Forderungskatalog zur Reformierung der Lehrer*innenbildung

Lehrer*innen nehmen eine für unsere Gesellschaft entscheidende Unterstützer*innenrolle in der Entwicklung von Schüler*innen ein. Um den vielfältigen Ansprüchen einer hochkomplexen Bildungslandschaft gerecht werden zu können, ist eine fundierte Hochschulbildung, die modernen Herausforderungen innovativ und praxisorientiert entgegentritt, unbedingt notwendig.

Forderungen an die Hochschulen/Studienstruktur:

1. Hochschulen (und zuständige Ministerien) müssen die einheitliche Strukturierung ihrer Lehramtsstudiengänge bundesweit vorantreiben und möglichst bald abschließen, um das vorherrschende Chaos zu beenden. Dies muss immer unter Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen der Lehrer*innenbildung durchgeführt werden. Der Abschluss eines Bachelors mit Lehramtsoption muss die Zulassung zu allen Masterstudiengängen ermöglichen.

2. Die Einrichtung einer School of Education zur besseren Koordinierung aller am Lehrer*innenbildungsprozess beteiligten Akteur*innen an Hochschulen kann ein guter Ansatz sein. Dem eigenständigen Charakter der Lehrer*innenbildung kann durch diese Art der wertschätzenden Institutionalisierung und dauerhaften Vernetzung entsprochen werden.

3. Eine stärkere Anregung zur frühzeitigen und ehrlichen Reflexion der eigenen Erwartungen und Potentiale durch Beratungsangebote zu Studienbeginn kann Studierenden in ihrer Studienwahl eine große Hilfestellung sein. Dies darf jedoch unter keinen Umständen mit Ausschlussverfahren verbunden werden. Diese Angebote müssen auf ein angemessenes Maß ausgebaut und professionalisiert werden.

4. Um einem grundsätzlichen pädagogischen Anspruch im Lehramtsstudium entsprechen zu können, sind flexible Prüfungsverfahren an Hochschulen und kompetenzorientiertes Prüfen von großer Bedeutung. Anonyme Massenabfertigung kann individuelle und nachhaltige Vermittlung von Handlungskompetenz und Fachwissen weder sicherstellen noch adäquat prüfen.

5. Prüftermine aller beteiligten Fachbereiche sowie Praktika müssen im Studium aufeinander abgestimmt werden, um ein Mindestmaß von zusammenhängenden Wochen an veranstaltungs-, prüfungs- und praktikumsfreier Zeit pro Semester gewährleisten zu können.

6. Formelle und informelle Anwesenheitspflichten sind abzuschaffen.

7. Wir betonen die Bedeutung einer Stärkung der Fachdidaktiken als eigenständiges und mit entsprechenden finanziellen Mitteln ausgestattetes Forschungsgebiet. Insbesondere erfordert dies die Schaffung von zusätzlichen Stellen für Fachdidaktiker*innen an Hochschulen. Dies beinhaltet auch die Forderung nach einem besseren Betreuungsverhältnis im Didaktikbereich.

8. Wir fordern die berufsfeldorientierte Anpassung von Studien- und Prüfungsordnungen mit einem größeren Anteil für fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche Wahlpflichtveranstaltungen. Ein gutes Lehramtsstudium erfordert des Weiteren eine angemessene Verzahnung zwischen Lehrveranstaltungen der Teilbereiche der Pädagogik, der Fachdidaktiken und der Fachwissenschaften.

9. Die Wertschätzung des humboldtschen Bildungsideals muss gerade in der Bildung zukünftiger Multiplikator*innen gesellschaftlichen Verantwortungsbewusstseins an Schulen einen besonderen Stellenwert erhalten. Hierfür halten wir das Studium Generale als Bestandteil des Lehramtsstudiums für elementar notwendig.

10. Das breite Aufgabenfeld im späteren Berufsfeld erfordert für Lehramtsstudierende ein großes Angebot an Wahlpflichtveranstaltungen zur Stärkung verschiedenster Kompetenzen. Dies gilt u.a. für Themenfelder wie Inklusion, institutionelle und strukturelle Diskriminierung, Rassismus, Gender, Sonderpädagogik, Sozialpädagogik, Deutsch als Zweitsprache, Rhetorik, Medienpädagogik und Theaterpädagogik.

11. Studienintegrierte Praktika müssen als wichtiger Bestandteil des Studiums gesehen und immer durch eine professionelle pädagogische Begleitung qualitativ gesichert werden. Derzeitige Praktikumsprogramme genügen diesem Anspruch häufig weder quantitativ noch qualitativ und müssen einer entsprechenden Weiterentwicklung unterzogen werden. Schulpraktika müssen bereits Teil der Bachelor-Studiengänge sein, um die Studierenden frühzeitig an Unterrichtspraxis heranzuführen.

12. Gerade Lehrer*innen sind Multiplikator*innen eines globalisierten Gesellschaftssystems. Um diesem Anspruch im Sinne der internationalen Mobilität von Studierenden sensibel und interkulturell kompetent entsprechen zu können, ist insbesondere eine lehramtsbezogene Förderung von Auslandsaufenthalten notwendig. Damit dies allen Studierenden ermöglicht werden kann, müssen hierfür ausreichend finanzielle und institutionelle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Außerdem ist dieser Auslandsaufenthalt in den Studienplan zu integrieren.

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Forderungen an die Bundesländer:

1. Die Länder müssen dafür sorgen, dass ihre Übereinkunft, Lehramtsabschlüsse gegenseitig anzuerkennen, umgesetzt wird. Mobilität zwischen den Ländern, aber auch innerhalb der Länder selbst, muss zu jedem Zeitpunkt ohne Weiteres möglich sein, wobei grundsätzlich alle bereits erbrachten Leistungen anerkannt werden müssen.

2. Die im Zuge des Bologna-Prozesses begonnene flächendeckende Neustrukturierung von Lehramtsstudiengängen mit der Einführung des Bachelors mit Lehramtsoption und Master of Education muss überall zeitnah abgeschlossen werden. Dies darf jedoch nicht geschehen, ohne den spezifischen Herausforderungen der Lehrer*innenbildung gerecht zu werden. Der Abschluss eines Bachelors mit Lehramtsoption muss den Zugang zu allen Masterstudiengängen ermöglichen.

3. Die Finanzierung von umfassenden Beratungsangeboten für Lehramtsstudierende ist für alle Hochschulen durch die öffentliche Hand zu leisten.

4. Das Lehramtsstudium muss umfangreichere (fach-)didaktische, pädagogische und psychologische Anteile umfassen. Diese Bereiche sollten einen Kern des Studiums ausmachen. Den Studierenden müssen auch über die Kernbereiche hinausgehende Angebote in diesen Disziplinen gemacht werden.

5. Wie für alle Studierenden, muss besonders für Lehramtsstudierende der Zugang und die Zulassung zum Masterstudiengang frei und garantiert sein. Gleiches muss für den Vorbereitungsdienst gelten.

6. Die die Lehramtsausbildung regelnde Gesetzgebung muss explizit die Möglichkeit vorsehen, ein oder mehrere Beifächer zu studieren. Deren einheitliche Ausgestaltung ist den Hochschulen zu überlassen.

7. Für das Studium der modernen Philologien ist ein wenigstens dreimonatiger studien- und/oder schulbezogener Auslandsaufenthalt gesetzlich festzuschreiben. Die anfallenden Kosten sind den Studierenden zu erstatten.

8. Es muss darauf geachtet werden, dass Studierende, denen diese Mobilität nicht möglich ist (u.a. Studierende mit Kind, Studierende mit Behinderung, pflegende Studierende), dennoch ihr Studium absolvieren können. Hierfür sind Einzelfallregelungen notwendig.

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Das Schulsystem:

1. Das mehrgliedrige Schulsystem muss zugunsten einer inklusiv arbeitenden Gesamtschule abgeschafft werden. Zentrale Bestandteile dieser Schule sind fächer- und jahrgangsstufenübergreifender Unterricht, eine heterogene und inklusive Schüler*innen und Lehrer*innenschaft und eine auf die Schüler*innen zugeschnittene Lernumgebung.

2. Die Unterfinanzierung des gesamten Bildungswesens ist auch im Schulsystem überall deutlich zu spüren. Auch hier gilt: Bund und Länder müssen über die Abschaffung des Kooperationsverbots eine gemeinsame Finanzierung des Bildungssystems auf hohem Niveau sicherstellen.

3. Konfessionsgebundener Religionsunterricht ist zugunsten eines Fachs Ethik/ Philosophie/ Vergleichender Religionsunterricht aus staatlichen Bildungseinrichtungen fernzuhalten.

4. Der Erziehungsauftrag der Schulen ist deutlich zu stärken. Schulen sind keine reinen Bildungseinrichtungen, sondern müssen auch ihrer sozialen Verantwortung zur ganzheitlichen Unterstützung von Schüler*innen gerecht werden. In diesem Zusammenhang ist auch dafür Sorge zu tragen, dass Personen mit menschenverachtenden Einstellungen keine Lehrer*innen sein können.

5. Die Curricula und Rahmenlehrpläne der schulischen Bildung sind ebenso wie die der Hochschulbildung kompetenzorientiert zu gestalten.

6. Die zeitliche und inhaltliche Gestaltung muss die Zeitvorgaben längst vergangener Jahrhunderte endlich hinter sich lassen. Besonders die 45-Minuten-Staffelung der Schulstunden hat sich als wenig sinnvoll erwiesen.

7. Noten sind schädlich, entwicklungshemmend, entwürdigend: Sie fördern ein Gegeneinander statt eines Miteinanders. Sie sind weder objektiv noch stellen sie ein pädagogisches Mittel dar. Es müssen praxistaugliche Alternativen gefunden werden, die der individuellen Entwicklung von Schüler*innen besser gerecht werden.

8. Alle Lehrer*innen müssen unabhängig von Bundesland, Studiendauer, Schulart und unterrichteten Klassenstufen vergütet werden.

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