendig. In dieser muss auch die Überlegung Berücksichtigung finden, die steigenden Leistungen der Studierenden an der Finanzierung der Studentenwerke, in einer steigenden Beteilung von studentischen VertreterInnen in Entscheidungsstrukturen auszudrücken.

Der fzs ist in diese Debatte bereits eingetreten. Als Ergebnis der Tagung von Leipzig „StudentInnenschaften und StudentInnenwerke/Zukunft der StudentInnenwerke“ vom Februar 2003 hat er mit Beschluss des AS von Halle vom 14.-16.3.03 eine Arbeitsgruppe „StudentInnenwerke“ eingesetzt. Diese hat den Auftrag bis zur 25. MV eine grundsätzliche Positionierung vorzubereiten und die Arbeit aufgenommen. Auch der Bundeskongress studentische Sozialpolitik 2003 in Potsdam wird das Themengebiet erneut aufgreifen.

Dem Ergebnis dieses grundsätzlichen Diskurses ist prinzipiell nicht vorzugreifen.

Die oben genannten Entwicklungen und Szenarien sind jedoch Probleme, die viele Studierendenvertretungen vor Ort, konkret und aktuell herausfordern. Daher erachtet es der fzs für notwendig, ihre Position im Kampf gegen den Sozialabbau der Länder bei den Studentenwerken zu stärken. Der fzs fordert deshalb:

1. Die Bundesländer und den Bund auf, sich zu der sozialpolitischen Aufgabe der Studentenwerke zu bekennen und die staatlichen Zuschüsse zu erhalten.

2. Die Bundesländer dürfen sich nicht aus der indirekten Studienförderung zurückziehen, da sich sonst wie oben ausgeführt, Studienerfolg und Studiensinn gefährdet sind.

3. Einen finanziellen Ausgleich für die in der Vergangenheit entstandenen und in der Zukunft ggf. entstehenden besonderen Lasten.

4. Die Studentenwerke der von Mittelkürzungen bedrohten Bundesländer auf, sich gemeinsam mit den Studierenden gegen die zu erwartenden Mittelkürzungen zu wenden und eine gemeinsame und konstruktive Strategie zu entwickeln. Die Studierenden empfinden sich als ein Motor für positive Entwicklungen bei den Studentenwerken, da diese für sie bezahlbar bleiben müssen.

5. Wir rufen alle anderen an den Studentenwerken beteiligten Gruppen, Studierendenschaften, Hochschulen und Personalvertretungen auf, diesen Kurs zu unterstützen und sich an entsprechenden Kampagnen zum Erhalt der öffentlichen Finanzierung zu beteiligen.

Beschlossen auf der 23. MV in Karlsruhe, Mai 2003