Gegen die Bildungskrise – #stopthecuts

Bildung und Wissenschaft in Deutschland sind chronisch unterfinanziert und marode Schulen, fehlende Lehrkräfte, überfüllte Hörsäle und prekäre Arbeit eher die Norm als die Ausnahme.

Der Zustand unserer Bildungseinrichtungen ist, offen gesagt, ein Skandal!

Von Legislatur zu Legislatur sind hier die anfallenden Aufgaben verschleppt worden, so dass heute allein für die dringend notwendige Sanierung von Gebäuden und Infrastruktur 103 Mrd. Euro fehlen. Ausschlaggebend ist hier nicht zuletzt die Schuldenbremse. Ausgerechnet unter dem Deckmantel der „Generationengerechtigkeit“ wird die Zukunft junger Generationen kaputtgespart.

Dabei bleibt Deutschland schon lange hinter den selbst und in der EU geleisteten Versprechungen zurück. Bereits 2008 ist auf dem Dresdner Bildungsgipfel von Bund und Ländern das Ziel ausgerufen worden, bis 2015 zumindest 10% des BIP für Bildung (7%) und Forschung (3%) auszugeben. Davon sind wir noch heute meilenweit entfernt. Auch im internationalen Vergleich gibt Deutschland deutlich weniger für Bildung aus. Allein um im Mittelfeld der OECD-Staaten anzukommen; die im Durchschnitt 5,0 Prozent/BIP ausgeben, während Deutschland bei nur 4,2 Prozent (2019) liegt; bräuchte es um die 24 Mrd. Euro mehr- jedes Jahr. Von den Spitzenplätzen ganz zu schweigen.

Das hat Konsequenzen: In keinem anderen Land in Europa hängt der Erfolg junger Menschen in Schule, Ausbildung und Studium so sehr am Elternhaus wie in Deutschland! Schon in unseren Grundschulen werden Schüler*innen, die keine Akademiker als Eltern haben nur halb so oft auf weiterführenden Schulen geschickt, die zu einer Hochschul- Zugangsberechtigung führen können, wie Kinder aus Akademiker-Familien. Ein Trend, der sich durch das ganze Bildungssystem zieht und entscheidend dazu beiträgt, Generationen von Arbeiterkindern ihrer Zukunftschancen zu berauben.

Überraschen darf diese Bildungsungerechtigkeit längst niemanden mehr. Denn je schlechter das öffentliche Bildungssystem ausfinanziert ist, desto mehr fällt ins Gewicht, welche Unterstützung sich Familien selbst leisten können. Selektiert wird hier nicht nach Interessen, Engagement oder Potential, sondern maßgeblich nach den Ressourcen der Eltern. Unter die Räder geraten dabei umso stärker Kinder aus ohnehin benachteiligten Gruppen. Unser Bildungssystem schafft es aktuell beispielsweise deutlich schlechter als der OECD-Durchschnitt, die Sprachentwicklung von Schüler*innen mit Migrationshintergrund gezielt zu fördern. Im Ergebnis ist ihre Lesekompetenz fast 20% geringer als bei Kindern und Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Auch die neue Bundesregierung bekennt sich in ihrem Koalitionsvertrag zu dem Versprechen, dass alle Kinder beste Bildung und gute Chancen verdienen und kündigt an, die Schuldenbremse dafür zu überdenken. Wer es damit ernst meint, der muss jetzt aber auch anpacken, Geld in die Hand nehmen und Lösungen vorbringen. Denn die Baustelle, die vor uns liegt, ist riesig und hört eben nicht bei der individuellen Studienförderung auf, sondern braucht ein in seiner Gesamtheit ausfinanziertes Bildungssystem!

Groß angekündigt hat die Regierungskoalition 14 Jahre nach dem Dresdner Bildungsgipfel bisher erstmal einen neuen „Bildungsgipfel“. Als Zusammenschluss von Lernenden und für Bildungsgerechtigkeit kämpfenden Organisationen sind wir klar: Was wir wirklich nicht gebrauchen könnten, wäre noch ein weiteres verschenktes Jahrzehnt voller verpasster Ziel-Marken und gebrochener Versprechen. Die enormen Misstände und Aufgaben sind längst klar, jetzt muss es ernsthaft um die konkrete und schnelle Umsetzung gehen.

Wir brauchen erstens endlich eine echte Bildungsoffensive und entscheidend mehr Bundesmittel für eine dauerhafte Unterstützung von Ländern und Kommunen für gute Bildung und gute Beschäftigungsbedingungen von der Kita über alle Schulen und Hochschulen bis zur Weiterbildung. Nicht bis 2030, 2050, sondern JETZT! Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie einen klaren Plan vorlegt, wie sie noch in ihrer eigenen Legislatur die liegengebliebenen Aufgaben erledigen. Zweitens muss die Verteilung der Mittel hier ausgleichend wirken. Wo der Bedarf größer ist, müssen auch mehr der Bundesmittel ankommen. Statt einer weiteren Verteilung nach dem Königssteiner Schlüssel frei nach dem Motto „wer viel hat, dem wird noch mehr gegeben“ fordern wir deshalb eine Orientierung am Sozialindex und eine Berücksichtigung von Aufgaben in der Sprachförderung, Inklusion und Genderbudgeting als Querschnittsaufgabe.

Mit der Kampagne #stopthecuts erkennen wir diese Situation und wollen das Thema Hochschulfinanzierung stärker im öffentlichen Bewusstsein platzieren. Konkret fordern wir die Bundesregierung und Länder auf:

Gute Bildung braucht Investitionen- Schuldenbremse kippen!
Baufällige Gebäude, in denen Eimer das durch die Decken tropfende Wasser auffangen, und Toiletten, auf die sich niemand mehr traut, sind an Schulen und Hochschulen leider keine Seltenheit. Es gibt einen Sanierungsstau in Milliardenhöhe und dieser muss endlich behoben werden. Die Zeit dafür ist jetzt: Die Pandemie zeigt uns, wie dringend ein Ausgleich für massiven Einschränkungen, die Menschen im Bildungswesen in den letzten zwei Jahren einstecken mussten nötig ist, und die Aussetzung der Schuldenbremse gibt dafür den Rauhmen vor. Für gute Bildung braucht es eben auch eine gute Infrastruktur. Das gilt für die Gebäude, aber auch für die Ausstattung und sonstige soziale Infrastruktur. Dabei dürfen nicht nur Schulen und Hochschulen mitgedacht werden, sondern auch Jugend- und Kulturzentren sind wichtige Bildungs- und Schutzräume die ebenso gefördert werden müssen.

Ausbildungsförderung für mehr Chancengerechtigkeit!
Nicht alle Eltern können sich leisten, ihre Kinder in der Ausbildung finanziell zu unterstützen, nicht alle haben überhaupt Kontakt zu ihren Eltern und nicht alle wollen finanziell von ihren Eltern abhängig sein. Es braucht daher eine Ausbildungsförderung für alle: Unabhängig vom Elternhaus und ohne Verschuldungszwang, die allen ermöglicht, sich während der Ausbildung voll auf diese zu konzentrieren, ohne nebenbei für den Lebensunterhalt arbeiten zu müssen.

Mehr Fachkräfte in Lehre und Betreuung!
Gute Bildung braucht ausreichend Fachkräfte, die diese gute Bildung gestalten können. Daher braucht es dringend mehr Lehrpersonal! Wir brauchen mehr Lehrer*innen an Schulen, mehr Dozierende und Professor*innen an Universitäten und allgemein mehr Beschäftigte an Bildungsstätten in der ganzen Breite. Auch damit die Lerngruppen nicht immer weiter wachsen. Denn größere Lerngruppen bedeuten auch, dass einzelne Schüler*innen und Studierende weniger Möglichkeit haben in direkten Kontakt mit ihren Lehrenden zu treten um Nachfragen zu stellen oder direktes Feedback zur eigenen Leistung zu erhalten. Neben Lehrpersonal braucht es unbedingt auch mehr Personal im Bereich psycho-sozialer Beratung, mehr Sozialarbeiter*innen und weiteres pädagogisches Personal. Denn verschiedene Umfragen zeigen, dass psychische Probleme unter Studierenden und Schüler*innen in den letzten Jahren konstant zugenommen haben. Es braucht daher deutlich mehr Kapazitäten als bisher.

Um mehr Fachkräfte gewinnen zu können, braucht es jedoch auch gute Arbeitsbedingungen. Gerade im wissenschaftlichen Bereich sind diese aktuell nicht gegeben, vielmehr sind prekäre befristete Arbeitsverträge und Überstunden die Regel. Auch das mus sich ändern, denn gute Bildung braucht gute Arbeitsbedingungen. Dazu gehört auch: Es braucht Dauerstellen für Daueraufgaben.

Präsenzlehre darf nicht am Geld scheitern und digitale Lehre sicher gestaltet sein!
Digitale Lehre war in den vergangenen Jahren auf Grund der Pandemie unbestreitbar oftmals unverzichtbar und kann auch künftig Bildung in verschiedenen Lebenssituationen zugänglicher machen. Doch wir alle merken, dass digitale Lehre Präsenz niemals vollständig ersetzen können wird. Darum finden wir: Präsenzlehre darf nicht am Geld scheitern und digitale Lehre nicht als Sparmaßnahme genutzt werden. Stattdessen bietet sie Chancen für Lernen in allen Lebenslagen. Aber dafür braucht es gute digitale Lehre, finanzielle Förderung für Hardware, ein digitales Bildungskonzept und eine gute digitale Infrastruktur sowie die richtige technische Ausstattung. Im digitalen Raum bedeutet das, dass sichere Server-Strukturen geschaffen werden müssen, die hohe Sicherheit für die Daten der Nutzer*innen bieten. Damit Präsenzlehre auch zukünftig sicher gestaltet werden kann braucht es ebenfalls bessere Ausstattung.

Freie Bildung für alle ohne versteckte Gebühren!
Bildung muss kostenlos sein. Nur so steht Bildung allen offen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Darum fordern wir freie Bildung für alle ohne versteckte Gebühren. Dazu zählen für uns neben Kosten für Aufnahmetests oder Studiengebühren für ausländische Studierende beispielsweise auch Kosten für Materialien wie Werkzeuge oder Bücher.