Im Zuge der durch den Bologna-Prozess angestoßenen Studienreform werden derzeit alle Studiengänge reformiert. International vergleichbare Abschlüsse werden dabei nicht geschaffen, die innerdeutsche Mobilität wird eher verhindert als gefördert, zudem bestimmen Sparmaßnahmen und Verwertungslogik die Reformen. Auch die Lehramtsstudiengänge wurden oder werden in diesem Sinne reformiert. Nach den unterschiedlichen Reformplänen der Länder sollen die Lehramtsstudierenden verstärkt über ihre Studienmotivation und ihre künftige Tätigkeit reflektieren und sich auch mit ihrem Beruf im schulischen und gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang beschäftigen. Vor allem aber sollen sie im Gegensatz zu den bisherigen Lehramtsstudierenden schneller mit ihrem Studium abschließen und doch gleichzeitig mehr Schulpraxiserfahrungen mitbringen und mehr bildungswissenschaftliche Kenntnisse erwerben.
Enge Verzahnung von Theorie und Praxis im Studium
Zahlreiche Kompetenzen, die zuvor während des Referendariats erworben wurden, sollen im Rahmen vorgezogener Praxiszeiten nun bereits im Studium erworben und die Referendariatszeiten dafür gekürzt werden. Einige Länder planen derzeit Vorpraktika vor der Aufnahme des Studiums, in Rheinland-Pfalz sollen zukünftig in der vorlesungsfreien Zeit zwei- bis vierwöchige Schulpraktika abgeleistet und insgesamt 19 Wochen praktische Erfahrung während des Studiums gesammelt werden. Die damit angeblich bezweckte Verzahnung von Theorie und Praxis ist jedoch oft nur vorgeschoben: Das 2000 in Baden-Württemberg eingeführte unvergütete Schulpraxissemester (SPS) beispielsweise ist nicht mit dem Studium verzahnt, es wird außerhalb des Verantwortungs- und Einflussbereiches der Universitäten durchgeführt.
Der fzs lehnt isolierte Praxiszeiten oder Praktika, die ohne sinnvolle Verzahnung mit dem sonstigen Studium abgeleistet werden, ab. Schulpraxis im Studium muss unter Anleitung stattfinden, die in Abstimmung mit der Hochschule eine Schnittstelle zur Theorie bildet.
Entlohnung für Praxisphasen und Beachtung sozialer Kriterien
All dies geht mit einer erheblichen Verkürzung des Referendariats einher, in Nordrhein-Westfalen soll es 2015 nur noch 12 Monate, in Rheinland-Pfalz nur noch 15 Monate dauern. Die unbezahlten Praxisphasen erlauben den Ländern diese Verkürzung des Referendariats und damit zugleich finanzielle Einsparungen: Lehramtsstudierende erhalten im Gegensatz zu ReferendarInnen im Vorbereitungsdienstes keine Entlohnung, die den Lebensunterhalt sichern soll. Lehramtsstudierende in Praxisphasen können auch Schulen zugewiesen werden, die sich außerhalb einer zumutbaren Entfernung vom Studienort befinden und dadurch gezwungen werden, während ihrer Praktika bzw. ihres Praxissemesters einen Doppelhaushalt zu führen.
Der fzs fordert eine Vergütung der Praxiszeiten und fordert die Länder auf, durch die Kürzung des Vorbereitungsdienstes eingesparte Gelder in eine entsprechende Entlohnung der Lehramtsstudierenden zu investieren. Außerdem ist bei der Zuteilung von Praxisplätzen auf soziale Kriterien zu achten.
Leichtfertiges Sparen beeinträchtigt massiv die Rahmenbedingungen
Während des Praxissemesters sollen die Studierenden nicht nur am Unterricht teilnehmen und hospitieren, sondern auch einen Einblick in die Schulverwaltung gewinnen. Während des SPS beispielsweise besuchen die Studierenden zusätzlich Veranstaltungen der Studienseminare, die vorher Bestandteil des Referendariats waren. So werden Inhalte des Vorbereitungsdienstes nun bereits in der Studienzeit vermittelt. Dies führt aber nicht zu einer Entlastung des Referendariats: Während bisher die erste Phase des Referendariats dem Einleben in den Schulbetrieb diente und eine Orientierung ermöglichte, beginnt der Prüfungsdruck nun gleich zu Beginn des verkürzten Vorbereitungsdienstes.
Praxiszeiten in der Schule stellen zudem immer auch eine Belastung des Schullebens dar und dürfen daher nicht inflationär durchgeführt werden, um schlichtweg Geld zu sparen. Für gute Rahmenbedingungen ist auch eine gute Stimmung an den Schulen wichtig. Gehen die häufigen Praxisphasen primär auf Kosten der Schulen, so leidet darunter effektiv die Qualität der ganzen Ausbildung.
Der fzs kritisiert die leichtfertige Beeinträchtigung der Rahmenbedingungen für die Lehramtsausbildung um des Sparens willen. Die durch mehr Praxiszeiten entstehende zusätzliche Belastung darf weder kompensationslos auf die Schulen abgewälzt werden noch zur Überbelastung der Studierenden und ReferendarInnen führen.
Hohe Flexibilität als Kriterium für ein erfolgreiches Lehramtsstudium
Durch die Verschulung der Lehramtsausbildung im Rahmen des sogenannten Bologna-Prozesses riskiert die Studienreform, den LehrerInnenberuf verstärkt für finanziell abgesicherte und flexible Studierende attraktiv zu machen. Die starke Belastung durch das Fachstudium, die pädagogischen Anteile und die neuen umfangreichen Praxisanteile reduzieren die Flexibilität der Lehramtsstudierenden, insbesondere auf dem studentischen Arbeitsmarkt. Wenn die Lehramtsstudierenden in fast allen vorlesungsfreien Zeiten an einer (womöglich immer wieder anderen) Schule Praktika ableisten müssen, erhöht sich nicht nur der Leistungsdruck, sondern es werden auch Studierende ausgeschlossen, die Kinder erziehen oder auf einen höheren Verdienst in der vorlesungsfreien Zeit angewiesen sind, um ihr Studium zu finanzieren. Ein Teilzeitstudium ist so nicht mehr möglich, was weniger flexiblen und anderweitig gebundenen Studierenden einen erfolgreichen Abschluss des Lehramtsstudiums enorm erschwert.
Der fzs verurteilt die Tendenz, das Lehramtsstudium verstärkt sozial besser Gestellten möglich zu machen. Ein Lehramtsstudiengang muss auch bei abweichenden Lebensentwürfen studierbar sein und darf insbesondere sozial schlechter Gestellte nicht benachteiligen.