Internationale Studierende in der BRD

Kein_e Akteur_in der hochschulpolitischen Landschaft würde bestreiten, dass die Internationalisierung des Studiums eine wichtige Her-ausforderung ist. Einem Teilaspekt dieses Prozesses wird allerdings relativ wenig Beachtung geschenkt: Der Situation internationaler Stu-dierender in der BRD und ihren – mitunter gesetzlich verursachten – spezifischen Problemlagen. In der derzeitigen Form erscheint incoming Mobilität offenbar nur von Studierenden des globalen Nordens sowie der wenigen „Pro-grammstudierenden“ erwünscht. Denn Studierende aus Ländern des globalen Südens oder den Schwellenländern sind oftmals vielfältigen gesetzlichen, sozialen und bürokratischen Barrieren ausgesetzt. Als Teilbereiche mit dringendem Handlungsbedarf sollen im Folgenden insbesondere aufenthaltsrechtliche Aspekte und solche der Studienfi-nanzierung betrachtet werden. Daneben wird der „Nationale Kodex für das Ausländerstudium an deutschen Hochschulen“ einer kritischen Prüfung unterzogen und stattdessen Anforderungen an die Hochschulen gestellt.

Aufenthaltsrechtliche Aspekte

Internationale Studierende unterliegen in der BRD in der Regel dem Aufenthaltsgesetz. Ihre Situation divergiert dabei sehr stark nach auf-enthaltsrechtlichem Status. Ausländergesetze sind in Deutschland traditionell als Gesetze zur Gefahrenabwehr gefasst. An dieser Konti-nuität seit dem Kaiserreich hat auch das so genannte Zuwanderungs-gesetz der rot-grünen Bundesregierung, das bei näherem Betrachten vor allem der Regulation und Begrenzung von Migration dient, nichts geändert.

Studienvisa

Ein Großteil der so genannten Free Mover, die weder Programmstudierende sind noch einem EU-Staat angehören, erhält als Aufenthaltstitel eine Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke des Studiums. Diese ist an Auflagen geknüpft, die auch für viele deutsche Studierende kaum zu bewältigen sein dürften. So muss in der Regel nachgewiesen werden, dass schon zu Beginn das Geld für ein erstes Studienjahr vorliegt. Dafür wird das Zwölffache des BAföG-Bedarfs in der Regel als Grundlage genommen. In einzelnen Städten muss dieser Betrag auf ein Sperrkonto überwiesen werden und wird nur in monatlichen Raten wieder freigegeben. Die kommunalen Ausländerbehörden können – nach augenscheinlich sehr beliebigen Kriterien – Nachweise über Studienerfolge internationaler Studierender verlangen. Wie oft und unter welchen Bedingungen für die Studierenden eine Vorsprache bei den zuständigen Ämtern erforderlich ist, kann regional stark schwanken und scheint nicht unabhängig von der Nationalität der Betroffenen zu sein. Die gravierendsten Einschränkungen erleben Studierende mit Visa aber im arbeitsrechtlichen Kontext: Sie dürfen maximal 90 Tage im Jahr (bzw. 180 halbe Tage) arbeiten und haben zugleich keinerlei Zugriff auf Sozialleistungen. Einzig die chronisch unterbezahlten Jobs an Hochschulen unterliegen keiner zeitlichen Einschränkung. Aber auch ansonsten ziehen die Betroffenen am studentischen Arbeitsmarkt oftmals das schlechtere Los. Im Falle einer Unterbrechung des Studiums kann ein vollständiges Arbeitsverbot verhängt werden. Es kommt mobilitätseinschränkend dazu, dass die Aufenthaltserlaubnis dabei nur für exakt ein Studienprogramm an einer Hochschule ausgestellt wird. Alle Änderungen müssen akribisch bei den Behörden beantragt werden.

Flüchtlinge

Wer als Flüchtling in die BRD gekommen ist, ist einer ganzen Palette rassistischer Sondergesetzgebung ausgesetzt. Die Anerkennungsrate bei Asylanträgen liegt mittlerweile im Promillebereich (1,6% der Asylanträge wurden 2009 nach Angaben des Bundesministeriums auf Grundlage des Art. 16a GG anerkannt) – stattdessen tritt häufig die Duldung als prekärer Aufenthaltsstatus. Ihre besonders rassistische Form ist die Kettenduldung, bei der Betroffenen der Aufenthalt nur noch in extrem kurzen Abständen verlängert und das bürokratische Prozedere zur Marter wird. Die Betroffenen stehen unter dem permanenten Druck, mit Ablaufen der Duldung ausreisepflichtig zu werden. Dies hindert oftmals zusätzlich an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Institutioneller Rassismus nimmt in der BRD eine durchaus föderale Form an; so kann es zum Beispiel in einzelnen Bundesländern zu Lagerzwang („Gemeinschaftsunterkünfte“), zur Versorgung mit min-derwertigen Lebensmittelpaketen („Sachleistungsprinzip“) anstelle der Auszahlung sozialer Transferleistung in Form von Bargeld oder kommunal zum Einsatz von Sicherheitsdiensten an den Unterkünften kommen. Bundesweit einheitlich ist hingegen die so genannte Residenzpflicht: Demnach werden Flüchtlinge kurz nach ihrer Ankunft einem Landkreis zugewiesen, den sie nicht verlassen dürfen. Auch für Geduldete wird diese Regel vergleichbar angewandt. Dies hindert unmittelbar an der Aufnahme eines Studiums, wenn ein Studiengang nicht zufälligerweise in dem Landkreis angeboten wird bzw. in dem Landkreis überhaupt keine Hochschule ansässig ist. Die Residenzpflicht ist eine im internationalen Vergleich einmalige rassistische Sondergesetzgebung, die abgeschafft werden muss! Nachdem jahrelang eine Bleiberechtsregelung für Menschen, die bereits lange in Deutschland unter prekärem Status gelebt haben, gefordert wurde, einigten sich in 2007 die Innenminister_innen der Länder und des Bundes auf die Regelungen des § 104a AufenthG („Altfallrege-lung“). Dieser wurde in der 2008er BaföG-Novelle ohne weitere Voraussetzungen in den § 8 II Ziffer 1 BAföG („Staatsangehörigkeit“) integriert. Damit wurde den Betroffenen erstmals der Bezug von BAföG prinzipiell ermöglicht. Grundsätzlich ist die Altfallregelung allerdings an extrem viele Voraussetzungen geknüpft und wird dadurch außer-ordentlich komplex. Sie beinhaltet mehr Ausschluss- als Aufnahmegründe. Unter anderem werden rigide Anforderungen an die Finanzierung des Lebensunterhalts gestellt, wenn dazu Sozialleistungen benötigt werden, steht dies einer Verlängerung des Aufenthaltstitels häufig entgegen. Nur vereinzelte soziale Situationen sind dabei unbedenklich und im § 104 VI AufenthG festgehalten. Nachdenklich stimmt deshalb, dass dort Empfänger_innen von Leistungen nach dem BAföG nicht aufgeführt wurden, d.h. dass diese, obwohl sie sich in einer Ausbildung befinden, eigenständig ihren Lebensunterhalt finanzieren müssen, was so gut wie unmöglich erscheint. Soweit dies nicht in geeigneter Weise berücksichtigt wird, sind die Aufnahme einer solchen Ausbildung und damit auch der BAföG-Anspruch über die „Hintertüre“ so gut wie ausgeschlossen.

Studienfinanzierung

Studierende, die aus dem Ausland zum Studium nach Deutschland kommen, sind in den meisten Fällen vom BAföG ausgeschlossen. Eine Neuregelung des Staatsangehörigkeitsparagraphen im BAföG hat zwar für in Deutschland aufgewachsene Menschen („Bildungsinlän-der_innen“) und lange hier lebende Studierende einige Verbesserun-gen gebracht. Kategorisch werden aber internationale Studierende mit der Aufenthaltsgenehmigung zu Studienzwecken ausgeschlossen. Auch Studierenden aus der EU ergeht es hier nicht viel besser: Leben und arbeiten sie oder ihre Eltern nicht schon seit längerer Zeit in der Bundesrepublik, gibt es auch kein BAföG. Der Europäische Gerichtshof hat zwar der Bundesregierung vor einigen Jahren aufgetragen, Studierende für ein Studienprogramm in jedem EU-Mitgliedsstaat von Beginn an nach den selben Maßgaben wie eine Ausbildung im Inland zu fördern, doch andere EU-Staaten scheinen dies nicht immer gleichermaßen zu praktizieren. Und selbst wenn: Die je nationale Studienfinanzierung aus dem Herkunftsland ist oft nicht ausreichend um hier zu studieren. Die sozialen Unterschiede zwischen einzelnen Volkswirtschaften werden so direkt auf die soziale Situation internationaler Studierender in der BRD übertragen, so dass es Studierende aus armen Ländern ungleich schwerer haben als Studierende aus Deutschland oder den kapitalistischen Zentren. Erschwerend kommt hinzu, dass Free Movers oftmals von vielfältigen Möglichkeiten, Stipendien erhalten zu können, ausgehen, die im hiesigen Hochschulkontext aber nicht gegeben sind. Nachdem eine staatliche Finanzierung aber per se jedem Stipendienmodell vorzuziehen ist, fordert der fzs, dass eine solche für internationale Studierende angeboten wird. Im übrigen sollte in das BAföG aufgenommen werden, wer die Hochschulzugangsberechtigung in Deutschland oder an einer deutschen Schule erworben hat. Nach wie vor sind Fälle denkbar, in denen dies nicht gewährleistet ist.

Der „Nationale Kodex für das Ausländerstudium“ Anfang 2010 hat die HRK einen „Nationalen Kodex für das Ausländerstudium an deutschen Hochschulen“ beschlossen, dem sich viele Hochschulen verbunden fühlen. Darin „bekräftigen die Hochschulen ihr nachhaltiges Interesse an qualifizierten internationalen Studierenden, Doktoranden und (Nachwuchs)Wissenschaftlern.“ Als positiv kann dabei gelten, dass sich die teilnehmenden Hochschulen dazu verpflichten, den Bundesverband Ausländischer Studierender (BAS e.V.) sowie Informationsangebote des Deutschen Studentenwerks (DSW) auf ihrer Homepage zu verlinken, ein Minimum an Informations- und Beratungsangebot vorzuhalten und eine Beschwerdestelle für internationale Studierende einzurichten. Daneben beinhaltet der Kodex Selbstverständlichkeiten, wie beispielsweise, dass für englischsprachige Studienprogramme genügend sprachlich dazu qualifiziertes Lehrpersonal und entsprechendes Lehrmaterial zur Verfügung stehen muss. Offenbar gibt es auch reihenweise Hochschulen, die den Interessent_innen nur unzureichend darlegen, wie hoch die Kosten eines Studiums in der Bundesrepublik sind. Gut klingen die Festlegungen, wonach die Hochschulen Kontakte und Programme zur Integration anbieten oder auch soziale Orientierungsangebote bereit halten müssen. In der derzeitigen Fassung allerdings fallen die Bestimmungen zu vage aus, als dass daraus eine substanzielle und konkrete Handlungsaufforderung für die Hochschulen erwachsen muss, wenngleich sie daraus erwachsen kann.

Dem gegenüber stehen folgende Kritikpunkte:- Der Kodex verstetigt mit seiner Empfehlung, dass die Hochschulen eine Vorprüfung der Vollständigkeit einer Bewerbung und formale Zulassungsfähigkeit vorsehen und dem Uni Assist e.V. übertragen können. Eine vom fzs in der Vergangenheit mehrfach kritisierte Praxis, weil dafür weitere Gebühren verlangt werden, obwohl es sich um eine Aufgabe der Hochschulen handelt. – Der Kodex legt explizit nahe, dass für Studierende aus Nicht-EU-Ländern andere Verfahren und Regelungen angewandt werden können, insbesondere kostenpflichtige „Studierfähigkeitstests“. Niemand käme auf die Idee, von österreichischen Abiturient_innen einen solchen Studierfähigkeitstest zu verlangen. Warum dann für Studierende, die außerhalb der EU aufgewachsen sind? Besondere Kritik verdienen dabei die zusätzlich verursachten Kosten für internationale Studierende, die die soziale Selektivität im globalen Maßstab weiter ausbaut. – Implizit wird internationalen Studierenden über den Kodex unter-stellt, dass sie pauschal zu Plagiaten tendieren und in diesem Kontext auch Recht auf den Schutz geistigen Eigentums angeführt, über das internationale Studierende aufgeklärt werden sollen. Dieses sind Allgemeinplätze in der Wissenschaft, über die internationale Studierende nicht gesondert, sondern wie üblich in den Studienangeboten „Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens“ unterrichtet werden können. Dieser Form der „fachlichen Betreuung“ wohnt nichts anderes als ein rassistisches Vorurteil inne! Damit fällt die politische Bilanz des fzs zum „Nationalen Kodex für das Ausländerstudium“ also eher durchwachsen aus. Die Mitglieder erkennen es aber als ihre Aufgabe an, die Umsetzung der unkritischen und positiven Aspekte einzufordern.

Forderungen

Zusammenfassend fordert der fzs für internationale Studierende und solche ohne deutsche Staatsangehörigkeit:
– Bewegungsfreiheit herstellen – Residenzpflicht abschaffen!
– Ungleichheit im Europäischen Hochschulraum beseitigen!
– Der Europäische Hochschulraum darf nicht nach Außen abgeschottet werden.
– Die Forderung „Bildung für Alle“ muss die Studienaufnahme Interessierter in der Bundesrepublik einschließen.
Deshalb:
– braucht es finanzielle Hilfen für Studierende, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit vom BAföG ausgeschlossen werden. Die Inanspruchnahme darf sich aufenthaltsrechtlich nicht negativ auswirken, sondern die Ausgestaltung dieser Beihilfen muss so ausgerichtet sein, dass ein Finanzierungsnachweis für den Lebensunter-halt von vorneherein entbehrlich wird!
– dürfen Studierende aus Ländern außerhalb der EU nicht länger „Studierfähigkeitstests“ unterzogen werden, die von den üblichen Bewerbungskriterien abweichen oder kostenpflichtig sind.
– müssen die „Akademischen Prüfstellen“ in China, Vietnam und der Mongolei abgeschafft oder so umgestaltet werden, dass Studieninteressierten weder Reisekosten noch Bearbeitungsgebühren entstehen.
– muss der „uni assist e.V.“ grundlegend umgestaltet oder abgeschafft werden, so dass Studieninteressierten keine zusätzlichen Kosten entstehen.
– müssen die Arbeitsbeschränkungen für Studierende aus Nicht-EU-Ländern oder einzelnen EU-Mitgliedsstaaten ersatzlos gestrichen werden.
– müssen die Bestimmungen des „Nationale Kodex‘ für das Auslän-derstudium“ weiterentwickelt und ihrer vorurteilsbeladenen Ele-mente entledigt werden.