Bundesweite Aktionstage gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen – Studierende kritisieren Novelle des WissZeitVG

Bundesweite Aktionstage gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse an Hochschulen – Studierende kritisieren Novelle des WissZeitVG

Am 1.12. findet in mehreren Städten ein Aktionstag für bessere Beschäftigungsbedingungen an Hochschulen statt. Im Kern geht es bei diesen Aktionen um Entlohnung, Entfristungen, eine angemessene Ausgestaltung von Stellen und demokratische Aushandlung der eigenen Arbeitsbedingungen im Rahmen von Tarifverträgen. Wo er noch nicht existiert, wird die Einführung des Tarifvertrags gefordert. An vielen Orten richtet sich der Protest gegen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und das Tarifeinheitsgesetz, das nichts anderes als die Gängelung gewerkschaftlicher Arbeit darstellt.

Ronja Hesse, Koordination der Landesstudierendenvertretung, erläutert: „Die Arbeitsverhältnisse an Hochschulen sind absolut unhaltbar. Befristungen von wenigen Monaten sind inzwischen genauso die Regel, wie Halb-, Viertel- oder gar Dezimalstellen. Doch die Arbeit im Rahmen dieser Kleinststellen bedeutet keineswegs einen Zuwachs an Freizeit, im Gegenteil: Oft wird dennoch ein Arbeitseinsatz erwartet, der mindestens einer vollen Stelle entspricht oder sogar darüber hinausgeht. Im Rahmen der feudalen Verhältnisse an Hochschulen können die Arbeitgeber*innen sich gewiss sein, dass dieser Erwartung Folge geleistet wird. Wer nicht spurt, bekommt nach wenigen Monaten einfach den Folgevertrag nicht und darf nicht einmal bis zum Abschluss eines wissenschaftlichen Projektes weiter arbeiten. Studierende sind als sog. „Hilfskräfte“ von diesen Problemen ebenso betroffen wie wissenschaftliche Beschäftigte. Auch Beschäftigte in Technik und Administration sind von einigen dieser und weiterer Probleme betroffen.“

Marie Dücker, Vorstand des freien zusammenschluss von studentInnenschaften ergänzt: „Viele Probleme des wissenschaftlichen Personals ließen sich mit einer vernünftigen Reform oder einer Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes lösen oder zumindest entschärfen. Leider ist die Bundesregierung nicht in der Lage, einen Entwurf vorzulegen, der diesen Ansprüchen genügt. Die faktische Maximalbeschäftigungszeit für alle Wissenschafter*innen, die keine Professur oder eine Stelle als Rat erhalten, muss wegfallen. Es kann nicht sein, dass an Hochschulen außer befristeter Beschäftigung und Professur nichts denkbar bleibt. Demgegenüber müssen klare Regelungen zur Mindestbefristungsdauer eingeführt werden. Darüberhinaus muss die Tarifsperre wegfallen, Befristungen müssen auch an Hochschulen Teil von Tarifverhandlungen werden. Dazu müssen für Student*innen überhaupt erst einmal wie in Berlin Tarifverträge eingeführt werden. Mit dieser Forderung sind die studentischen Hilfskräfte in Frankfurt bereits in einen Warnstreik gegangen, haben mehrfach unangekündigt den Senat besucht und dort interveniert. Im April haben Senate in Frankfurt und Marburg daher die Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte beschlossen. Ein Tarifvertrag würde auch für diese Gruppe von Arbeiter*innen eine regelmäßige Lohnanpassung in Tarifrunden, rechtlichen Schutz, das Ende von Einzelverträgen und persönlicher Abhängigkeit von Arbeitgeber*innen bedeuten. Nicht nur in Frankfurt, sondern überall muss dieser Forderung endlich nachgekommen werden!“

Daniel Jahnke, Referent für Angelegenheiten studentischer Hilfskräfte in Würzburg, bemängelt: „In dem aktuellen Entwurf des WissZeitVG wurde es verpasst, eine klare Regelung für die Verlängerung der Befristungsdauer aufgrund von Sorgearbeit, wie zum Beispiel Kindererziehung, zu finden. So bleiben Betroffene von der Willkür ihrer Arbeitgeber*innen abhängig. Ähnlich problematisch ist die Anrechnung von Teilzeitarbeit auf die Befristungsdauer. Bereits ab 25% Teilzeitarbeit wird die Stelle voll auf die Befristung angerechnet. Damit wird den betroffenen Beschäftigten die Möglichkeit genommen, sich genauso umfänglich zu qualifizieren wie ihre Kolleg*innen in Vollzeit. Vor allem Menschen, die Sorgearbeit leisten und daher auf eine Teilzeitstelle gehen müssen, sind davon betroffen. Da auch heute noch vor allem Frauen Sorgearbeit für Angehörige leisten, werden sie durch die aktuelle Regelung strukturell schlechter gestellt.“

Konstantin Korn, Referent für Hochschulpolitik in Marburg, bemerkt: „Doch nicht nur die Beschäftigungsbedingungen sind desaströs, auch die Möglichkeiten, genau solche Missstände anzuprangern, möchte die Regierung weiterhin unterbinden. Das Tarifeinheitsgesetz bedeutet für viele gewerkschaftliche Organisationen faktisch einen Maulkorb. Dadurch darf nur noch die mitgliedsstärkste Gewerkschaft eines Unternehmens Tarifverhandlungen führen.“

In vielen Städten formiert sich aufgrund dieser Umstände Protest. An vielen Hochschulen, u.a. Darmstadt, Marburg, Hannover, Vechta, Braunschweig, Lüneburg, Würzburg, Passau, Bamberg und Bonn wird es darüber hinaus Vollversammlungen studentischer Beschäftiger geben, die sich mit den angesprochenen Themen befassen.

Kontakt: Marie Dücker: 015772532231 Sandro Philippi: 01782324494