Solidarische Kritik am Konsenskonzept „Nein heißt Nein“

beschlossen auf der 55. Mitgliederversammlung

„Nein heißt nein“ weist auf eine Haltung hin, in der die weibliche Betroffenheitsperspektive von sexualisierter Übergriffigkeit als eine markiert werden soll, in der Frauen* ernst genommen werden, wenn sie sich abgrenzen oder wehren.
Dem liegt ein Fokus auf weibliche Selbstbestimmung in grenzüberschreitenden Situationen zugrunde. Dies findet der fzs prinzipiell richtig, allerdings legt diese Perspektive nahe, Frauen* trügen die Verantwortung für derartige Situationen und müssten/könnten sie mit einem „Nein“ grundlegend verändern.
Der fzs sieht die Problematik vielmehr schon in der besitzergreifenden Geste, die dem „Nein“ vorangeht. Konsens wird unserer Überzeugung nach erst durch respektvollen und freiwilligen Umgang möglich, der in einer Logik des Objektivizierens von Frauen* nicht möglich ist. Patriarchale und kapitalistische Gesellschaftsordnung bedeutet, die staatliche und individuelle Praxis, Frauen* als Besitz und Objekt zu behandeln und damit jederzeit Zugriff auf ihr Körper und ihr Verhalten zu gewährleisten. Das äußert sich auch in der alltäglichen Wiederherstellung des Besitzer-Besitzverhältnisses durch die „Selbstverständlichkeit“ der Sexualisierung von weiblich gelesenen Körpern, z.B. durch Street-Harassment. Weibliche Selbstbestimmung wird so durch so viele Faktoren systematisch unterminiert, dass die vielfache Aufforderung sich als Frau* zu widersetzen, die dem „Nein heißt nein“ vorangeht, schon als perfide Wendung verstanden werden kann/muss. Vorausgehen müsste dem die Einsicht, da der Zugriff auf als weiblich gelesene Personen absolut inakzeptabel ist, auch weil Bestandteil einer Objektifizierung und Verwertung von Menschen ist.