Keine weiteren Hürden beim Hochschulzugang!

In dieser Diskussion bezieht der fzs wie folgt Stellung:

Die KMK will den Ländern zwei Modelle zur Auswahl stellen, nach denen die Studienplätze für zulassungsbeschränkte Studiengänge, bislang verwaltet von der ZVS, künftig verteilt werden. Das von NRW favorisierte Modell sieht vor, dass demnächst 25% der Plätze den Abiturbesten des Landes zur freien Auswahl zur Verfügung gestellt werden. Weitere 25% sollen von den Hochschulen durch eine von ihnen frei bestimmbare Auswahlmethode vergeben werden, die letzten 50% wie bislang von der ZVS anhand der Kriterien Abiturnote und Wartezeit. Das zweite maßgeblich von Baden-Württemberg entwickelte Modell sieht vor, dass zunächst 50% der Plätze durch die Hochschulen selbst vergeben werden, danach 25% an die Abiturbesten und anschließend weitere 25% durch die ZVS. Wichtig an den beiden neuen Modellen ist die Umkehr der Reihenfolge der einzelnen Verfahren: Bereits seit zwei Jahren können die Hochschulen 24% der Plätze frei vergeben, wobei die meisten nach dem herkömmlichen NC-Prinzip verfahren. Bislang aber hatte das ZVS-Verfahren Vorrang vor dem Auswahlverfahren der Hochschulen. Nun wird die ZVS, die neben dem Kriterium Abiturnote auch das Kriterium Wartezeit berücksichtigt, weiter marginalisiert. Bezogen auf die Wahl des Studienortes verliert der Faktor soziale, familiäre und wirtschaftliche Bindungsgründe an den Hochschulort, der beim ZVS-Verfahren immer noch eine große Rolle spielt, weiter an Bedeutung zugunsten einer leistungsbezogenen Komponente. Zur Umsetzung dieser Modelle bedarf es einer Änderung des Hochschulrahmengesetzes (HRG), welche die KMK durch eine Bundesratsinitiative erreichen will.

Mit dem Modell 1 soll das Wahlrecht der „Abiturbesten“ besonders hervorgehoben werden, mit dem Modell 2 das Auswahlrecht der Hochschulen. Beide Modelle sollen, mit unterschiedlichem Schwerpunkt, der hohen AbbrecherInnenquote durch „bessere“ Auswahl der BewerberInnen begegnen sowie den „Studienerfolg“ steigern. Diese in aller Regel vorgebrachten Ziele hält der fzs mit der gewählten Methode für nicht erreichbar. Grundsätzlich fordert der fzs, dass genügend Studienplätze an den Hochschulen zur Verfügung stehen, so dass jede(r) das Studium ihrer / seiner Wahl an der gewünschten Hochschule aufnehmen kann. Dies sowie die Möglichkeit, unabhängig von sozialer Herkunft ein Hochschulstudium aufnehmen zu können, muss langfristiges Ziel bei der Gestaltung des Hochschulzugangs sein. So lange jedoch nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung stehen, gilt es, die vorhandenen Plätze, so gut es geht, sozial gerecht an die StudienplatzbewerberInnen zu verteilen. In diesem Zusammenhang verweist der fzs auch auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1972, welches jeder/m AbiturientIn einen Rechtsanspruch auf einen Studienplatz zuspricht. Dieser Rechtsanspruch bleibt durch die gewählten Modelle zwar zunächst weiterhin gewährleistet, wird aber dadurch ausgehöhlt, dass die ZVS nur noch letzte Instanz der Verteilung ist und sich z.B. die Wartezeit für nicht von Hochschulen Gewählte oder für BewerberInnen, die nicht die besten Abiturnoten erzielt haben, weiter verlängert. Zwar ist die ZVS ganz klar als suboptimale Verteilungsinstanz zu sehen, da sie ebenfalls die Abiturnote als zentrales Kriterium bei der Verteilung anwendet, jedoch garantiert sie eine sozial gerechtere Verteilung der vorhandenen Studienplätze, als es die beiden neuen Modelle vorsehen.

Immerhin erhielten 1997 noch 80% der sich um einen Studienplatz Bewerbenden den Hochschulort und das Studium ihrer Wahl (bei zulassungsbeschränkten Studiengängen: 60-70%, nur 13% äußerten sich unzufrieden darüber, dass sie ihren Studienortswunsch aufgrund zentraler oder lokaler Zulassungsbeschränkungen nicht realisieren konnten ( HIS-Studie 1997). Der fzs lehnt die neuengeplanten Modelle aus folgenden Gründen ab: Auswahl durch die Hochschulen bedeutet Willkür

Es ist nicht absehbar, ob Hochschulen ein eigenes Auswahlverfahren, bestehend aus Auswahltests oder Eignungsgesprächen, aus Kapazitätsgründen überhaupt einführen können. Sollte dies dennoch der Fall sein, bleibt zweifelhaft, ob sich die „Studierfähigkeit“ der/des Bewerbers/Bewerberin durch ein solches Verfahren feststellen lässt. Bei einem Eignungsgespräch stellt sich zunächst die Frage nach der/dem Auswählende(n). Die Eignung der Lehrenden für eine solche Auswahl ist höchst fraglich, zumal diese oft selbst keinen fundierten Überblick über die Anforderungen ihres Faches haben. Eine Auswahlinstanz außerhalb der Hochschule würde dagegen ihr Recht auf Auswahl nicht erweitern, sondern einschränken.

Zum zweiten stellt sich natürlich die Frage nach den Kriterien, die naturgemäß subjektiv sind. Ein diskriminierendes Vorgehen von PrüferInnen z.B. gegenüber Frauen, AusländerInnen oder Behinderten ist zu befürchten. Ein Eignungstest dagegen besitzt geringe prognostische Validität. Werden Fachkenntnisse erwartet, die von der Schule aufgrund ihres Anspruchs einer möglichst breiten Bildung nicht vermittelt werden können, birgt dies die Gefahr, dass sich ein Markt von „Vorbereitungskursen“ etabliert, der zur Folge hätte, dass sich finanziell besser gestellte BewerberInnen eine entsprechend gute Vorbereitung leisten können.Drittens stellt sich die Frage nach den sozialen Konsequenzen solcher Auswahlverfahren. Zum einen ist abzusehen, dass Kinder bildungsferner Schichten, die schon jetzt einen nur marginalen und ständig schrumpfenden Teil der Studierenden stellen, durch weitere Hürden von der Aufnahme eines Studiums abgeschreckt werden. Zum anderen ist absehbar, dass soziale Kriterien bei der Auswahl keine große Rolle mehr spielen werden. „Studienerfolg“ lässt sich nur durch bessere Betreuung realisieren

Laut HIS sind die meistgenannten Gründe für einen Abbruch des Studiums berufliche Neuorientierung, fehlende Praxis, die lange Dauer des Studiums und finanzielle Probleme. Dem letzteren kann nur durch eine Gewährleistung einer ausreichenden Grundversorgung, die sich an der tatsächlichen Dauer eines Studiums orientiert, abgeholfen werden. Den anderen Abbruchsmotiven kann nur durch verstärkte Betreuung und Beratung an den Hochschulen begegnet werden. Es existiert ein erheblicher Mangel an ausreichenden objektiven Informationen über die tatsächlichen Inhalte des Studiums, dem auch eine stärkere Konzentration auf die Abiturnote nicht abhelfen kann Daneben helfen Auswahlgespräche dem wenn überhaupt wesentlich zu spät ab, da zum entsprechenden Zeitpunkt die Entscheidung für ein Fach bereits gefallen ist.

Die häufig drastischen Kürzungen der Ausstattung von Projekten, die insbesondere der Betreuung von Studierenden in der Studienanfangsphase dienen – meist verursacht durch eine verfehlte Finanzpolitik – sind für den fzs unhaltbar. Eine Sicherstellung von ausreichender Betreuung der StudienanfängerInnen, welche diese mit dem Studium vertraut macht sowie den „biographischen Bruch“ zu überwinden hilft, stellt für den fzs eine unabdingbare Voraussetzung für die Erhöhung des „Studienerfolgs“ dar. Ebenso verlängern unzumutbare Studienbedingungen und fehlende Ressourcen das Studium unnötig. Notwendig sind also Investitionen, und nicht die Verschleierung des Finanznotstandes durch stärkere Selektion.

Darüber hinaus kritisiert der fzs das oftmals unverantwortliche Vorgehen der Hochschulen bei der „Beratung“ studieninteressierter SchülerInnen. Das dort vorherrschende Informationsdefizit wird in keiner Weise bekämpft. Dies zeigt exemplarisch der Studiengang Informatik, den StudienanfängerInnen häufig wählen, weil sie „schon immer was mit Computern machen wollten.“ Die Abiturnote darf nicht überbewertet werden

Die besondere Hervorhebung der Abiturnote wird ihrer tatsächlichen Bedeutung nicht gerecht. Noten sind generell wenig objektiv, und zudem ist kein aussagekräftiger Zusammenhang zwischen der Abiturnote und dem „Studienerfolg“ festzustellen. Durch das NRW-Modell wird ihr aber noch mehr Bedeutung zugemessen als im derzeitigen Verfahren. Schlussfolgerungen

Der angeführten Argumentation folgend lehnt der fzs die von der KMK geforderte Neuordnung des Hochschulzugangs ab und appelliert an die Landesregierungen, von einer möglichen Bundesratsinitiative abzusehen. Die Bundestagsfraktionen fordert der fzs auf, einer solchen Neuordnung nicht zuzustimmen.

Beschlossen auf der 23. MV in Karlsruhe, Mai 2003