Für eine zukunftsweisende Personal- und Dienstrechtsreform!

Die Hochschulen müssen ihren Elfenbeinturm endlich verlassen und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen! Allerdings ist es wichtig, daß die Reform gründlich geplant wird und ihr Ziel nicht ist, Geld zu sparen. Wir wollen im folgenden unsere zentralen Anforderungen an eine solche Reform formulieren.

I. Situation

Die Personalstruktur an den Universitäten ist geprägt durch die einseitige und längst überholte Zuschneidung auf die C4-ProfessorInnen. Analoge Strukturen wurden den anderen Hochschultypen aufgestülpt. Die starke Hierarchisierung, verbunden mit patriarchalen Strukturen und fragwürdiger Elitenbildung, ist Gift für jede Neuerung und kritische Hinterfragung. Das enorme konservative Beharrungsvermögen wird durch das System der Nachfolgeregelung (Habilitationsritus) aufrecht erhalten und sichert damit dauerhaft seinen negativen Einfluß auf die Gesellschaft. Kontrollmöglichkeiten sind praktisch nicht vorhanden, so daß insbesondere die mangelnde Qualität der Lehre keinerlei Konsequenzen nach sich zieht. Der Übermacht der ProfessorInnen steht ein Mittelbau gegenüber, der praktisch keine Rechte hat. Die Qualifizierungsphase ist entschieden zu lang, die Abhängigkeit von dem/der jeweiligen ProfessorIn nicht vertretbar. Dazu kommt, daß diese Stellen fast immer befristet sind, selbst wenn sie nachweisbar nicht der Qualifizierung dienen. Die mangelnde soziale Absicherung (befristete und gesplittete Arbeitsstellen, etc.) hindert insbesondere Frauen daran, eine wissenschaftliche Karriere zu beginnen. Darüber hinaus übernimmt der Mittelbau heute schon vielfältige Aufgaben in den Bereichen Verwaltung (Drittmitteleinwerbung, etc.), Lehre (Betreuung von Praktika, etc.) und Forschung (Betreuung von Großgeräten, etc.). Bei diesen Stellen ist weder die Befristung noch die direkte Anbindung an die einzelne Professur gerechtfertigt, hier sollten vielmehr sog. „Funktionsstellen“ geschaffen werden.

II. Vision

Die Reform des Personal- und Dienstrechts an den Hochschulen steht jedoch nicht isoliert, vielmehr ist es sogar wichtig, eine Verzahnung mit anderen längst überfälligen Reformschritten zu erreichen. Zum Gelingen der Reform gehören langfristig unabdingbar eine umfassende Demokratisierung der akademischen Selbstverwaltung und eine tiefgreifende Studienreform hin zu einem modularisierten, projektorientierten und selbstbestimmten Studium (vergl. fzs u.a.: „Eckpunkte einer qualitativen Studienreform“). Nur damit sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Anforderungen der Zukunft gewachsen, nur durch eine demokratische Definition von Zielen und deren Überprüfung kann die Reform ein dauerhafter Erfolg werden. Langfristiges Ziel muß eine komplette Neustrukturierung sein, die einher geht mit der vollständigen Abschaffung aller Gruppen und Hierarchien, was in letzter Konsequenz auch die Unterscheidung von Lehrenden und Lernenden auflösen würde. Wir wollen eine einheitliche Gruppe von Lehrenden und Forschenden, an der Einheit von Forschung und Lehre halten wir ausdrücklich fest. Wir wollen eine angemessene und gerechte Beteiligung von Frauen: Das Ziel muß ein Frauenanteil von mindestens 50% bei den Lehrenden und Forschenden sein. Das Berufsbeamtentum an den Hochschulen ist genauso wie die Habilitation abzuschaffen. Die befristeten sind grundsätzlich durch unbefristete Arbeitsverhältnisse zu ersetzen, mit flexiblen Arbeitszeitmodellen, bei denen Teilzeitarbeit möglich ist und auch gefördert wird. In diesem Zusammenhang ist auch über Lebensarbeitszeitmodelle (Das Konzept des Lebensarbeitsmodells wurde entwickelt aufgrund der Infragestellung der Normalarbeitsbiographie (Familienphasen, Altersteilzeit). Es umfaßt eine grundlegende Neudefinition des Begriffes „Arbeit“ und setzt eine soziale Grundsicherung voraus.) nachzudenken. Das starre und langwierige Qualifizierungssystem ist aufzubrechen. Die Planbarkeit und Überschaubarkeit einer wissenschaftlichen Laufbahn ist zu gewährleisten, ebenso wie die Möglichkeit zum Quereinstieg gegeben sein muß. Die Reform der Strukturen muß einhergehen mit einer Reform der Inhalte. Wir wollen eine deutliche Stärkung der Lehre, nicht nur während der Qualifizierungsphase. Ziel muß sein, daß demokratische Gremien Leitlinien und Schwerpunkte für Forschung und Lehre finden und setzen und deren Umsetzung kontrollieren.

III. Kurzfristiger Handlungsspielraum

Noch setzt das Verfassungsgerichtsurteil von 1973 enge Grenzen, die nach wie vor Gültigkeit besitzen, es gibt jedoch einige Möglichkeiten für kurzfristige Reformen. Dieser Spielraum muß auch genutzt werden. Wir fordern dabei insbesondere zu berücksichtigen: Die deutliche Stärkung der didaktischen Ausbildung während der Qualifizierungsphase, sowie eine permanente kostenlose Weiterbildung der Lehrenden. Eine aktive und ehrliche Frauenförderung in allen Bereichen. Eine tarifvertragliche Regelung aller Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen (also insbesondere auch die studentischen). Teilzeitarbeit muß möglich und erwünscht sein. Die Beseitigung der direkten Abhängigkeit des Mittelbaus von einzelnen ProfessorInnen. Die Schaffung von Funktionsstellen, wo es sinnvoll ist. Dabei ist darauf zu achten, daß die Einheit von Forschung und Lehre gewährleistet wird. Die Qualifizierungszeiten sind zu verkürzen, insbesondere Promotionen müssen inhaltlich so begrenzt sein, das sie in einer bestimmten Zeitspanne machbar sind. Promotionen müssen von den Hochschulen entlohnt werden. Es müssen Stellen für unabhängige und selbständige Forschung des Mittelbaus geschaffen werden (Assistenzprofessuren). Die Habilitation ist abzuschaffen, das ProfessorInnenamt muß geöffnet werden. Im Zuge einer Abkehr von der Normalbiographie muß ein Quereinstieg möglich sein. Die Hierarchien sind weitestgehend abzuflachen, die willkürliche Trennung der Professuren in C1/C2/C3/C4 ist abzuschaffen. Die Nebenverdienste (Liquidationsrecht, Veröffentlichungen, etc.) der ProfessorInnen sind offenzulegen und alle Beteiligten angemessen daran zu beteiligen Die Hochschulen müssen selbst Ziele definieren und deren Erreichen kontrollieren können. Dies muß durch demokratisch legitimierte, paritätische Gremien geschehen, die auch über die nötigen Steuerungsinstrumente verfügen. Hier ist der Rahmen des Verfassungsgerichtsurteil nicht nur weitest möglich auszuschöpfen, sondern der Rahmen ist bewußt zu sprengen und eine erneute Überprüfung in Kauf genommen werden.

Beschlossen auf der 13. MV in Potsdam, Mai 1999