Alles eine Frage des Blickwinkels

(fzs) Berlin. Am Freitag dem 23. April 2010 wurde die 19. Sozialerhebung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Deutsche Studentenwerk vorgestellt. Die Sozialerhebung stellt die wichtigste Datenquelle über die soziale Situation von StudentInnen dar.

„Es ist erstaunlich, wie das BMBF seine einseitige Interpretation der Sozialerhebung als Erfolg feiert“, stellt Florian Kaiser, Vorstandsmitglied im freien zusammenschluss von studentInnenschaften, verärgert fest. „Anstatt Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und nach Lösungsansätzen zu suchen, werden nur jene Zahlen hervorgehoben, die das Ministerium in einem guten Licht erscheinen lassen.“

Die Sozialerhebung zeigt zwar, dass der Anteil der StudienanfängerInnen, die im eigenen Bundesland studieren, gleich geblieben ist, allerdings zieht es weniger SchulabgängerInnen aus anderen Bundesländern in die Gebührenländer. „Die Sozialerhebung beweist, dass Studiengebühren eine Moblitätshürde sind“, erklärt Juliane Knörr, ebenfalls Mitglied im Vorstand des studentischen Dachverbandes, und erläutert: „Im Vergleich zu 2006 ist der Anteil von StudentInnen, die in ein gebührenpflichtiges Bundesland wechseln, von 25% auf 22% gesunken. Erschreckend ist auch, dass bei den BAföG-EmpfängerInnen nur 2 bis 6% in einem anderen Bundesland ihr Studium aufnehmen. Offensichtlich reicht das BAföG zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus.“

„Die Anzahl der geförderten StudentInnen ist im Vergleich zu 2006 gleich geblieben, lediglich die Ausgaben für das BAföG sind gestiegen. Dies zeigt, dass die bisherige BAföG-Politik nicht ausreichend ist“, kommentiert Kaiser. „Anstatt aber die richtige Schlussfolgerung zu ziehen und das BAföG auszubauen, wird die Bundesregierung die Elitenförderung zu Gunsten Weniger stärken. Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit können so nicht erreicht werden.“

„Einerseits bestätigt das Ergebnis der Erhebung, dass immer mehr BachelorstudentInnen aus Kostengründen bei ihren Eltern leben. Andererseits werden genau jene StudentInnen nicht zu den StudentInnen gezählt“, berichtet Knörr und erläutert die Folgen: „Dies führt zu einer Verzerrung der Daten, da so die StudentInnen mit einem finanzstarken Familienhintergrund stärker berücksichtigt werden. Die Daten fallen dadurch natürlich deutlich besser aus.“

„Die vorliegende Sozialerhebung bestätigt wieder, dass das deutsche Bildungssystem einer extremen sozialen Selektion unterliegt und es dringenden Reformbedarf gibt. Eine Umgestaltung des BAföGs in einen eltern-, alters- und herkunftsunabhängigen Vollzuschuss wäre ein deutliches Signal in die richtige Richtung. Frau Schavan muss erkennen, dass ihre Studienfinanzierungspolitik an der Realität vorbeigeht und zurücktreten“, macht Kaiser deutlich. Der freie zusammenschluss von studentInnenschaften fordert die Bundesregierung auf ihr bildungs- und sozialpolitisches Scheitern einzugestehen und sich mit Lösungsansätzen zu beschäftigen, anstatt sich selbst zu beweihräuchern.