Mehr Tempo für Bildungsgerechtigkeit – die Ampel muss nachlegen!

Immer wieder belegt Deutschland die letzten Plätze wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht. Der fzs fordert die Bundesregierung daher dazu auf sich aktiv für mehr Bildungschancen für alle einzusetzen. Ein wesentlicher Faktor für mehr Bildungsgerechtigkeit ist dabei Studienfinanzierung. Ganz konkret fordern wir daher die Bundesregierung dazu auf die im Koalitionsvertrag festgelegte Reform des BAföG weiter anzugehen um das BAföG wieder zu einem Instrument für mehr Bildungsgerechtigkeit zu machen.

Gut ein dreiviertel Jahr ist die aktuelle Regierung inzwischen im Amt. Während im Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele für mehr Bildungsgerechtigkeit festgelegt wurden ist davon bisher wenig zu sehen. Als großes Projekt für mehr Bildungsgerechtigkeit betonte die Koalition von Beginn an eine zukunftsweisende Reform des BAföG. Diese Reform des BAföG ist dringend überfällig. Immerhin bekommen nur noch unter 11% aller Studierenden BAföG, die Höhe reicht in den seltensten Fällen zum Leben aus und die Förderbedingungen gehen schlicht an studentischen Realitäten vorbei.

Diese niedrige Förderquote führt nicht nur dazu, dass viel zu wenig Studierende die eigentlich diese Hilfen brauchen von der Förderung quotieren. Auch in anderen Situationen fallen Studierende die kein BAföG erhalten oftmals durch das Raster obwohl sie auf die zusätzliche Unterstützung angewiesen wären, sofern Studierende überhaupt mitgedacht werden. Aktuell zeigt sich dies beispielsweise bei den Entlastungspaketen auf Grund der momentanen Preissteigerungen. Hier wurden Studierende oftmals nicht mitgedacht und wenn sie mitgedacht wurden profitieren meist nur Studierende die BAföG beziehen.

Vor über 50 Jahren wurde das BAföG in Deutschland eingeführt. Seitdem hat es sehr gelitten und ist stark reformbedürftig. Dazu gehörte zum Beispiel die Abschaffung des Vollzuschuss und der in Konsequenz eingeschlagene Weg hin zu einem Teildarlehen den das BAföG seitdem gegangen ist. Doch seit Jahren wurde dieser Reformbedarf entweder verkannt oder obwohl er erkannt wurde nicht angegangen. Mit dem 27. und 28. Änderungsgesetz zeigt die neue Regierung ihren guten Willen zu Änderung. Guter Wille allein ist jedoch bei weitem nicht ausreichend für notwendige politische Änderungen. Denn die dringend nötigen strukturellen Reformen für das BAföG wurden immer weiter nach hinten geschoben und werden auch jetzt außen vor gelassen. In den kommenden Jahren muss die Bundesregierung daher stetig an ihre eigenen Vorhaben bezüglich einer strukturellen Reform des BAföG erinnert werden und sie muss diese möglichst zeitnah angehen. Denn diese strukturellen Reformen sind längst überfällig um das BAföG wieder zu dem zu machen was es einmal sein sollte. Ein Versprechen für mehr Bildungsgerechtigkeit.

Dieses Projekt hat die Regierung auch schnell angegangen. Das 27. Änderungsgesetz ist bereits vom Bundestag bestätigt worden, während das 28. Änderungsgesetz auch schon durch die Sachverständigenanhörung gegangen ist. Etwa 5% mehr Grundbetrag, etwa 10% mehr Wohnkostenpauschale und etwa 20% mehr Elternfreibetrag, höhere Altersgrenzen und ein Notfallmechanismus für weitere Krisensituationen sind damit entweder bereits beschlossen oder auf dem Weg beschlossen zu werden.

Doch der gerade beschlossene Reformschritt kann allenfalls ein Anfang sein und erreicht nicht die schon seit Jahren geforderte und dringend notwendige „Trendwende“. Der neue Höchstsatz liegt noch immer unterhalb der Armutsgrenze und eine kleine Anfrage der Opposition im Bundestag legte offen, dass wohl jährlich bis 2026 nur etwa 1% aller Studierenden mehr BAföG erhalten werden. Damit würden nach diesem Zeitraum immer noch unter 20% aller Studierenden BAföG erhalten. Das wäre weit hinter den 45% aller Studierenden die einmal gefördert wurden als das BAföG 1971 eingeführt wurde. Konkret sollte die Bundesregierung daher vor allem folgende Punkte angehen:

  • Rückkehr zum Vollzuschuss. Die Verschuldung hält aktuell junge Menschen aktiv von der Beantragung des BAföG ab.
  • Elternunabhängigkeit. Die Abhängigkeit der BAföG-Förderung vom elterlichen Einkommen stellt eine Infantilisierung erwachsener Menschen dar und verhindert für viele eigentlich Anspruchsberechtigte Personen den Zugang zur Förderung.
  • Elternunabhängigkeit. Die Abhängigkeit der BAföG-Förderung vom elterlichen Einkommen ignoriert individuelle Umstände, in denen die Kommunikation mit den Eltern verunmöglicht ist oder in denen die Eltern zur Zahlung nicht bereit sind. Dadurch wird der Zugang zur Förderung für viele eigentlich anspruchsberechtigte Personen verhindert
  • Verlängerung aus individuellen Gründen.
  • Wir wissen, dass Regelstudienzeit eben nicht die Regel ist. Nur 1/3 aller Studierenden schließt in Regelstudienzeit ab, zwei Semester weiter sind es bereits 2/3 der Studierenden.
  • Anpassung der Regelsätze an studentische Realitäten. Denn auch die neuen Fördersätze decken noch nicht den tatsächliche Bedarf Studierender.
  • Regelung zur regelmäßigen Anpassung der Fördersätze an die Realität. Viel zu lange wurden Anpassungen der Fördersätze verschleppt, so dass die Sätze nun einer enormen Steigerung bedürfen um wieder die tatsächlichen Bedarfe Studierender zu decken. Das darf nicht wieder passieren.
  • Studiengangswechsel einfacher ermöglichen. Nicht immer beginnen Studierende direkt das für sie passende Studium. Das zur realisieren und die nötigen Konsequenzen zu ziehen, erfordert oftmals Mut und sollte nicht zusätzlich bestraft werden indem keine BAföG-Förderung mehr möglich ist