Geschlechtsspezifische Auswirkungen von Studiengebühren

Beschluss der 30. Mitgliederversammlung, Juli 2006

Zwei Thesen

Die Diskussion um Studiengebühren steht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 25. Januar 2005 auf der alltäglichen politischen Agenda. Die Folgen der Einführung von Studiengebühren werden kontrovers diskutiert. Aus Sicht des fzs sind Studiengebühren inakzeptabel und konsequent abzulehnen.

Neben vielfach diskutierten sozial-, wirtschafts- und bildungspolitischen Gründen sind Studiengebühren auch aus geschlechterpolitischen Gründen nicht hinnehmbar. Sie verstärken die nach wie vor bestehende Benachteiligung von Frauen an Hochschulen und damit auch nachhaltig im Wissenschaftssystem. Dieser Aspekt der Gebühren wurde in der Vergangenheit kaum beachtet. Gleichzeitig hat die Einführung von Gebühren in anderen Ländern zu deutlichen Benachteiligungen von Frauen geführt. Diese Benachteiligung entsteht durch die nach wie vor bestehenden sozialen Ungleichheiten und gesellschaftlichen Strukturen, durch die männliche, gesunde Personen mit Normalbiographie bevorzugen werden.

Frauen werden durch Studiengebühren finanziell benachteiligt.

In vielen Bundesländern sind Studiengebühren mit gleichzeitiger Kreditaufnahme eingeführt worden oder werden diskutiert. Die Kreditaufnahme setzt voraus, dass sich die Studierenden für ihr Studium verschulden und nach Ablauf ihres Studiums ein verzinstes Darlehen zurückzahlen. Die durchschnittlichen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in der Bundesrepublik liegen bei 20-25%. Gleichzeitig sind Frauen überdurchschnittlich oft von Verdienstausfällen durch Kindererziehung betroffen. Die Verschuldung über Kredite trifft sie damit deutlich. Dadurch können Rückzahlungen nicht in einer entsprechenden Höhe getätigt werden. Mit der Verzinsung der Darlehen steigt bei vollständigem Verdienstausfall die Verschuldung immer weiter an. Australische Prognosen (Jackson, N., THE HIGHER EDUCATION CONTRIBUTION SCHEME – A HECS ON THE FAMILY?, 2002) gehen davon aus, dass ein Drittel der ehemaligen Studentinnen ihre Schulden bis zum Eintritt ins Rentenalter nicht vollständig zurückzahlen können. Die erwartete Rückzahlungsdauer beträgt nach diesen Schätzungen für Frauen 34 Jahre mehr als für ihre männlichen Kommilitonen. Dadurch werden Frauen signifikant benachteiligt. Dies trifft insbesondere Frauen aus finanzschwachen Familien, da sie nicht auf die Unterstützung ihrer Familien bauen können.

Frauen werden durch Studiengebühren stärker vom Studium abgehalten.

Die Studien- und Berufswahl läuft nach wie vor nicht geschlechtsneutral ab. Schon die Wahl des Studienfachs entspricht in großen Teilen geschlechtsspezifischen Klischees. Genau so wird auch die Entscheidung für oder gegen ein Studium durch vorhandene Rollenbilder und den Einfluss der Eltern bestimmt. Derzeit ist der Anteil von Männern und Frauen unter den StudienanfängerInnen etwa gleich. Es ist zu erwarten, dass der Anteil von Frauen nach der Einführung von Studiengebühren sinkt. Dies wird insbesondere Frauen aus einkommensschwachen und kinderreichen Familien treffen. Erfahrungen aus Österreich zeigen, dass der Anteil der Studentinnen nach der Einführung von Studiengebühren im Jahr 2001 deutlich gesunken ist (Petrovic, M., Geschlechtsspezifische Auswirkungen von Studiengebühren, 2001). Gleichzeitig ist der Anteil der Studentinnen nach Abschaffung des „Hörergeldes“ in den 1970er Jahren deutlich gestiegen. Wenn in Familien die Entscheidung zur Studienaufnahme gefällt wird, ist zu befürchten, dass aufgrund der nach wie vor vorherrschenden Rollenvorstellungen die Entscheidung eher zu Gunsten der Söhne fallen wird.

Die Einführung von Studiengebühren wirkt hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit im Hochschulsystem kontraproduktiv. Die Benachteiligung von Frauen wird manifestiert. Dadurch wird das Ziel der gleichen Beteiligung im Wissenschaftssystem unmöglich gemacht. Auch aus diesen Gründen ist die Einführung von Studiengebühren nicht akzeptabel.