Zukunftspapier Hochschultypen

Die Hochschullandschaft in der BRD zeichnet sich durch eine Vielzahl von Hochschultypen aus und ist dadurch ein europaweit einzigartiges Phänomen. Dies wird verstärkt zum Problem durch die nicht vorhandene Durchlässigkeit zwischen den Hochschultypen, die fehlende Anerkennung von Studienleistungen, die unterschiedlich eingeschränkten Mitwirkungsrechte der Mitglieder sowie durch die Hierarchisierung von erworbenen Abschlüssen abhängig vom besuchten Hochschultyp. Des Weiteren zeichnet sich dieses Problem durch eine immer stärker ausgeprägte Hierarchisierung zwischen den verschiedenen Hochschultypen sowie eine immer größer werdende Konkurrenz zwischen Hochschulen des gleichen Typs aus.

Akademische Freiheit ist heute vor allem die Freiheit, sich im Wettbewerb der Standorte, Hochschultypen und der Studiengänge zu behaupten und sich dahingehend anzupassen, dass möglichst gute Rankingergebnisse erreicht und möglichst viele Drittmittel eingeworben werden. Die Schließung von Studiengängen und Fachbereichen, die sich im Wettbewerb nicht durchsetzen können oder schlicht nicht ins Profil der jeweiligen Hochschule zu passen scheinen, ist heute traurige Praxis.

Während die Bologna-Reform den Versuch unternahm, Studienstrukturen und Abschlüsse zu vereinheitlichen und dadurch vergleichbarer zu machen, differenzierte sich die Hochschullandschaft immer weiter aus. Probleme wie mangelnde Durchlässigkeit oder Ungleichheit von Abschlüssen, abhängig vom Hochschultyp an dem sie erworben wurden, lassen sich aber nicht lösen, ohne die heterogene Hochschullandschaft und ihre unterschiedlichen Hochschultypen grundsätzlich in Frage zu stellen.

Um die Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu gewährleisten, muss es auch vergleichbare Studienbedingungen geben. Zwar sind die Abschlüsse seit den Bologna-Reformen hochschultypenübergreifend angeglichen, gleichzeitig wurde jedoch eine zunehmende Ausdifferenzierung der Studiengänge innerhalb der Hochschulen vorgenommen – eine Hierarchisierung wurde durch eine andere ersetzt.

Die künstliche Trennung zwischen den bisherigen Hochschultypen in verhältnismäßig schlecht ausgestattete Fachhochschulen, die insbesondere günstige Lehre anbieten sollen auf der einen Seite und verhältnismäßig gut ausgestattete Universitäten und Pädagogischen Hochschulen, die explizit auch einen Forschungsauftrag haben auf der anderen Seite, ist heutzutage kaum noch aufrecht zu erhalten. Gleichzeitig werden durch Maßnahmen, wie zum Beispiel die Exzellenzinitiative, die dort nicht berücksichtigten Universitäten de facto zu reinen Lehr-Unis degradiert. Studienrichtungen und Wissenschaftsdisziplinen, die bisher exklusiv an Fachhochschulen studiert werden können und deshalb nicht im universitären Fächerkanon vorkommen, sind – aufgrund der unterschiedlichen Forschungsleistung der Hochschultypen – von einer wichtigen Stütze des Erkenntnisgewinns vollkommen ausgeschlossen.

Der fzs fordert daher einen Hochschultypus, der aus der bisherigen Hochschullandschaft hervorgeht. Nach einer grundlegenden Neustrukturierung der Studienorganisation soll dort das gesamte Fächerspektrum angeboten werden. Die Unterschiede zwischen den Hochschulen sollten inhaltlicher und fachlicher, nicht jedoch struktureller Natur sein. Dies ermöglicht weiterhin fachliche Schwerpunktsetzung, zeichnet sich aber nicht durch eigene Abschlussarten aus und vermeidet somit die Ausbildung von exklusiven Strukturen.

Für die Auflösung aller bisherigen Hochschultypen: Es kann nur eine Hochschule für alle geben!

Aus Sicht des fzs müssen Hochschulen des 21. Jahrhunderts vor allem offene Hochschulen sein. Um diesem Kriterium möglichst gerecht zu werden, darf eine Hochschule nicht mit kontingentierten Studienplätzen Interessierte abhalten sondern muss vielmehr den sehr unterschiedlichen Studienbedürfnissen gerecht werden. Anstatt sich nur ein oder zweimal im akademischen Jahr für ein Studium einschreiben zu können, muss es möglich sein, sich auch während des laufenden Semesters an der Hochschule zu immatrikulieren und sich für Kurse an- und abzumelden. Auch ein kürzeres Kursintervall als die bisher üblichen sechsmonatigen Semester ist denkbar.

Träger*innenschaft und Finanzierung

Um allen Mitgliedern der Hochschulen gute Arbeits- und Studienbedingungen zu gewährleisten, ist eine vergleichbare Ausstattung sowie ein Mindestmaß an demokratischer Teilhabe unerlässlich.

Da hochschulische Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu sehen und nicht von privatwirtschaftlichen Interessen abhängig zu machen ist, sollten grundsätzlich alle Hochschulen in staatlicher Träger*innenschaft verbleiben bzw. in diese überführt werden.

Das Konstrukt der Stiftungshochschule – mit seinen teilweise antidemokratischen Abhängigkeitsverhältnissen – lehnt der fzs in seiner heutigen Form ab.

Die Finanzierung einer Hochschule ist originäre Aufgabe der Mitglieder einer Gesellschaft, die sich zu einem Gemeinwesen zusammengeschlossen haben und somit diese Kollektivaufgabe bewältigen. Nur durch diese öffentliche Finanzierung kann sichergestellt werden, dass Partizipation an hochschulischer Bildung nicht von der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit oder dem Mut zur Verschuldung abhängt.

Studium

Der fzs fordert, dass der Zugang zum Studium nicht an Bedingungen geknüpft wird. Dazu ist es auch notwendig, die Immatrikulation für den begrenzten Rahmen eines bestimmten Studiengangs abzulösen und durch eine Immatrikulation an der Hochschule zu ersetzen.

Das starre Konstrukt von vorgegebenen Studiengängen ist nicht mehr zeitgemäß und gehört grundlegend überdacht. Oftmals sind derzeit Studiengänge einseitig gestaltet und lassen keinen Raum für individuelle Interessen und persönliche Entfaltung. Statt einzelnen Studiengängen soll es zukünftig ein vielfältiges und breites Angebot an einzelnen Kursen geben, die individuell miteinander kombinierbar sind. Darüber hinaus ist es auch möglich, thematisch zusammengehörige Kurse zu Studienprogrammen zusammenzufassen, welche zum Beispiel für einen Beruf qualifizieren. Alle absolvierten Kurse werden einzeln zertifiziert. Dadurch wird den Mitgliedern ermöglicht, sich fächerübergreifend und an den eigenen Interessen orientiert zu qualifizieren und lückenlos die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu dokumentieren.
Weiter wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Mitglieder selbstständig den Zeitpunkt bestimmen, wann sie ihr Studium beenden möchten: Aus Absolvent*innen und Abbrecher*innen werden Menschen, die jeweils mehr oder jeweils weniger studiert haben. Um dem gesellschaftlichen Auftrag der wissenschaftlich fundierten Erkenntnisgewinnung gerecht zu werden, wird das Angebot an Kursen und Studienprogrammen durch Forschungsprojekte und individuell anzupassende Forschungszeiträume vervollständigt. Dabei ist auf die Notwendigkeit von Forschung Rücksicht zu nehmen, ohne dass ein Zwang zur Forschung in jedem Studienprogramm festgeschrieben wird.

Zugangsvoraussetzungen für Kurse dürfen nur fachlicher Natur sein, um z.B. erforderliche Grundkenntnisse nachzuweisen. Dabei ist nicht relevant, ob die erforderlichen Kenntnisse bereits durch einen anderen Kurs (oder ein Studienprogramm) zertifiziert oder auf anderem Weg nachgewiesen werden können.
Zugangsvoraussetzungen dürfen ausschließlich von demokratischen Gremien der Hochschule erlassen werden. Darüber hinaus muss die Hochschule von morgen endlich das häufig postulierte Ziel erfüllen, Leistungen aus anderen Bildungseinrichtungen im In- und Ausland angemessen und konsequent anzuerkennen und zu berücksichtigen.

Das Studienangebot darf nicht wie bisher von Wenigen – meist Professor*innen – erarbeitet und durch undemokratische Strukturen scheinbar legitimiert werden. Stattdessen müssen der Organisation der Lehre ein demokratischer Diskurs und eine Wahlentscheidung aller Mitglieder zugrunde liegen.

Einheit von Forschung und Lehre

In einer modernen Hochschule kann die Einheit von Forschung und Lehre durch verschiedene Instrumente sichergestellt werden; denkbar wäre beispielhaft das direkte Studieren in einem Studienprogramm mit bestimmten Forschungsschwerpunkten. Bei der Besetzung wissenschaftlicher Stellen soll die Kompetenz, Forschung und Lehre zu verbinden, stärker berücksichtigt werden.

Fazit

Aus Sicht des fzs muss die heutige Hochschullandschaft mit ihrem hierarchischen Gefälle zwischen den Hochschultypen überwunden und umgebaut werden. Inspiriert durch die Baukasten-Gesamthochschule wird ein flächendeckendendes Netz aus Hochschulen eines Typus gebildet, das ein breites Spektrum an Studiermöglichkeiten und dabei für möglichst viele Menschen Teilhabemöglichkeiten bietet. Das Studium an einer solchen Hochschule muss in seinen Schwerpunkten an der akademischen Freiheit ausgerichtet und in seinen Grenzen dem demokratischen Prozess der Mitglieder unterworfen werden.

Anstatt durch zwanghaften Wettbewerb die Hochschullandschaft in exzellente Leuchttürme und minderwertige Einrichtungen zur Massenbildung zu zerlegen, muss das vordringlichste Ziel einer grundlegenden Reform der Hochschullandschaft eine hohe Qualität an jeder einzelnen Hochschule sein.