Joint Degrees

Da es sich um ein vergleichsweise neues Themenfeld handelt und auch keine klare, kohärente und unmissverständliche Terminologie gebraucht wird, ist es notwendig zu definieren, was der fzs unter den folgenden Begriffen versteht. Das Positionspapier selbst befasst sich explizit ausschließlich mit Joint Degrees.

Joint Degrees

Ein Joint Degree ist ein von mindestens zwei Hochschulen vergebener gemeinsamer Abschluss, der von allen anbietenden Hochschulen gemeinsam entwickelt wurde und angeboten wird.

Double Degree

Ein Double Degree umfasst zwei oder mehr Abschlüsse, die jeweils einzeln von mindestens zwei Hochschulen für den gleichen Studiengang vergeben werden. Ein solcher Studiengang wird an allen teilnehmenden Hochschulen angeboten, kann jedoch separat oder nur von einer der beteiligten Hochschulen entwickelt worden sein.

Twinning Programme

Ein Twinning Programme ist ein gegenseitiges Abkommen, das entweder zu einem Joint oder einem Double Degree führt. Stärkung der Kooperation zwischen Hochschulen

Joint Degrees

Joint Degrees können als Mittel einer verstärkten Kooperation zwischen Hochschulen dienen. Insbesondere sollten Joint Degree Programme auch zwischen Hochschulen angestrebt werde, die ein unterschiedliches Niveau in der Qualität ihrer Lehre haben. Dabei ist eine möglichst große Vielfalt an Fachbereichen und Studiengängen anzustreben, um ein weitgefächertes Angebot für die StudentInnen zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidungen müssen unter breiter Beteiligung der Hochschulmitglieder getroffen werden.

Durch den Austausch von StudentInnen, AkademikerInnen, didaktischen Methoden und Erfahrungen in der Studienprogrammentwicklung können Joint Degrees eine große kulturelle und wissenschaftliche Rolle spielen, die der Stärkung der internationalen Gemeinschaft dienen. Joint Degrees im Kontext des Bologna-Prozesses

Eines der zentralen Ziele des Bologna-Prozesses ist die Stärkung der europäischen Dimension in der Hochschulbildung. Joint Degrees oder auch integrierte Diplome werden als ein Mittel der Europäisierung explizit genannt: „This concerns particularly modules, courses and degree curricula offered in partnership by institutions from different countries and leading to a recognised joint degree.“ („Towards the European Higher Education Area“ – Kommuniqué der für Hochschulbildung zuständigen europäischen MinisterInnen; Prag 19.5.2001) Nach Überzeugung des fzs sollte ein im Rahmen des Bologna-Prozesses gefördertes oder unter dem Label „Europäisierung“ entwickeltes Joint Degree von mindestens zwei Hochschulen aus mindestens zwei europäischen Ländern angeboten werden. Jedoch ist es mittel- bis langfristig anzustreben, dass auch Hochschulen außerhalb Europas an diesen Programmen teilnehmen. Somit können Joint Degrees auch einen über die Schaffung des europäischen Bildungsraums hinausgehenden Beitrag leisten. Steigerung der Mobilität von StudentInnen und Lehrenden

Nach Überzeugung des ist es eine der Hauptfunktionen von Joint Degrees, zur Stärkung der Mobilität von StudentInnen und Lehrenden beizutragen. StudentInnen sollten daher mindestens ein Studienjahr oder das Äquivalent in ECTS-Punkten an einer Hochschule im Ausland verbringen. Virtuelle Mobilität bietet keinen Ersatz für physische Mobilität. Jedoch sollte virtuelle Mobilität in Betracht gezogen werden, um StudentInnen, die nicht an den Programmen teilnehmen könnten, eine Teilnahme an Joint Degree Programmen zu ermöglichen. Diese Gründe dürfen allerdings nicht im finanziellen Bereich liegen; niemand darf aus finanziellen Gründen an einer umfassenden Teilnahme an Joint Degree Studiengängen gehindert werden. StudentInnen müssen frei entscheiden können, wann sie den Teil ihres Studiums im Ausland absolvieren möchten.

Neben der Erhöhung der Mobilität der StudentInnen kommt einer Erhöhung der Mobilität von Lehrenden eine entscheidende Rolle zu. Die Mobilität von Lehrenden und Forschenden muss ein integraler Bestandteil eines Joint Degree Programms sein. Die daraus resultierenden Erfahrungen fördern Weiterentwicklungen und Verbesserungen in der wissenschaftlichen Forschung sowie in den didaktischen Methoden. Gemeinsame Studiengänge sind undenkbar, wenn nicht zumindest ein Teil der Dozierenden fundierte Kenntnisse aus eigener Erfahrung über Arbeitsweise und Lehrmethoden der jeweiligen Partnerhochschule besitzt. Entwicklung der Studienordnungen und Studieninhalte

Joint Degree Programme sollten nicht auf bestimmte Fächer oder Studienprogramme begrenzt sein. Neben dem gemeinsam formulierten Programm an Kernveranstaltungen sind jedenfalls weitgehende Wahlmöglichkeiten für Kurse durch die StudentInnen vorzusehen. Die Studiengänge sollten sowohl innerhalb einer bestimmten Fachdisziplin angeboten werden als auch Inter- und Multidisziplinarität fördern. Die Einführung von Joint Degree Programmen darf jedoch keine Einschränkung des Lehrangebotes nach sich ziehen.

StudentInnen und Lehrende sollten die Studienordnung in Zusammenarbeit entwickeln und auch gemeinsame Kommissionen bilden, die für alle mit den Programmen zusammenhängenden Entscheidungen zuständig sind. Die umfassende Beteiligung von dazu legitimierten StudentInnen in allen Fragen zu Joint Degree Programmen muss sichergestellt werden.

Hochschulen, die Joint Degrees anbieten, müssen Angebote für kostenlose, umfassende sprach- und landeskundliche Studien zur Vorbereitung von Studienaufenthalten gewährleisten und im Regelfall selbst anbieten. Kenntnisse der Sprache und Landeskultur der an den Joint Degrees partizipierenden Hochschulen sollten integraler Bestandteil der Studien sein. Qualitätssicherung von Joint Degree Programmen

Alle Joint Degree Programme sollten akkreditiert sein; die Qualität dieser Studiengänge muss in jedem Fall gesichert und regelmäßig überprüft werden. Das noch bestehende Problem der Vergleichbarkeit von Qualitätssicherungs- und Akkreditierungssystemen darf jedoch kein Hindernis für die Einrichtung von Joint Degree Programmen sein. Qualitätssicherungs- und Akkreditierungsagenturen müssen verstärkt zusammenarbeiten, um alternative Verfahren zu entwickeln, die die Schwierigkeiten bezüglich der akademischen und beruflichen Anerkennung von Qualifikationen lösen. Hier ist die Mitbestimmung der Betroffenen ebenfalls nötig, insbesondere bei privat-wirtschaftlichen Agenturen. Soziale und finanzielle Aspekte

Eine Steigerung von Lehr- und Lernmitteln ist für eine effektive Realisierung von Joint Degree Programmen notwendig und erforderlich. Ausreichende Geldmittel sind essentiell für die Entwicklung und Weiterentwicklung von Joint Degree Programmen. Daher müssen zusätzliche Gelder seitens des Staats bereitgestellt werden, damit bereits existierende Studienprogramme nicht unter Geldmangel leiden bzw. die Verantwortung für deren Finanzierung auf die Hochschulen übertragen wird. Joint Degree Programme müssen studiengebührenfrei angeboten werden. StudentInnen sowie Lehrende und Forschende müssen während ihres Aufenthaltes im Ausland ihre Sozialleistungen behalten. Da dies jedoch regelmäßig nicht ausreichend ist, um gleiche Chancen für die Teilnahme an Joint Degree Programmen sicherzustellen, müssen weitere Maßnahmen von allen teilnehmenden Ländern getroffen werden. Niemand darf aus finanziellen Gründen an der Teilnahme an solchen Programmen gehindert oder zum Studienabbruch gezwungen werden. Die ausreichende finanzielle und soziale Unterstützung von allen Beteiligten an Joint Degree Programmen ist daher unerlässlich. Ein Joint Degree soll zu einer automatischen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in den anbietenden Staaten führen. Maßnahmen müssen jedoch ergriffen werden, um Brain-Drain zu verhindern. Schlussfolgerung

Der fzs betrachtet Joint Degrees als einen sinnvollen Weg, Qualifikationen zu erlangen. Darüber hinaus bieten Joint Degrees die Möglichkeit, Erfahrungen außerhalb nationaler Grenzen zu sammeln. Diese Programme dürfen bestehende Studiengang nicht ersetzen oder dazu führen, dass es für StudentInnen de facto notwendig wird, ein Joint Degree Programm zu belegen. Die Einrichtung von Joint Degree Programmen muss anhand eines rechtlichen Rahmenwerks erfolgen, das die strukturellen Elemente definiert und ein Sozialunterstützungssystem sicherstellt, das die Mobilität ermöglicht und garantiert. Die gleichberechtigte Beteiligung von StudentInnen an allen mit den Joint Degree Programmen zusammenhängenden Entscheidungen muss ebenfalls garantiert sein.

Beschlossen auf der 22. MV in Münster, November 2002